Thomas Kleinrensing

Gebrettert

Nachhaltig in Waldform beim Sonntagsspaziergang, als Balken und Brett oder als nostalgischen Kochlöffel - der Deutsche liebt das Holz mehr denn je. Die ersten Albträume haben wir schon als gewindelte Nachzucht in den zusammengeleimten Holzkisten hinter gedrechselten Gittern. Bald schon türmen wir Bauklötzchen auf Bauklotz und entwickeln uns über Laubsägearbeiten im Werkunterricht zu pubertierenden motorisch gewandten Holzhochstapler. Alsbald schrauben wir Rollen unter Bretter und stürzen uns in hölzerne Halbröhren. Den Brettchelor Abschluss machen wir nebenbei und nur noch ein Holzspan trennt uns vom Börsenparkett als Bankaufgestellten. Im Winter werden  Bindungen auf Latten montiert und wir holzen über den Kunstschnee, weil wir es uns leisten wollen. Das meist von Haus, Garten und Nespresso trennende Schneebrett mögen wir aber nicht so gern. Da nutzt auch der Waschbrettbauch wenig, wenn die finale Abfahrt vom Hohen Brett ins Tal bei Berchtesgaden zum Lazabrett führt.

Von Null- auf Holzbock in weniger als 10 Spax schrauben wir Steine ins Brettl des Vorgesetzten. Für die Karriere nutzen wir jedes Sprungbrett, unter Inkaufnahme das die Landung im Astloch der alten Eiche endet kann. Auch wenn wir vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen, erkennen wir sofort das Brett vor dem Kopf, welches immer die anderen tragen.

Später besitzen wir als dynamisches Einsiedlungsvolk, auf der ehemals grünen Wiese vor der Stadt, als bald unser Holz vor dem Ökowohnwürfel mit Laminatintarsien. Das Sinnbild der ordentlichen Eigenheimkultur, der Kaminholzstapel, wird aus einem Guss, Millimeter genau gesägt und gestapelt, neben den hölzernen Sichtblenden direkt ab Werk mitgeliefert. Das Holz vor der Hütte der anvertrauten Steingartenpflegerin ist allerdings nicht im Alles-aus-einem-Gusshaus inklusiv. Da ist ein medizinischer Chiruplast Fachbetrieb dem Silikonhandwerker vorzuziehen. 

Am Holz leben wir uns aus, lassen die Späne fliegen und machen dem Specht und Borkenkäfer die Behausungen streitig. Letzterer hat es auch nicht anders verdient.
Die Renaissance des Holzes hat begonnen. Insider wissen längst, dass sich Holzminden, beschaulich gelegen im Weser Brettland, zum Mekka des deutschen Dünnbrettbohrers aufgeschwungen hat. War noch im vergangenen Jahrhundert die Bundesrepublik nichts anderes als eine strikt Beton und Asphalt orientierte Nation, so ist unsere heutige Gesellschaft auf dem naturbelassenen Holzweg und verbrettert was der Nagel hält.  

Das Frühstück nehmen wir vom Brettle und das Business Hemd stärkt frisch vom Bügelbrett das Ego. Als moderne Holzwürmer genießen wir unser Leben zwischen den am Reißbrett entworfenen Steckmöbeln mit Verfallsdatum und machen unseren PAX mit Furnier, Pressspan und unlesbaren Aufbauanleitungen. Von den Anstrengungen unserer brettharten Kreativarbeit erholen wir uns in der Brettagne oder in einer Strandbar von Lobrett de Mar.

Wenn wir etwas aus der Vergangenheit gelernt haben ist das die Schonung. Noch nie zuvor wurde der Forst so aktiv geschützt, durch Entsagung. Schmerzverzehrten Auges verzichten wir auf Bücher. Unsere Bücherbretter sind verwaist und machen Platz für den 2 x 6 Meter Flachbildschirm in Eichenoptik. Bücher nur noch als elektronisches Fake. Holzfrei und platzsparend auf dem I-Brett und, das ist das Schöne, mit dem Flachmonitor koppelbar. Seite um Seite schlagen wir mit großen Gesten auf die Holztrommel von Günter Grass und mit Pauken und Trompeten von Bert Brecht gehen wir über zum abendfüllenden Amazon-Online-Katalog. Noch schonungsloser schonen wir, wenn auf CD gebrannte Hörbücher unsere Gehirne beschallen. So kommen wir an dem Schneidbrett mit der hauseigenen Petersilie Stefan Zweigs Unvermuteten Bekanntschaft mit einem Handwerk, gelesen von Astrid Birke, näher und generieren nebenher noch die Holzkohle für unseren virtuellen Grillabend. Kein Buch kann Bäume retten.

Das Leben gleicht einer riesigen Schreinerei, nicht zuletzt seitdem ein Köhler den Vorsitz beim Internationel Wood Fond innehatte um danach 6 Jahre lang als Bundespappel die Welt zu bereichern. Als Ausgleich zur Nerven zersägenden Berufswelt verziehen wir uns in unsere Grünflächen, Schrebergärten und Blockhausdatschen. Dort greifen wir zum alten Hackbrett, singen Lieder vom Notenbrett von Oh Tannenbaum bis Mein Freund der Baum, je nach Saison und Gemütsverfassung. Hartgesottene spielen auf dem Waschbrett die Nussknacker Suite von Tschaikowsky, schauen Filme mit Brett Pitt oder voten bei Deutschland Sucht Die Säge ein junges Schwingholz kurzfristig auf die Bretter die die Welt bedeuten.

Warum tun wir das. Was ist es was uns magisch zum Holz und insbesondere zum Brett zieht? Wir bewundern wahrscheinlich die akkurate und rechtwinklige Form, die sich praktisch überall in unserer passgenauen Welt einfügen lässt. Kurz mal hier und da gesägt und schon ist die Scheuerleiste montiert. Der Deutsche war schon immer ein Bastler und der Schwede hat es als erster gemerkt. Ohne Frage ist die blau gelbe Pressspanwohnkultur der größte Konsumschlager seit der Entdeckung von glutenfreiem Rosé. Die ewige Frage ob zuerst das Ei oder das Huhn da war, lässt sich mittlerweile für uns eindeutig beantworten, der Hühnerverschlag auf Brettbasis. Ob im Feuer oder Untertage, dass Brett tragen wir stetig und immer fort vor unserem geistigen Auge. Wie am Anfang, nur ohne gedrechselte Gitterstäbe.

Tom 30.04.2014
www.tom-kleinrensing.de       

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