Claudia Evers

Luna

Herr Sonnenschein ist ein netter,alter Mann.Er läuft etwas gebückt und schlurft mit den Füßen. Einen karierten Schlapphut hat er immer auf dem Kopf. Sommer wie Winter. Und jeden Tag trägt Herr Sonnenschein einen Anzug. Mal einen schwarzen,mal einen grauen. Genauso grau wie das Häuschen in dem der alte Herr wohnt. Es hat keine Heizung,so wie ihr es von eurem Zuhause kennt. Ein Ölofen sorgt für wohlige Wärme. Eine Frau hat Herr Sonnenschein nicht mehr. Die ist schon vor vielen Jahren gestorben. Aber er hat sehr nette Nachbarn die ihm helfen wann immer es nötig ist. Beim einkaufen, Laub harken,Hecke schneiden oder auch beim Schnee fegen. Die Kinder aus der Nachbarschaft mögen ihn sehr gerne. Seine eigenen Kinder und Enkel leben in einer anderen Stadt und kommen nur zu Weihnachten mal zu Besuch. Aber auch das wird immer seltener.
Dieses Jahr fahren sie in die Berge zum Schi laufen. Ein bischen traurig macht es Herrn Sonnenschein doch schon,aber er hat ja zum Glück seine netten Nachbarn. Die laden ihn am Heiligen Abend zum Essen ein oder bringen ihm etwas von der leckeren Weihnachtsgans nach Hause.

Eine Woche vor Weihnachten erzählt seine Nachbarin Frau Himmel,das sie mit Mann und Kindern über die Feiertage zu Verwandten fährt. Sie fragt Herrn Sonnenschein ob er zurecht kommen wird und ob er noch etwas bräuchte.,,Nein, Frau Himmel. Ich habe alles was ich für die Feiertage brauche zu Hause. Die Gefriertruhe ist gefüllt und auch im Kühlschrank ist alles vorhanden. Vielen Dank." ,,Dieses Jahr wird es wohl keine weiße Weihnachten geben," meint Frau Himmel. ,,Och,"beruhigt sie der alte Herr, ,,das kann ja noch kommen.Ein wenig Schnee fällt bestimmt. Sonst ist es doch kein richtiges Weihnachten."

Drei Tage vor dem 24. Dezember fährt Frau Himmel mit ihrer Familie los. Herr Sonnenschein steht vor seinem Haus und winkt ihnen zum Abschied hinterher. Als er sein Haus betritt,bemerkt er nicht wie es draußen anfängt zu schneien.

Herr Sonnenschein schlurft in den Keller und sucht schon mal die Sachen für den Tannenbaum zusammen. Lichterketten, Baumkugeln, kleine Engel,den Stern der auf die Spitze des Baumes kommt und den Tannenbaum selbst. Herr Sonnenschein hat sich vor ein paar Jahre einen künstlichen Baum gekauft, weil er es alleine nicht mehr schafft in den Wald zu gehen und selber ein kleines Bäumchen zu fällen.

Am Morgen des 24. Dezember ist Herr Sonnenschein schon früher als sonst aufgestanden.Er hat viel zu tun. Baum aufstellen,schmücken und das Essen vorbereiten. Und da er ein alter Mann ist,dauert alles etwas länger. Er ist so vertieft in seine Vorbereitungen das er gar nicht merkt das es immer noch schneit. Herr Sonnenschein ist nach einigen Stunden mit allem fertig. ,,Dieses Jahr sieht der Baum besonders schön aus," bewundert er sein Werk. Er geht in die Küche und macht sich einen heißen Kakao. Als er auf die Uhr sieht erschrickt Herr Sonnenschein.,,Um Himmels Willen,schon so spät. Höchste Zeit für die Kirche." Er setzt sich seinen Schlapphut auf und zieht den Wintermantel an. Als er die Haustür öffnet bleibt er wie angewurzelt stehen. ,,Das gibt es doch nicht! Schnee soweit das Auge reicht.Man sieht schon gar nicht mehr wo der Fußweg anfängt und die Straße aufhört." Herr Sonnenschein macht einen Schritt und versinkt bis zum Schienbein im Schnee. ,,Oh je, oh je.das schaffe ich nicht. Der Schnee ist viel zu tief um irgendwie voran zu kommen. Schade, da werde ich dieses Jahr nicht in die Kirche können. Morgen ist zwar auch noch eine Messe, aber bis dahin ist der Schnee nicht weg geschmolzen." Herr Sonnenschein ist traurig. Er liebt es an Weihnachten in die Kirche zu gehen.Alles ist so festlich geschmückt und die Krippe ist aufgestellt.Enttäuscht zieht er Mantel und Hut wieder aus und sinkt in seinen Schaukelstuhl. Während er noch überlegt ob es eine andere Möglichkeit gibt durch den Schnee zu gelangen, schläft er ein.

