Severine Martens

Luna und der Wald

Ob eine gewisse Frau Martens sich vorstellen könnte, mit ihren Hunden doch mal vor die Tür zugehen? Einen schönen Spaziergang durch den Wald würde er für eine gute Idee halten, dafür könnte er sogar in Erwägung ziehen, Lunas Genöhle über ihre nassen Pfoten zu ertragen. Ich schaue hoch und sehe den Milow schon vor der Haustür stehen. Schade eigentlich, dass er sich sein Halsband und sein Geschirr nicht selber anlegen kann, scheint ihn gerade durch den Kopf zu gehen. Wenn Frau Buch-Schreiberin doch wenigstens die Güte hätte, die Tür aufzumachen, dass würde ihm schon reichen. Er sei hier zwar nur der Hund, aber er könne seine Bedürfnisse auch anders deutlich machen. Er könne sich allerdings nicht vorstellen, dass dieses meinen Vorstellungen entspricht! Ob ich es darauf anlegen würde, wolle er doch gerne mal wissen.

Na, der scheint heute ja richtig gut in Form zu sein und ich bekomme am laufenden Meter die Ohren lang gezogen. Der Halunke scheint recht unzufrieden zu sein, meckert ständig mit mir rum und ich glaube, er muss mal raus! Ich klappe das Laptop zu, starre kurz ein riesiges Loch in die Decke und überlege, wie ich Luna erkläre, dass der Halunke schon wieder in den Wald möchte. Ich solle bloss nicht auf die blöde Idee kommen, wieder dass Fahrrad rauszuholen, höre ich ihn noch. Aber es ist zu spät! Luna ist schlagartig hellwach, kommt angeflitzt und über ihrem Köpfchen scheint eine riesige Sprechblase mit einem noch riesigeren Fahrrad drinne zu schweben. Herr von Podengo verdreht die Augen und wünscht sich wohl, niemals was gesagt zu haben. So sei das nun auch nicht gemeint gewesen und im Notfall könne er sich auch eine kurze Kontroll-Runde am Gartenzaun vorstellen. Dann könne Frau Bloggerin ja auch ganz bald weiterschreiben und ihre Hunde ignorieren, was sie bestimmt sehr freuen würde. Doch jetzt hilft nichts mehr, denn Luna hibbelt mittlerweile ebenfalls vor der Türe rum, und drängelt. Am liebsten würde sie mir meine Jacke, die Schuhe und den Fahrradschlüssel anreichen oder mich auf eine andere Art beschleunigen. Plötzlich geht hier nichts mehr schnell genug und ich muss zusehen, in Windeseile alles zusammenzukramen, was wir für eine Abenteuerreise so brauchen.

Endlich ist Frühling, wenigstens was das Wetter betriftt und ein klitzekleines bisschen warm ist es auch schon geworden. Die Sonne scheint und wir machen das, worauf wir uns den ganzen Winter gefreut haben: Schuhe an, Jacke an, Halsband für die Hunde und einfach in Richtung Moorwald losflitzen!  Früher hatten wir da ja unser kleines Häuschen: Ein kleines Grundstück zwischen den alten Bäumen, eine kleine selbstgezimmerte Hütte mit Plumpsklo und sogar ein kleiner Teich war mit im Angebot. Quakhausen, wie ich es wegen der vielen Frösche immer nannte, ist immer noch unser Ziel. Aber heute fahren wir einfach dran vorbei. Unser Ziel ist ist ein großes Wäldchen hinter dem Moorwald. Eigentlich ist es mehr ein Hügel, den der Bauer mit seinen großen Geräten nicht berarbeiten kann, und deshalb stehen da ganz viele Bäume drauf rum. Ein kleiner Wald mitten zwischen den Feldern. Hier kommt außer uns keiner her (Es sei ja auch sonst keiner so blöd, sagt Luna!), hier haben wir unsere Ruhe und der Milow kann endlos lange ohne Leine laufen und den Wald auf den Kopf stellen.

Der erste Teil unseres Ausfluges gehört Luna. Ohne Ende am Fahrrad zu flitzen, dass ist ihre Welt und es ist immer wieder herrlich, wenn sie mir ab und an einen Blick zuwirft. Fast so, als wenn sie mich anfeuern möchte: Juchu, Jippi, schneller, gib endlich mal richtig Gas, Juchu, das macht Spass! Sie steckt mich mit ihrer Freude jedes mal an und müssten wir nicht die ganze Zeit den Milow hinter uns herschleifen, würden wir so um den ganzen Erdball sausen. Einmal nach Australien und auf der anderen Seite wieder zurück, mindestens und ganz bestimmt! Sie rennt mit aufgestellten Ohren und in ihr ist soviel Glück , dass es einfach unmöglich ist, davon nicht angesteckt zu werden. An unserem Ziel angekommen grinse ich wahrscheinlich über beide Ohren und auf die Frage, welche Drogen ich nehmen würde, käme die Antwort: Mein kleines Mädchen, diese riesengroße Seele und die pure Freude, an ihrer Seite sein zu dürfen.

