Ich kann es kaum fassen, aber es gibt hier Deutsche, denen das Geld ausgegangen ist und die versuchen, Freunde anzupumpen, um wieder zurück nach Old Germany fliegen zu können.
Als mir eine Indonesierin - sie spricht deutsch und ist mit einem Schweizer verheiratet -, die sich hier kümmert, wenn Ausländer Probleme mit der Einwanderungsbehörde oder anderen Institutionen haben, von einigen dramatischen Fällen erzählte, die sie momentan bearbeitet, wollte ich es ihr nicht glauben.
Nun habe ich es in der Kirche selbst erlebt. Zum ersten Mal nahm ich an einem Gottesdienst der ganz besonderen Art teil. Er findet jeden Sonntagvormittag im Luxushotel Hilton Palace statt. – Die Anlage direkt am Strand hat einen riesigen Park und 6 Swimmingpools sowie etliche Säle, in denen Kongresse abgehalten werden können.
Einer dieser riesigen Räume dient jeden Sonntag Vormittag für den Gottesdienst. Jeder bekam ein Namensschild aufgeklebt, bevor er dort eintrat. Obwohl mich niemand kannte, wurde ich sofort von vielen lieben Menschen umarmt und willkommen geheißen. Die Lieder per Mikrophon von einem Sänger mit „Opern-Stimme“ und Gitarre begleitet, waren so ergreifend, dass ich fast nur am Heulen war. Die Thais tanzten dazu, jeder für sich, und sangen aus voller Kehle die Texte mit, die von einem Projektor an die Wand geworfen wurden. Die Predigt wurde in Englisch und in Thai abgehalten. Anschließend feierten alle gemeinsam das Abendmahl. Kinder spielten unterdessen auf dem Fußboden, der nicht mit Schuhen betreten wird sondern nur barfuß. Für sie war extra ein Tisch mit Spielsachen aufgebaut, und auf einer langen Tafel warteten Kaffee und Kuchen zur Stärkung für jedermann während des Gottesdienstes.
Nach dem Gottesdienst kam eine ältere Deutsche auf mich zu und erzählte mir ihre Geschichte. Diese ist so unglaublich, dass ich noch immer unter Schock stehe.
Angeblich wurde ihr dreijähriger Enkel vor einem halben Jahr in Berlin entführt und nach Malta verschleppt. Der Entführer gab sich als der Vater des Kindes aus und erhielt von den maltesischen Behörden einen gefälschten Pass für das Kind.
Der Entführung vorausgegangen war ein Einbruch in das Berliner Juweliergeschäft der Familie. Angeblich raubten die Verbrecher den gesamten Schmuck. Die Geschichte soll von einigen deutschen Zeitungen wie Bild veröffentlicht worden sein.
Angeblich erhielt die Familie keinerlei Hilfe von den Behörden, weil diese ihnen keinen Glauben schenkten. Die Tochter wurde mit dem Tod bedroht und musste Deutschland verlassen. Sie befindet sich momentan in Thailand bei ihren Eltern, doch muss sie zurück nach Berlin, wo am 11. Juli an die Gerichtsverhandlung gegen den Entführer stattfindet. -Die Eltern lebten vor 12 Jahren hier und retteten sich aus der prekären Lage in Berlin zu ihren früheren Freunden, um Abstand und Ruhe zu finden. Nun nimmt sich die Kirche ihrer an.
Jenny, die Deutsche, machte auf mich einen verwirrten Eindruck. Es waren auch viele Widersprüche in ihrer Geschichte. – Warum bekommt die Familie keinerlei Hilfe, weder von der Deutschen Botschaft noch von den Behörden? Heute Nachmittag werde ich die Tochter kennen lernen, wenn einige Mitglieder der Kirche mit gespendeten Sachen in einen der Slums rings um unsere Stadt fahren. Vielleicht kann sie mir einige Ungereimtheiten erklären. Ich werde diesen tragischen Fall weiter verfolgen.
Wenn das alles stimmt, dann hat die Indonesierin nicht übertrieben, wenn sie meinte, es gäbe hier laufend schwierige Fälle, auch mit Gefängnisaufenthalten - vermutlich wegen Drogenbesitzes. Die Polizei geht rigoros gegen alle Verkäufer und Konsumenten vor, egal welche Menge Stoff sie bei sich haben. Und die hiesigen Strafanstalten sind gewiss kein Zuckerschlecken, auf jeden Fall brutaler als bei uns.
Zum Schluss sagte mir die Indonesierin noch, sie selbst stände bereits auf der Abschussliste, weil sie sich der Ausländer in schwierigen Lagen annimmt, selbst wenn diese straffällig geworden sind.
Es bleibt abzuwarten, ob diese ganzen Geschichten erfunden sind oder der Wahrheit entsprechen. Auf jeden Fall werde ich mich im Hintergrund halten, um nicht auch noch in diese Schlamassel hinein gezogen zu werden.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.06.2014.
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