Christiane Mielck-Retzdorff

Teuflisch



 
 
Ein neues Ehepaar hatte sich in dem kleinen Tennisclub angemeldet, und an diesem Samstag wollte es sich den anderen Mitgliedern vorstellen. Das bezog sich im Wesentlichen auf den harten Kern der Sportlergruppe, die den Verein vor einigen Jahren gegründet hatte und der, wie ein hohes Gericht, jeden Neuzugang in Augenschein nahm. Man wollte unter sich bleiben, was bedeutete, dass eine gehobene, gesellschaftliche Stellung und ausreichende Geldmittel unabdingbar waren. Schließlich hatten die Mitglieder die gesamte Anlage, die sogar über eine Halle und ein Vereinslokal verfügte, aus eigenen Mitteln finanziert. Also waren die Zahlung eines beachtlichen Einstiegsbetrages sowie monatliche Gebühren die Voraussetzung für jede Mitgliedschaft.
 
Belinda und Carlos Teufel erschienen pünktlich und in angemessen sportlicher Kleidung. Der Mann trat mit dem Selbstbewusstsein des Erfolgreichen in den Raum, während die Frau sich in vornehmer Zurückhaltung übte. Sie wurden freundlich empfangen und sogleich an einen der Tische gebeten, wo bereits Kaffee und Gebäck warteten. Doch den Männern entging nicht, dass Belinda ihre zarte und doch weibliche Figur mit anziehender Geschmeidigkeit bewegte, während die Frauen den muskulösen Körper von Carlos wohlwollend zur Kenntnis nahmen. Es entwickelte sich schnell ein Gespräch mit dem noch kinderlosen Ehepaar von Mitte dreißig.
 
Dieses hatte sich kürzlich ein Haus etwas abseits von den anderen Wohnsitzen gekauft. Beide spielten seit ihrer Jugend Tennis, wobei der Mann schon Turniererfolge vorweisen konnte. Belinda hielt sich etwas im Hintergrund, doch ihre wachen Augen suchten stets den Kontakt zu anderen und ihre vollen Lippen lächelten in Zufriedenheit. Die gepflegten Hände und makellosen Zähne der Neulinge wurden ebenso begutachtet wie ihr wohlerzogenes Benehmen. Bald folgten dem Kaffee Wein und Bier, und es wurden die ersten Verabredungen für ein gemeinsames Spiel getroffen. Das Ehepaar hatte die Prüfung bestanden.
 
Aber dessen Blicke und Mimik hatte bei den anderen unterschwellige Eindrücke  hinterlassen, die diese zwar für sich behielten, doch die Gedanken beschäftigten. Schimmerte in Belindas Augen nicht eine Verheißung, die den Männern wahre Wonnen versprach. Und leuchtete aus Carlos nicht eine Macht und Stärke, wie sie nur Helden verströmten. So schlich sich die eine in die Träume der Männer und der andere in die der Frauen.
 
Wann immer sich nun die Tennisspieler trafen, beobachteten sie genau, wem und wie lange die Neuen ihre Aufmerksamkeit welchem Mitglied schenkten. Die Männer schwangen sich auf zu einem Kampf um die Aufmerksamkeit von Belinda, während die Frauen leicht geschminkt und in sorgfältig ausgewählter Kleidung die Nähe von Carlos suchten. Freunde wurden plötzlich zu Gegnern und Freundinnen zur Konkurrenz. Dabei gewann auch an Bedeutung, wer sich wo außerhalb der Anlage aufhielt. Verdächtig oft waren nun die Leute nicht mehr erreichbar, weil sie ihr Handy im Auto vergessen hatten oder dieses nicht aufgeladen war.
 
Die Gerüchte verdichteten sich, dass Belinda sich mit einem der Ehemänner heimlich in der Innenstadt traf, doch niemand konnte sagen, mit welchem. So warfen sich die Frauen gegenseitig mitleidsvolle Blicke zu, obwohl sie selbst geplagt wurden von dem Misstrauen ihren Gatten gegenüber. Doch in ihnen brodelte auch die Begierde, in Carlos Armen zu liegen. Und schon ein längerer Blick von diesem genügte, um den Verdacht zu nähren, er hätte schon eine der Damen erwählt.
 
Langsam rieb sich die Gruppe auf zwischen der Kontrolle des eigenen Partners und dem Buhlen um die Gunst der Neulinge. Vermeintlich Verschmähte streiften durch die Großstadt, um Beweise für ihre Vermutungen zu finden. Mantel- und Jackentaschen wurden durchsucht, Kreditkartenbelege überprüft und Kleidungsstücke nach fremdem Parfüm durchschnüffelt. Verdächtigungen und Streit bestimmten den häuslichen Alltag. Doch nach außen gab sich niemand die Blöße, sein Misstrauen oder eine Ehekrise preiszugeben.
 
Belinda und Carlos sonnten sich in der Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwurde und schürten die Phantasien der Vereinskameraden und Frauen mit wachsendem Vergnügen. Sie ließen es heftig brodeln hinter der Fassade der Selbstgerechtigkeit. Sie säten Misstrauen und schauten vergnügt zu, wie die Samen sich zu prächtigen Pflanzen entwickelten. Beide konnten sich eines reinen Gewissens rühmen. Die Teufel wüteten nur in den Seelen der anderen.   

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Trug und Wahrhaftigkeit: Eine Liebesgeschichte von Christiane Mielck-Retzdorff



Zum wiederholten Mal muss sich die Gymnasiastin Lisa-Marie in einer neuen Schule zurechtfinden. Dabei fällt sie allein durch ihre bescheidene Kleidung und Zurückhaltung auf. Schon bei der ersten Begegnung fühlt sie sich zu ihrem jungen, attraktiven Lehrer, Hendrik von Auental, der einem alten Adelsgeschlecht entstammt, hingezogen. Aber das geht nicht ihr allein so.
Die junge Frau muss gegen Ablehnung und Misstrauen kämpfen. Doch auch der Lehrer sieht sich plötzlich einer bösartigen Anschuldigung ausgesetzt. Trotzdem kommt es zwischen beiden zu einer zarten Annäherung. Dann treibt ein Schicksalsschlag den Mann zurück auf das elterliche Gut, wo ihn nicht nur neue Aufgaben erwarten sondern auch Familientraditionen, die ihn in Ketten legen.

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