Für den Milow ist das alles nix! Fahrradfahren war nie sein Ding und das wird es wohl auch niemals werden. Einfach stur geradeaus laufen, keinen Baum anpinkeln dürfen (obwohl jede Menge davon vorhanden sind) und nichts vom Weg aufheben können? Er wüsste wirklich nicht, was andere daran so toll fänden, und er wisse auch nicht, warum er sich das vorstellen können solle, was andere daran so toll fänden! Der Halunke verlegt sich lieber aufs Trödeln, eiert die ganze Zeit zwei Meter hinter uns her und lässt jeden Passanten ahnen, wie blöd er diese alberne Aktion findet.

Kurz vor unserem Ziel verlassen wir den sicheren und trockenen Weg und hinter einer kleinen Kurve stelle ich meistens das Fahrrad ab. In Lunas Augen flackert spätestens jetzt Prostest auf. Eigentlich habe sie es ja schon geahnt, als wir an unseren Häuschen einfach vorbeigefahren sind, ohne den Fröschen noch einen guten Tag zu wünschen. Klein Luna findet diesen Wald doof, aber sowas von! Erstens sowieso und zweitens , weil der Milow ihn gut findet und sie wegen dem Blödmann da jetzt rein gehen muss. Dessen Augen leuchten mitlerweile wie zwei kleine Lämpchen und seine Marzipannase zeigt uns den Weg: In Richtung Moos, Kanichenköddel, moderiger Baumstubben und feuchter Waldluft. Wir gehen querfeldein und der Milow kann jetzt auch frei laufen. Es geht quer durch das Unterholz und wir alle müssen ständig aufpassen, wo wir hintreten. Auch der Halunke ist sehr damit beschäftigt und er bleibt immer in meiner Nähe - völlig anders als auf befestigten Gegen, wo er auch gerne mal Gas gibt und für mich nicht mehr erreichbar ist. Hier ist das anders und er vermittelt mir ständig das Gefühl, dass wir ein Team sind!

Klein Luna geht mitlerweile auf Pfotenspitzen und immer wieder streift mich ein vorwurfsvoller Blick. Den Halunken sehen wir ab jetzt nur noch von hinten und die Kleine bleibt extra weit zurück, um allzeit ihren Unmut zu demonstrieren. Der Milow ist seelig, stöbert was das Zeugs hält, rennt mit tiefer Nase durch das Unterholz und nur ganz selten muss ich ihn bremsen und daran erinnern, dass er nicht alleine unterwegs ist. Hier ist er zu Hause, hier ist er in seinem Element und hier blüht er so richtig auf. Den langweiligen Weg hierher hat er schon längst vergessen und es ist eine Wonne, ihn zu beobachten.  Selbst Lunas Meckern höre ich kaum noch, wenn seine  Freude auf mich überschwappt. Die kleine Maus gibt sich dennoch alle Mühe: Es sei alles fürchterlich nass, überall dieses blöde Moos und dann noch dieser wackelige Fußboden. Überall lägen Stöcker und dann noch diese ganzen Bäume, um die man immer rumkurven muss. Einige lägen da sogar umgeschuppst rum, total unordentlich fände sie das und überhaupt sei das keine Gegend für eine Prinzessin!

Wir laufen so ungefähr eine Stunde und schaffen dabei einen knappen Kilometer. Erst den Hügel rauf und dann die andere Seite wieder runter. Verlaufen können wir uns hier nicht, weil ein Weg rund um das Wäldchen führt - Was ich sehr praktisch finde, denn ich bin so ziemlich das Gegenteil zu einer Pfadfinderin! Wieder auf dem Weg plumpst Luna ein riesiger Stein von der Seele und schlagartig hört sie auf, sich den Wald, die Bäume und das nasse Moss ständig wegzuwünschen. Wenn unser Fahrrad in Sichtweite auftaucht, flitzt sie los und ist dort, bevor ich mich noch einmal umdrehen und es mir anders überlegen kann.  Jetzt ist Luna wieder in ihrem Element, die Qualen im Wald sind vergessen. Auf dem Rückweg machen wir noch einen kleinen Schlenker über unseren Hundeplatz und sogar der Milow flitzt jetzt mit, obwohl wir den gleichen Weg zurückfahren müssen. Das mag er eigentlich gar nicht, aber jetzt zieht Peanuts Wiese ihn wie ein Magnet an. Die beiden wissen genau, dass wir dort nochmal halt machen, weil wir das immer so machen. Außerdem brauche ich eine Verschnaufpause! Der Halunke kann hier nochmal seine Kontrollrunden drehen und klein Luna freut sich über ihren lila Quietscheball. Ich mache schnell noch ein paar Angeberfotos, sitze auf unserer kleinen Bank und vergifte ein wenig (mit brennenden Stöckchen) meine Lunge. Aber wir bleiben nicht lange und nach einer kleinen Weile und einem Endspurt und sind wir dann glücklich wieder zu Hause. War ein toller Tag, höre ich von den beiden, nachdem sie es sich schmatzend mit Trockenfleisch und Ochsenziemer auf dem Sofa bequem gemacht haben. Ich schaue ihnen noch eine Weile zufrieden zu und ertappe mich dabei, wie ich mir heimlich etwas auf die Schultern klopfe. Es ist nicht immer leicht, es zwei so verschiedenen Hunden wirklich recht zu machen. Aber heute haben wir es geschafft, denke ich, und lehne mich zufrieden zurück! Wie es sich wohl anfühlt, in dieser We! lt ein H und zu sein, ist mein letzter Gedanke, bevor wir gemeinsam für ein kleines Nickerchen im Reich der Träume verschwinden.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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