Iris Klinge

Im Land des Lächelns

Es wird höchste Zeit, dass ich die Sprache meines Gastlandes lerne, denn  eine so peinliche Situation darf mir nicht mehr passieren. Auf dem Heimweg vom Strand sehe ich, wie eine arme alte Frau in den am Weg stehenden großen Abfallbehältern wühlt. Sie hat eine Plastiktüte in der Hand, in der sich bereits etliche Alu Dosen befinden. Offensichtlich können sich die Menschen hier für das Sammeln von leeren Bier- und Limonaden Dosen etwas Geld verdienen.
 
Mit wilden Gesten mache ich der Frau verständlich, dass bei uns auch eine Menge dieser Dosen zum Recyclen herumliegen, weil der Tante Emma Laden einen speziellen Behälter hat, in dem das Leergut gesammelt wird.
 
Die alte Frau begleitet mich nach Hause. Dort angekommen gebe ich ihr die draußen herumliegenden Alu Dosen, doch zu meinem Erstaunen kommt Tante Emma aus ihrem Laden und will mir zu verstehen geben, dass sie nicht mit meinem Tun einverstanden ist. Leider spricht sie kein Englisch, lediglich ihr Sohn, doch der ist nicht anwesend, und so bleibt mir nur ein Kopfschütteln, warum sie sich so sehr über mein Tun aufregt.
 
Am nächsten Tag bekommen wir Besuch von unserem Freund, dem vorigen Besitzer unseres Hauses. Auch er ist bereits informiert über meine gestrige Hilfsaktion, und nun klärt sich endlich das Missverständnis auf. Die arme alte Frau, die ich beim Wühlen in den Abfalleimern und Einsammeln der leeren Dosen angetroffen hatte, ist in Wirklichkeit „sehr reich“ und soll mehrere Häuser in der Gegend besitzen. Alle kennen sie, niemand nimmt sie ernst, nur ich bin auf sie hereingefallen, und durch mangelnde Verständigung konnte ich auch nicht feststellen, dass etwas bei ihr nicht stimmt.
 
Ein sicher harmloser Zwischenfall, doch er hat mir wieder gezeigt, wie wichtig es ist, die Sprache des Landes zu sprechen, in dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Lächeln ist hier ein Muss. Es ist eine Umgangsform, die mich manchmal irritiert. Was ein Mensch wirklich denkt und fühlt, bleibt oft verborgen oder kann nur indirekt wahrgenommen werden. (Wutausbrüche oder lautes Schreien sind hier verpönt und werden von den Farangs, den Fremden, praktiziert). Umso wichtiger ist es, die Sprache der Einheimischen verstehen und sprechen zu können.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.06.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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