Wolfgang Scholmanns

So kann´s gehen

 

Hallo Paula, habt ihr die Wohnung bekommen?“
„Ach Du bist es Reni. Ja, wir sind total begeistert. Das Haus ist  ein Jahr alt, alles riecht noch so neu. Unten wohnen die Hausbesitzer, haben ne Tochter in Jennys Alter. In der oberen Etage wohnen wir und noch ein älteres Ehepaar. Ganz nette Leute sind das. Einen richtigen Glückstreffer haben wir da gelandet. Selbst den Garten dürfen wir benutzen.“
„Na das ist doch mal was. Da habt ihr endlich eure Traumwohnung.“
„Ja, was lange währt wird endlich gut. Du, sei mir nicht böse. Ich muss los, Jenny vom Kindergarten abholen. Komme uns mal besuchen.“ Ein paar Tage später besuchte ich meine Freundin Paula.
Das liegt jetzt allerdings schon vierzig Jahre zurück.
Ich war begeistert von der Wohnung. Sie war wirklich wunderschön. Jenny und das Mädchen der Hausbesitzer, Karin hieß sie, soweit ich mich erinnern kann, spielten in dem großen Garten. Der Hausherr hatte dort einen Sandkasten für seine Tochter gebaut und er und seine Frau freuten sich darüber, dass seine Kleine jetzt eine gleichaltrige Spielgefährtin hatte.  Die Geburtstage der beiden Mädchen lagen in den Sommermonaten und so wurde, bei schönem Wetter zu diesen Anlässen,  eine Gartenparty veranstaltet.  Das war ein großer Spaß. Herr Uhlenhaus, so hieß der Hausbesitzer, schmückte dann den Garten dann mit Girlanden und Lichterketten. 
Karin und Jenny waren ein Herz und eine Seele, was auch bis kurz nach der Grundschule anhielt. Karin besuchte jetzt das Gymnasium, Jenny die Realschule. Schon bald hatte Karin eine neue „beste Freundin“, die aus feinem Hause kam. Jenny war jetzt oft allein. Sie hatte ihre Karin nicht so schnell vergessen und war ein traurig über die neue Situation.
Nach dem Schulabschluss begann Jenny eine Lehre zur Bankkauffrau und Karin ging, nachdem sie ein Superabitur gemacht hatte, in eine weit von ihrem Heimatort entfernte Stadt und studierte dort Psychologie.
Jahre später, Jennys Eltern waren gestorben, hatte sie die Wohnung übernommen.
Eines Tages klingelte es an ihrer Haustüre. Als sie öffnete, standen eine Dame, die ungefähr ihr Alter haben musste und ein etwa vierjähriges Mädchen vor ihrer Türe. „Hallo Jenny, erkennst Du mich etwa nicht? Ich bin es, Karin.“
„Karin, Karin Du bist es. Und das ist bestimmt Deine Tochter, oder?“
„Ja, das ist Vera, meine Kleine.“
Jenny wollte die Beiden jetzt umarmen, aber Karin zeigte sich ziemlich  reserviert.  „Meine Eltern sind, wie Du ja weißt, in einem Altenheim untergebracht. Sie haben mir das Haus überschrieben und mir alle Vollmachten erteilt. Ich werde mit Vera im nächsten Monat unten in die Wohnung einziehen. Viel ändern wird sich nicht. Die Miete ist angemessen und kann auch vorerst so bleiben. Hast Du etwa keine Kinder?“ Jenny, die etwas verdutzt dreinschaute, wohl weil sie das Verhalten ihrer damals besten Freundin nicht verstehen konnte, sagte: „Doch, Jens ist noch im Kindergarten. Ich muss ihn gleich abholen.“
„Na dann mach das mal, wir sehen uns.“
Sechs Wochen später war Karin mit ihrer Tochter in die Wohnung ihrer Eltern gezogen. Ein paar Renovierungsarbeiten und der Austausch der Möbel gingen schnell vonstatten. Nur die Neugestaltung des Gartens zog sich über einige Wochen hin. Eine Rutschbahn, ein neuer Sandkasten und sogar ein Klettergerüst hatte Karin dort aufbauen lassen. Dort, wo ihr Vater damals ein großes Blumenbeet angelegt hatte, stand jetzt eine große Holzhütte. Der kleine Jens hatte dies alles vom Fenster aus beobachtet und freute sich schon darauf, dass seine Mutter, heute Nachmittag, mit ihm in den Garten gehen und die neuen Spielgeräte ansehen wollte. „Komm Mama, die kleine Vera ist auch im Garten.“,  quengelte Jens. Als Jenny aus dem Fenster schaute, sah sie die kleine Vera im Sandkasten sitzen. „Dann komm, mein Kleiner.“ Die Kinder verstanden sich auf Anhieb und es war wunderschön anzusehen, wie die beiden miteinander spielten. In Gedanken an die Zeit, wo sie mit Karin hier das Band inniger Freundschaft geknüpft hatte, verlor sie ein paar Tränchen. „Was ist denn mit Dir los?“, wurde sie plötzlich aus ihren Träumen geweckt. Karin stand neben ihr und sah sie seltsam an. „Hast Du etwa einen sentimentalen Kollaps?“
„Ach Karin, ich habe gerade an unsere Kinderzeit gedacht und wie schön doch damals alles war.“
„Das lass mal, ist doch schon bald gar nicht mehr war. Übrigens wollte ich Dir ausrichten, dass ich mich dazu entschlossen habe, die Gartennutzung für Mieter nicht mehr zu gestatten. Lass die Kinder heute noch zusammen spielen. Für die Zukunft weißt Du dann Bescheid."
 
 
 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.07.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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