Paul Rudolf Uhl

Vltava - die Moldau


- so heißt der Hauptfluss Böhmens, der im Böhmerwald aus zwei Quellflüssen entspringt. Die Moldau – so der deutsche Ausdruck – mündet bei Melnik in die Elbe. Sie ist 437 km lang und ab Prag schiffbar...
 
Was nicht im Lexikon steht: einer ihrer Quellbäche - die kalte Moldau - kommt aus dem Bayrischen Wald. Östlich des Berges Haidel vereinen sich nämlich der Goldgruber- der Weberau- und der Rothbach zur kalten Moldau, die an Haidmühle vorbei über die Grenze läuft. Drüben heißt sie dann Studena (kleine)Vltava und vereinigt sich südlich von Wallern (Volary) mit der warmen Moldau, die im Grenzkamm zwischen Finsterau und dem böhmischen Kvilda entspringt. Zunächst läuft die Moldau in Richtung Südost, wo die Menschen sie aufgestaut haben zum Moldau- Stausee (Lipno). Ab Hohenfurt (Vissi Brod) wendet sie sich nach Norden, fließt durch Budweis, nimmt den Luznice auf. Nördlich von Pisek - schon im Bereich des Orlik - Stausees - kommt noch die Otava hinzu und weitere Stauseen entstehen in der Moldau mit böhmische Kraftwerken: der Namyc-  und der Slapy- See. Kurz vor Prag fließt von rechts noch der Sazava hinzu, dessen Wasser auch bereits elektrische Energie aus dem Zelivka - Stausee erzeugt haben.
 
... Aber so weit wollte ich gar nicht erzählen; ich beabsichtigte lediglich, von einer kleinen Radwanderung an der jungen Moldau zu berichten. Am Grenzübergang bei Haidmühle gibt es inzwischen genug – allerdings gebührenpflichtige - Parkplätze, wo man das Auto stehen lassen kann und zu Fuß oder mit dem Rad (für Autos tabu!) „ins Böhm“ hinein zu wandern. Die Landschaft wechselt an der Grenze schlagartig ihr Bild:
Statt gepflegter Wiesen gibt es wilde „Natur pur“, Grasbüschel bilden ulkige Haufen und in dieser unberührten Natur blühen seltene Blumen, wachsen viele Pilze und es ist Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Tiere.
 
Was ebenfalls blüht, ist in bescheidenem Umfang das Geschäft mit den Touristen: Schon an der Grenze gibt es eine Wechselstube und einen „Duty-Free- Shop“. Auf den alten Schienen der Bahn, die früher bis ins Bayrische ging, stehen Waggons mit Kunst- und Trödel- Geschäften, auch ein kleines Museum. Der ehemalige böhmische Grenzbahnhof in dem nicht mehr existenten Ort Neuthal (Novè Udoli) hat jetzt ein modernes Restaurant mit Schnaps- und Zigarettenhandel bekom-men.
 
Steil steigt die schmale Straße hinter der Grenzstation hinauf, senkt sich ebenso steil hinunter ins Tal der
 jungen Moldau. Die Straße hat Gesellschaft durch die Bahngleise und die Moldau und alle drei führen hinein in die erste tschechische Ortschaft Tusset (Stozec). Hier dominiert das Gasthaus zur Forelle (Pstruh), wo Wanderer Einkehr und einfache Gastlichkeit finden. In Tusset teilt sich die Straße: links geht´s nach Böhmisch Röhren (Cezky Zleby) und zur Tusset Kapelle (sehenswert); geradeaus - dem Gleis und dem Fluß entlang – kommt man hinunter nach Neuofen (Nova Pec) und zum Moldau- Stausee; die Straße nach rechts führt zum oberen Ortsteil, wo es inzwischen seit der Grenzöffnung mehrere nette Wirtshäuser gibt.
Wir wendeten uns hinunter zum Moldau- Stausee, radelten zunächst gemütlich bis nach Schwarzkreuz (Cerny Kriz), wo wir am Bahnhof auf ein schnau-bendes Ungetüm – den Dampfzug – stießen, der nach Wallern hinein fährt. Welch ein Rauch – sie verheizen keine gute Kohle - welch nostalgisches Zischen und Stampfen der Lokomotive! Und natürlich das übliche Rattern der Räder auf den schlecht gepflegten, alten Gleisen...
Wir machten hier in der Pension Schwarzkreuz – im Restaurant mit Essenausgabeschalter - eine Rast, bestellten Palatschniky mit Eis und unterhielten uns ein bisschen mit anderen Radfahrern aus Germanien, die sich für meine Begriffe etwas zu laut, zu fröhlich, zu fordernd im Gastland verhielten.
Dann folgten wir der Straße bis nach Nova Pec, ständig absteigend, seltene Pflanzen und die vielen Pilze  bewundernd, ich ständig fotografierend...
 
Die Moldau hat hier ein braun gefärbtes Bachbett, inmitten saftiger, hoher Wiesen und Föhrenwäldern. Häufig sahen wir Bäume, die - gefallen  oder gefällt – quer über dem Fluss lagen.
Die kleinen, privaten Datschas entlang der Moldau haben sich fast alle auf einfache Gastronomie eingestellt, wir sahen tschechische Sommerfrischler, die sich mit den bescheidenen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung begnügten: Zelte oder einfache Räume in Holzbauten, ein paar Schlauchboote oder Kanus, Lagerfeuer und Duschen im Freien, deren Wasser in schwarzen Kanistern von der Sonne erwärmt wird, einfachste Bewirtung aus dem Kühlschrank – wenn es nicht die kühle Moldau ist, in der die Bierflaschen liegen - und aus dem häuslichen Kochtopf...
 
Wegen unseres häufigen Anhaltens und Weiterfahrens, Auf- und Absteigens, wegen des begeisterten Schauens in die unberührte, von den Menschen kaum belastete Natur verloren wir ordentlich Zeit. Aber sie war nicht verloren, diese Radwanderung war ein Natur- Erlebnis und ein bisschen auch ein Kennenlernen derböhmischen Mentalität. Als uns bei einer Rast – wir jeder einen Apfel essend -  ein paar Wanderer passieren, sage ich „Ahoi! Jak se mate?“ (Hallo, wie geht´s Ihnen?)
Worauf wir ein Lächeln ernten: „Dekuji, dobry!“ (Danke, gut!)
 
Die Strecke führte zumeist durch schattigen Wald; die Sonne brannte aber – wo es keinen Schatten gab – erbarmungslos herunter und wir wussten, heute waren 180 Microgramm Ozon angesagt. Am Bahnhof in Nova Pec schmerzten auch bereits unsere Sitzbeinhöcker – lange keine Radtour mehr gemacht! Gerlinde setzte sich abgeschlafft auf die schattige Bank vor dem Bahnhofsgebäude – und ich  erstand die  Fahrkarten:
„Prosim - dwa Jizdenky da Novè Udoli!“ - zu je 22 Kronen für unsere Rückfahrt und zwei zu je 20 Kronen für den Transport unserer Räder, zusammen etwa 5 Mark...
Die Bahnhofsvorsteherin hatte ihren Dienstraum eingerichtet wie ein Wohnzimmer, unterhielt sich mit einem Mann..
Da kam eine Familie Radfahrer an, auch ziemlich schlapp von der Hitze. Der Vater fragte gleich in breitestem Schwäbisch:
„Kennat mer da die Fahrkarta viellejcht in D-Mark  zahla?“
 - was ich verneinen musste.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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