Hans K. Reiter

Ostern - bayerisch skurril

 

Mit farbigem Wasser gefüllte Glaskugeln haben sie aufgestellt. Immer wenn die Sonne ihr Angesicht aus den Wolkengebilden schiebt und ihre feurigen Strahlen zur Erde blitzen, glitzern die Glaskugeln und weithin leuchtet dann ihre Farbenpracht.

Niemand am Ort könnte sagen, wie lange es diesen Brauch schon gab. Es musste aber eine ganze Weile der Fall sein, denn die Alten erinnern sich noch, dass schon ihre Großeltern zur Osterzeit um den Leichnam des Herrn Jesus Christus, des Gekreuzigten, eben solche Farbkugeln gesteckt hatten.

Die Gläubigkeit auf dem Lande kennt keine Grenzen und so manches, was den Städter heidnisch anmutet, hat seinen Ursprung in uralten Überlieferungen. So auch die Weihe des Wassers am Ostersonntag. Und wer kennt nicht eine Geschichte, bei der ungezogene Buben Tinte oder andere Farben in das Weihwasserbecken der Kirche geschüttet hätten.

Hier am Ort wussten die Buben natürlich auch um solcherlei Geschichten und sie sannen deshalb darüber nach, ob es nicht noch andere, bisher nicht dagewesene Streiche gäbe. Und so kamen sie auf einen Spass, wie sie meinten, von dem, ob seiner fürchterlichen Folgen, noch lange Zeit Im Dorf erzählt wurde.

Der Roider Alois hatte die Idee, also war er zugleich der Anführer der anderen, die es kaum mehr erwarten konnten, bis es endlich soweit war. Ostern, so hatten sie es sich in ihren Fantasien ausgemalt, sollte in diesem Jahr etwas ganz besonderes werden. Und so sah man die Burschen geschäftig zu mancherlei Läden in dem nur ein paar Stationen entfernten Markflecken laufen. Man kannte sie dort nicht und so fielen sie auch niemandem auf.

In der Nacht zum Ostersonntag trafen sie sich gegen Mitternacht in der Nähe der Kirche am Dorfplatz. Es dauerte eine Weile, bis alle versammelt waren. Manche hatten erst aus einem Fenster klettern müssen, und das brauchte eben seine Zeit.

Mir nach, sagte schliesslich der Roider Alois, und mutig stapften sie hinter ihm her zum Kirchfriedhof. Der Messdiener und ein paar Freiwillige hatten beim Seiteneingang zur Kirche das Heilige Grab nachgebildet, wie jedes Jahr. Eine bleiche, wächserne Figur war derart drapiert, dass es geradezu den Anschein hatte, als wollte sie aus der Grabesmitte gen Himmel auffahren. Die geschlossene rechte Hand zeigte am ausgestreckten Arm nach oben, ein Lendentuch bedeckte den Körper und das linke Bein war etwas angewinkelt. Beinahe anmutig, wäre nicht die Dornenkrone gewesen und die durch sie verursachten Wunden am Haupt der Figur.

Geschickt befestigte der Alois einen Faden aus Nylon am Handgelenk der ausgestreckten Hand, während einer aus der Clique bereits nach oben unter das Gebälk des Vordaches geklettert war. Seid’s vorsichtig, wies der Alois an und beobachtete mit einer gewissen Genugtuung, wie einer der Burschen ein Stück des Nylonfadens von der Rolle abspulte, diese dann mit einem Klebeband am Ende eines Besenstieles befestigte nach oben unters unters Gebälk reichte.

In der Zwischenzeit hatten zwei aus der Gruppe das farbige Wasser aus den Gaskugeln in einen mitgebrachten Behälter geschüttet und es durch andere, nicht minder farbige Flüssigkeiten ersetzt. Jetzt muss vielleicht noch erwähnt werden, dass einer der beiden anerkanntermassen zu den begabtesten Schülern am Gymnasium gehörte und insbesondre im Fach Chemie stets mit Einsen glänzte.

