Wieder und wieder zähle ich die Stunden, in dem ich in unvollendeten Textfragmenten wühle und vergeblich versuche sie zu einem Ende zu bringen. Aus den Stunden werden Tage. Aus den Tagen werden Wochen. Viele Jahre lang fiel es mir leicht, Dinge zu Papier zu bringen. Zeilen für die andere Menschen vielleicht Tage gebraucht hätten, fertigte ich in wenigen Stunden, manchmal sogar Minuten.
„Es fehlt etwas.“ Höre ich mich selbst sagen. Doch was genau, scheine ich nicht begreifen zu können. Ich kann nicht aufhören es weiter zu versuchen. Die Frustration über mein Unvermögen diesbezüglich wird immer größer, bis schließlich die Angst auf den Plan tritt. „Vielleicht hab ich ‚es‘ verloren.“ Bis jetzt hab ich mich davor unterbewusst gefürchtet, nicht schreiben zu ‚können‘. Mein Puls wird schneller. Panik setzt ein. Ich will gerade den Computer ausschalten, als mein Blick auf eine kleine Datei, ganz unten in meinem Schriftordner fällt. ‚Wise Words‘ ist der Titel. Es beinhaltet eine umfassende Spruch- und Geschichtensammlung aus so ziemlich allen Erdteilen und geschichtlichen Epochen. Ich öffne sie und hoffe etwas Heiteres oder Aufmunterndes zu finden. Auf meiner Suche nach einer passenden Niederschrift, finde ich schließlich eine Geschichte, meiner Großmutter. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben, und hat sie mir manchmal als Kind erzählt, wenn sie mich ins Bett brachte. Ich kann mich noch genau erinnern, sie an dem Tag aus dem Gedächtnis heraus Wort für Wort geschrieben zu haben, als sie gestorben war.
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Es war einmal ein Mann, der wollte die Zeit aufhalten. So ging er hinaus auf die Hügel vor der Stadt und rief „Zeit! Steh still!“ Da kam ein Reiter des Weges, und sagte zu ihm „Wenn dies dein Wunsch ist, so sei er dir erfüllt.“ Und er zog seinen Degen und stach ihn dem Mann in die Brust. Zu dem Toten sagte er sodann „Es gibt nur eine Zeit. Deine Zeit. Und ihr Wesen ist Wandel. Wer die Veränderung nicht will, der will auch nicht das Leben.“ Dann ritt er weiter.
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Als ich die letzten Buchstaben lese, rinnt eine Träne über meine Wange. Ich wische sie mit dem Handrücken weg und halte in der Bewegung inne. Sehe für ein paar Sekunden auf die zerdrückte Träne und die feuchte Spur, die sie auf meinem Handrücken hinterlassen hatte. Da wird mir bewusst, dass es keinen Sinn macht ‚krampfhaft‘ schreiben zu wollen. Es ist ebenso wichtig von Zeit zu Zeit loszulassen und auch dem Wandel Zeit und Raum zu geben. Ich erinnere mich schlagartig wieder an ‚das Feuer‘, das ich in meiner frühen Jugend entfachte und dem ich all meine damaligen Werke zum Fraß vorwarf. Jetzt wird es mir wieder bewusst, was mich damals geritten hatte. Ich wollte neue Muster finden, in und zu denen ich schreiben konnte. Es ist an der Zeit ein neues ‚Feuer‘ zu entfachen. Ein paar Minuten später sehe ich auf den übervollen Button des ‚Papierkorbs‘ auf meinem Desktop. Ich lächle, als ich ihn mit einem kurzen Mausklick leere.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.05.2014.
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