Manfred Bieschke-Behm

Eine Saite von mir zum Klingen bringen


Es gibt einiges, was mich berührt, was eine Saite in mir zum Klingen bringt. Mich berühren zum Beispiel Menschen. Einfache Menschen. Menschen, die ihr Leben leben, ohne andere zu schaden oder es anderen gleich tun zu wollen. Menschen, die nicht bevorteilt sind, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens leben und trotzdem zufrieden sind mit dem, was sie besitzen und von dem, was sie haben, abgeben. Mich berührt, wenn ich in müde aber gleichzeitig strahlende Augen blicke. Wenn Menschen mir ein ehrliches Lächeln schenken, wohl wissend, dass ihnen nicht anhaltend nach Lachen ist.
Aaußer Menschen berühren mich Bäume auf eine ganz wundersame Weise. Ihre Stämme, egal wie gewachsen, symbolisieren für mich Stärke und Widerstandskraft. Ihre Rinden lassen mich ahnen, was sie bereits ausgehalten haben müssen und glauben, dass Schönheit nicht vergänglich ist, sich nur verändert. Wenn ich hinauf zu den Baumkronen schaue, erlebe ich eine Sinfonie aus Farben und Formen. Ich bewundere die Selbstverständlichkeit der Bäume, die im Herbst ihre Blätter abwerfen und die kahlen Äste, die trotz ihrer Nacktheit stolz in den Himmel ragen. Bäume behalten ihre Würde auch kahl. Sie nehmen ihr Schicksal an. Auch, oder weil sie wissen, dass im Rhythmus der Jahreszeiten die Zeit kommt, wo neues Leben entsteht. Sie nutzen die Winterstarre für Vorfreude auf den kommenden Frühling, wo junge Triebe und Vogelgezwitscher ihr Dasein bereichern.
Auch Bäume, ohne Lebenssaft, Bäume, die ihr Leben ausgehaucht haben, berühren meine Seele. Ich bin davon überzeugt, dass Bäume in Würde sterben. Ihnen zu Ehren würde ich, besäße ich die Fähigkeit, ein Requiem schreiben. Die Melodie dafür klingt mir im Ohr. Ich höre das Saitenspiel der Violinen und der Celli und einen vielstimmigen Chor.
Auch Berge sprechen meine Seele an, lassen eine Saite in mir klingen. Wenn ich auf einem Berggipfel stehe und weit hinab ins Tal schaue, erlebe ich den Moment der unendlichen Weite und gleichzeitig begreife ich, was es heißt, Mensch zu sein. Wozu er fähig ist und wo er erkennen muss: Bis hierher und nicht weiter. Ich begreife, was es heißt, Grenzen zu spüren und sich gleichzeitig so nah und verbunden mit dem Universum zu fühlen. Wie mühsam der Aufstieg auch war, beim Berühren des Gipfelkreuzes, ist alle Anstrengung vergessen. Dem Himmel ein Stück näher zu sein, erzeugt in mir Respekt vor der Schöpfung, und gleichzeitig das Glücksgefühl ein Teil davon zu sein.
All das, was mich berührt und Saiten in mir zum Klingen bringt, wird nur noch von der Musik übertrumpft. Sie ist es, die meine Seele am ehesten zum Schwingen bringt. Ohne Musik wäre mein Leben nur schwer vorstellbar. Musik lässt mich träumen, mich in andere Welten tauchen. Sie lässt mir die Freiheit wache Träume zu träumen und Geschichten ausdenken, von denen ich für eine begrenzte Zeit glaube, dass sie Wahrheit sind. Wenn die Realität mich wieder einholt, bin ich nicht enttäuscht, weil ich weiß, dass Musik mich jederzeit in diese gewollte unbeschwerte Traumwelt versetzten kann. Musik bringt in mir Saiten zum Klingen, die ich brauche, um mich im jenseits der Realität spüren zu können Musik offenbart mir, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als das, was ich berühren, sehen, riechen und schmecken kann. Musik beschert mir Lebensfreude.

 
 

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