Christiane Mielck-Retzdorff

Blumen von der NSA


 
Seine Abstammung konnte Thomas allein durch seinen Nachnamen Schmidt schwer verleugnen. Aber sie hatte ihm diesen Job eingebracht, denn er war zweisprachig aufgewachsen und verfügte über hervorragende Deutschkenntnisse. So war er mit acht Kollegen dafür zuständig, die von dem Computer herausgepickten Mails und Kurzmitteilungen auf ihr Gefahrenpotential zu durchleuchten. Das System reagierte auf bestimmte Schlüsselworte, die den Mitarbeitern der NSA nicht bekannt waren. Diesmal landete er bei einem Text, der sich mit Worten wie hinterhältig, mörderisch und explosiv verdächtigt machte. Es handelte sich jedoch um eine äußerst unterhaltsame und romantische Liebesgeschichte, in der viele Gefühle eindringlich beschrieben wurden.
 
Thomas wusste, dass seiner Frau derartige Geschichten besonders gefielen. Da sie Amerikanerin war, ließ er den Text durch ein Übersetzungsprogramm laufen und druckte ihn aus. Durch seinen Schichtdienst fühlte sich seine Frau oft vernachlässigt, und er hoffte nun, ihr mit diesem Mitbringsel eine Freude zu machen. Das gelang nicht nur, sondern sie war so begeistert, dass sie unbedingt Nachschub verlangte. Seine Nachforschungen ergaben, dass die Autorin noch gar kein Buch, geschweige denn eines, das in englische Sprache übersetzt worden war, herausgebracht hatte. Bisher schien diese ihre Geschichten nur an Bekannte zu verschicken.
 
Es kostete Thomas viel Zeit und Mühe die Schriftstellerin zu ermitteln und sich in ihren Computer einzuschleichen. Aber dort fand er etliche romantische Geschichten, sodass er seine Frau beinahe täglich damit erfreuen konnte. Das sprach sich schnell unter den Gattinnen der anderen Mitarbeiter herum und sie wollte nun auch die gefühlvollen Texte über Liebe und Leid lesen. Für die Frauen wurde Thomas zu einem Helden. Plötzlich galt er als fürsorglicher Ehemann, der selbst bei der Arbeit stets an seine Frau dachte. Seine Kollegen mussten nun auch auf diesen Zug aufspringen, um Streit mit der Angetrauten zu vermeiden.
 
Das ging einige Monate gut und selbst der Abteilungsleiter ließ sich von Thomas mit romantischen Geschichten beliefern. Doch dann versiegte die Quelle häuslichen Friedens. Unvermittelt schrieb die deutsche Autorin nur noch Krimis. Mord und Vergewaltigungen wurden ihr Thema. Die enttäuschten Ehefrauen wurden maulig. Sie fühlten sich ihrer täglichen Freude beraubt und gaben ihren Männern die Schuld. Deren hektische Suche nach vergleichbaren, romantischen Geschichten blieb erfolglos. Schlechte Laune breitete sich aus wie eine Seuche.
 
Thomas versuchte seine Frau mit einem Blumenstrauß zu besänftigen, doch sie erklärte missmutig, diesen solle er lieber an die ferne Autorin schicken, damit sie sich wieder auf romantische Geschichten besann. Das brachte ihn und seine Kollegen auf eine Idee. Sie verfassten lobende Briefe, schrieben von Sehnsucht und der Macht der Liebe. Diese wurden zusammen mit einem üppigen Blumenstrauß an die Schriftstellerin geschickt. Und tatsächlich, so inspiriert fuhr diese fort, sich der gefühlvollen Literatur zu widmen. Der Durst der Ehefrauen nach Romantik wurde wieder gestillt. Harmonie und Frieden kehrten zurück in das Heim der Mitarbeiter. Und wöchentlich hieß es nun im fernen Deutschland: „Blumen von der NSA:“  

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Buch von Christiane Mielck-Retzdorff:

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Trug und Wahrhaftigkeit: Eine Liebesgeschichte von Christiane Mielck-Retzdorff



Zum wiederholten Mal muss sich die Gymnasiastin Lisa-Marie in einer neuen Schule zurechtfinden. Dabei fällt sie allein durch ihre bescheidene Kleidung und Zurückhaltung auf. Schon bei der ersten Begegnung fühlt sie sich zu ihrem jungen, attraktiven Lehrer, Hendrik von Auental, der einem alten Adelsgeschlecht entstammt, hingezogen. Aber das geht nicht ihr allein so.
Die junge Frau muss gegen Ablehnung und Misstrauen kämpfen. Doch auch der Lehrer sieht sich plötzlich einer bösartigen Anschuldigung ausgesetzt. Trotzdem kommt es zwischen beiden zu einer zarten Annäherung. Dann treibt ein Schicksalsschlag den Mann zurück auf das elterliche Gut, wo ihn nicht nur neue Aufgaben erwarten sondern auch Familientraditionen, die ihn in Ketten legen.

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