Christa Astl
Gedanken BEIM Gehen
Das Gehen ist immer noch meine liebste Fortbewegungsart. Ich gehe ins nächste Geschäft, ich gehe zum Bahnhof, ich gehe durch die Stadt, ich gehe durch Wiesen (auf Wegen!) und ich gehe in die Berge.
Ich gehe auf ein Ziel zu, ich gehe aber auch von etwas weg, was aber kein Davonlaufen ist! Eher eine Art Freigehen, Freiwerden. Beim Gehen finde ich mich am ehesten und am besten wieder.
Das stundenlange Sitzen am Schreibtisch, der Kampf mit den Wörtern, das Ringen um Ausdruck und Stil, das Benennen und Beschreiben von Dingen, Situationen, das Erklären und Aufzeigen von Problemen bzw. Lösungen, ... all das lässt irgendwann Chaos im Kopf entstehen. - Da mache ich mich durch Gehen frei, durch Bewegung. Andere können sich durch Sitzen oder Liegen, durch Musik, durch Meditieren entspannen, - ich brauche diese Ganzkörperbewegung. Die Wälder der Umgebung laden auch dazu ein.
Wenn ich aus dem Haus hinausgehe, noch mit brummendem Schädel, ziehe ich den ganzen Rattenschwanz von Gedanken hinter mir her. Vor mir ist der leere, stille Weg, der mich nun aufnimmt. Tief atmend trete ich in den Wald. Die Lunge füllt sich mit guter Waldluft, ich erwache richtig nach dem Dahindösen im abgestandenen Zimmermief. Je nach Gelände und körperlicher Tagesverfassung muss ich erst versuchen, meinen Rhythmus zu finden. Allein schon dadurch, indem ich meine Konzentration aufs Gehen richte, tritt das andere Denken erst einmal in den Hintergrund.
Laufe ich den Gedanken nun wirklich davon? O nein, die können hartnäckig sein! Sie sind wieder da, während ich mich nun Schritt für Schritt von meinem Ausgangspunkt entferne. Bereits nach kurzer Zeit bestimmen die Schritte den Weg, ganz automatisch und gleichmäßig setze ich Fuß vor Fuß. Das Denken ist wieder frei für die Gedanken, doch diese bewegen sich mit im Rhythmus des Gehens. Sie verbinden sich mit anderen, lösen sich auf, werden vielleicht etwas geschüttelt, umgedreht, in andere Reihenfolge gebracht, gar nicht willentlich, sie kommen einfach und verändern sich, setzen sich neu zusammen, bleiben, vergehen, kommen zu neuen Ergebnissen, Lösungen... und verschwinden, tauchen ab ins Nirgendwo.
Als ich aufblicke, bin ich schon fast am Ende meiner Wegstrecke. Wieder nehme ich meine Umgebung, die Natur, bewusst wahr, auch wenn ich den Weg selbst fast unbewusst zurückgelegt habe. Ich sehe und betrachte jetzt die Pflanzen, erkenne ihre Formen, Blätter, Blüten, die ersten Früchte. Ich versuche mich an Namen zu erinnern, die einzelnen Bäume und Blumen zu bestimmen. Ich bleibe stehen, erlebe bewusst die Stille des Waldes, spüre die wiedergekehrte Ruhe in mir.
Der Heimweg erfolgt beschwingt, erleichtert, zufrieden, als wäre mir eine Last abgenommen, - die Last der Gedanken??
ChA 22.07.14
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.07.2014.
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