Andreas Rüdig

Skandal um Lehmbruck

Skandal im Duisburger Lehmbruck-Museum. Ein Schuh ist verschwunden, nein, nicht irgendein Schuh, auch nicht der Schuh des Museumsdirektors. Es geht um den Schuh des belgisch-flämischen Objektkünslers Henry van de Brueghelmann aus dem Jahre 1956. Er ist das Herzstück der Sammlung nordwesteuropäischer Aktions- und Objektkunst der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Schuh besteht aus Kupfer (Sohle) und Gips (Lederteil); der Gipsteil ist orange lackiert.

"Eigentlich hätte ich das Teil gerne nach der Sammlung verkauft, wenn nötig unter der Hand," berichtet Museumsdirektor Prof. Dr. Hartmut Steckdose. "Mir persönlich gefällt der Schuh überhaupt nicht; ich finde ihn absolut häßlich. Ich habe auch eine andere Schuhgröße, nämlich 42. Seltsamerweise lassen sich auf dem Kunstmarkt aber horrende Preise für den Schuh erzielen.

Was tun? Genau: Die Polizei holen! Und die macht eine Hausdurchsuchung. Und was passiert dabei? Sie findet den Schuh.

"Quatsch!" raunzt Benedikt Alfredshausen, der stellvertretende Museumsdirektor, sowohl den Sprecher der örtlichen Polizei wie auch die anwesenden Pressevertreter an. Ob man denn nicht sehen würde, daß sich die an der Hausdurchsuchung teilnehmenden Polizisten total vertan hätten? Ein Gummistiefel aus dem Hausmeister-Büro würde vor ihnen auf dem Tisch stehen; und der sei ja nun wirklich kein Kunstwerk.

Der Schuh, den man bei ihm gefunden habe, sei ja offensichtlich eine täuschend echt wirkende Nachahmung, wie Hausmeister Bodo Bauch bemerkt. André Schwer, einer der talentiertesten Handwerker vor Ort im Hause, habe diese Kopie eigenhändig angefertigt. "André wollte Original und Kopie irgendwann austauschen und wahrscheinlich das Original auf dem Kunstmarkt im Untergrund verkaufen." Woraufhin es zu einem lauthalsen Krawall zwischen den beiden beteiligten Herren kam.

Die beiden aufgefundenen Schuhe sind also nicht das künstlerische Original. Das Museumsgebäude muß also noch einmal untersucht, vor allem aber durchsucht werden.

"Wir werden usn die Pläne des Hausens beim Architekten besorgen und dann überall ganz genau nachmessen," kündigt Polizeichef Hans-Konstantin Breitklug-Hanter an. "Viel Erfolgt dabei," wünscht ihm Kuratorin Marion Schmalzholz. Wieso? "Bei den letzten Renovierungsarbeiten sind die Pläne des Architekten spurlos verschwunden." Aber hallo - mischt sich da die Stimme des Portiers in die Diskussion ein. Wollen Sie etwa behaupten, daß Sie vergessen haben, daß Sie die Pläne an eine Architekturausstellung in München verliehen und nur noch nicht zurückgefordert haben? Woraufhin Schmalzholz dezent errötet.

Gut, daß die korpulente Dame nicht gedankenlesen kann. Ansonsten wäre ihr nämlich aufgefallen, daß einer der Hauswirtschafterinnen dezent in sich hineinlächlte. Ihr war der Schuh schon vor geraumer Zeit aufgefallen. Sehr außergewöhnlich und exzentrisch sah er aus. Und gefiel ihr deswegen prompt. Ob er ihr wohl auch passen würde? Unauffällig schlüpfte sie mit dem Fuß hinein. Ein bißchen groß war er ja schon. Ein paar Tage würde sie schon brauchen, damit der Fuß nicht immer hin und her rutscht. Für einen Klotschen war er aber auch außergewöhnlich hübsch.


Man gut, daß ich so übervorsichtig bin, so pedantisch, pingelig und übergenau. Ansonsten wäre mir überhaupt nicht aufgefallen, daß diese Putzfrau, äh, Reinigungskraft wollte ich sagen, so heißt der Beruf ja wohl heute, also daß diese Reinigungskraft mich übertölpeln wollte.

Da kommt sie doch tatsächlich in meinen Schuhmacherladen und sagt: "Gerowin, mein Schatz, mach ma´ ´ne Kopie davon für den anderen Fuß!" Zuerst wollte ich ja einfach nur "Nein!" sagen - seit wann macht ein Starschuhstylist wie ich Kopien von Klotschen? Erst bei genauerem Hinsehen fiel mir auf, wieviel Gips und Kupfer in dem Schuh verarbeitet sind. In dem Augenblick mußte ich an den Kunst-Skandal im Lehmbruck-Museum denken....

Seit diesem Tage steht die Putzfrau - ja, ja, nennen wir sie ruhig bei ihrem richtigen Namen - vor dem Schieds- und Ehrengericht des Deutschen Nationalbundes für Kunst und Kunstschaffende. Ihr Arguemtn "Aber ich wollte doch nur schön aussehen!" fielt dort nur auf wenig Gegenliebe. "Ein geblümter Kittel, Kopfwickel, Arbeitsschuhe, Eimer und Besen hätten zur Verschönerung schon gereicht," war als Gegenwargument dort zu hören. Mit einer Bestrafung ist schon bald zu rechnen. Die Beweise sind schließlich erdrückend...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.06.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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