Bald darauf waren die Burschen mit ihren Vorbereitungen fertig und Alois überprüfte noch einmal alles, denn es durfte nichts schief gehen, des Spasses wegen, wie er sagte.

Am Ostersonntag Morgen strömte das ganze Dorf fein herausgeputzt in die Kirche. Die Liturgie ging ihren gewohnten Gang. Und als es dann soweit war, strömten sie alle hin zum Seiteneingang. Der Herr wurde gepriesen, zahlreiche Loblieder gesungen und wie es der Brauch wollte, verkündete der Herr Pfarrer die frohe Botschaft von der Auferstehung des Herrn.

Und da, plötzlich, die letzten Worte des hochwürdigen Herrn Pfarrers waren noch nicht verklungen, tat sich Sonderbares. Wie von Zauberhand schwebte die Figur nach oben, gleichzeitig ertönten mehrere ohrenbetäubende Kracher, die Glaskugeln zerbarsten und verteilten ihren äußerst übel riechenden Inhalt auf die umstehende Gemeinde. Und schliesslich, als man schon glaubte, der Spuk sei nun vorüber, ergoss sich ein regelrechter Hagel von aus dem Gebälk schiessenden Ostereiern über die Kirchgemeinde. Bunte Eier, wie sich das gehörte, aber sie waren roh und man hätte nicht sagen können, was ärger gerochen hat, die Eier oder das Gebräu aus den zerplatzten Glaskugeln.

Eine soichterne Sauerei!, schrie einer und ein anderer, wer is des blos gwesn? Und ein Tumult hob an, wie es ihn im Dorf noch nicht gegeben hat.

Niemand achtete bei dem Durcheinander auf den Alois und seine Freunde, die sich unter das Volk mischten und tatkräftig mit schimpften, allerdings mit einem wissenden Lächeln in den Gesichtern. Niemand von ihnen würde je einem nicht Dazugehörenden die Wahrheit offenbaren. Das hatten Sie beim Leben ihrer Tanten, Schwestern, Brüder, und was sonst noch herhalten musste, geschworen.

Alles wäre soweit gut gegangen, wäre da nicht die 94jährige Inninger Amalie gewesen. Zuerst achtete keiner auf sie, aber auf einmal schrie jemand: Leit, d’Amalie. Der Rufer musste seinen Schreckensschrei ein paar Mal wiederholen, bis endlich etwas Ruhe einkehrte und man die Bescherung sah.

Die Amalie schaute ganz verzückt, mit einem ausserirdischen Strahlen im Gesicht nach oben, wohin der Heiland entschwunden war und stammelte unentwegt: A Wunder, a Wunder. Dann kippte sie plötzlich zur Seite und rührte sich nicht mehr.

Betreten schauten die Burschen aus der Clique um den Alois einander an. Das hatten sie nicht gewollt. Es sollte doch nur ein mordsmässiger Spass werden. Mehr nicht. Mist, entfuhr es einem, was machma denn jetzt?, fragte ein anderer besorgt. Nix machma, sagte der Alois und fügte hinzu, mia hamms doch selber gschworn. Kein Wort zu niemandem!

Aber das Gewissen liess ihnen keine Ruh. Und so gingen sie, einer nach dem anderen, zur Beichte. Den hochwürdigen Herrn Pfarrer hätte es beinahe zerrissen, aber er konnte nichts machen, so sehr er auch darüber nachdachte. Beichtgeheimnis, zefix, entfuhr es dem frommen Mann. Und noch etwas ergrimmte ihn. Der Amalie ginge es wieder gut, musste er den Burschen mitteilen, es sei nur die Aufregung gewesen, eine Art Schock, mehr nicht. Und wieder entfuhr im ein zefix, was er allerdings selbst am gleichen Tag noch beichtete.

 

 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.04.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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