Er muß eine ganze Weile geschlafen haben,denn draussen ist es stockdunkel. Und es schneit noch immer. Sein Blick fällt auf die Uhr an der Wand. Es ist acht Uhr Abends. ,,Was ist denn das für ein Geräusch? Klingt wie ein Winseln," bemerkt Herr Sonnenschein. Er folgt dem Geräusch bis in den Keller. Dort hinten,ganz versteckt zwischen all den Kartons,liegt doch tatsächlich ein Hund. ,,Na sag mal, was machst du denn hier? Und wie bist du hier herein gekommen?," fragt Herr Sonnenschein. Der Hund zittert am ganzen Körper.   ,,Dir ist bestimmt kalt. Oder hast du Angst vor mir? Das brauchst du nicht. Ich tue dir nichts," redet der alte Herr beruhigend auf den Hund ein.Das zitternde Fellbündel traut sich ein Stück hervor und schnuppert als Herr Sonnenschein ihm die Hand hin hält. ,,Na komm her. Hier unten kannst du doch nicht bleiben.In meiner Stube ist es schön warm und etwas zu fressen finde ich bestimmt auch für dich.Magst du Hühnchenfleisch mit Rotkohl und Klößen?" Je länger er mit dem Hund spricht umso näher robbt dieser an ihn heran. Dem alten Herrn fällt das Halsband auf. Er streckt langsam die Hand aus um zu sehen was auf dem kleinen Anhänger steht. Erst schreckt der kleine Hund zurück, doch Herr Sonnenschein spricht ganz ruhig mit ihm und kann die Inschrift erkennen.,,LUNA,"liest er,, das ist ein schöner Name. Du bist also eine Dame." Luna hat sich vor ihn gesetzt und schaut ihn neugierig aus ihren großen, braunen Augen an. Jetzt sieht Herr Sonnenschein das der Hund ein grau-braunes Fell hat. Sie ist nicht sehr groß und ziemlich dünn. Was aber am meisten auffällt sind ihre großen Ohren. Sie passen nicht wirklich zu dem kleinen Hund. ,,Du hast ein wenig Ähnlichkeit mit einer Fledermaus," schmunzelt Herr Sonnenschein und macht sich auf denWeg in die Wohnung. ,,Komm nur mit. Es wird dir gefallen." Luna folgt ihm etwas zögernd. ,,Wenn dich jemand vermißt werde ich dich wohl zurückgeben müßen,"sagt Herr Sonnenschein schwermütig. Aber daran will er jetzt noch nicht denken. Während er das Essen zubereitet, liegt Luna vor dem Ofen und wärmt sich auf.

Das Weihnachtsessen hat beiden sehr gut geschmeckt. Herr Sonnenschein sieht sich auf seinem schwarz-weiß Fernseher die Weihnachtsmesse an.Luns hat ein Nickerchen gemacht und steht nun vor der Tür und winselt.,,Nanu,willst du mich schon wieder verlassen? Oder mußt du mal?" Herr Sonnenschein öffnet die Haustür und Luna hüpft in den Schnee.Und während sie dort draußen ein wenig hin und her läuft,fällt dem alten Mann etwas auf. ,,Das ist es," jubelt er Luna zu. Während sie die Nase am Boden hatte,haben ihre Ohren die weiße Pracht beiseite geschafft. Wie ein Schneepflug! Luna springt freudig auf und ab und durchpflügt den ganzen Garten.Der Weg vor der Haustür bis hin zum Fußweg ist komplett frei von Schnee. ,,Dich hat der Himmel geschickt." Luna wedelt mit dem Schwanz und springt um Herrn Sonnenschein herum wie ein Gummiball.

Familie Himmel kommt ein paar Tage später aus dem Urlaub zurück. Sie staunen nicht schlecht als sie die,vom Schnee befreite,Auffahrt sehen.,,Herr Sonnenschein,was haben sie denn gemacht? In ihrem Alter können sie doch kein Schnee räumen," besorgt schaut Frau Himmel ihren Nachbarn an. ,,Nein,nein. Das war nicht ich. Das ist mein kleiner Weihnachtsengel gewesen,"schmunzelt der alte Herr. Frau Himmel runzelt die Stirn und versteht die Welt nicht mehr. Herr Sonnenschein erzählt ihr die ganze Geschichte und wie aufs Stichwort kommt Luna aus dem Haus gestürmt. ,,So konnte ich ihnen auch einmal helfen,"meint Herr Sonnenschein,,sie tun immer so viel für mich und sind immer da wenn ich Hilfe brauche." Frau Himmel umarmt den alten Mann und hat Tränen in den Augen weil sie sich über die Worte so sehr freut.

Luna bekommt zur Belohnung eine saftige Wurst von Frau Himmel. Kein Mensch hat Luna bis heute als vermißt gemeldet.Sie lebt immer noch bei Herrn Sonnenschein und macht ihm große Freude. Und das beste ist das der alte Mann nicht mehr ganz alleine ist.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.08.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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