Manfred Bieschke-Behm

Veränderung



Angst macht sich in mir breit. Nicht erst seit heute. Die Angst wohnt seit Wochen in mir. Es fällt mir zunehmend schwerer diesen Zustand, zu ertragen. Dabei wäre es so einfach, die Beklommenheit loszuwerden. Ich bräuchte nur Mut aufbringen und sagen, was zu sagen ist und alles wäre gut. Alles wäre dann gut, rede ich mir ein. Ganz bestimmt wird nicht alle gut, lautet meine unausgesprochene Antwort. Nach dem Gesagten ist die Angst vielleicht gebändigt, dafür kommen Auseinandersetzungen und Erklärungen. Gedanken daran lassen mich erneut abrücken vor dem Schritt, der notwendig ist. Ich spüre wie sich Schweißperlerlen auf meine Stirn bilden. Gleichzeitig empfinde eine unangenehme Trockenheit in meinem Mund. Gedanken fliegen in meinem Kopf herum. Ich fühle mich wie in einem sich immer schneller drehendes Karussell. So geht es nicht weiter, denke ich. Der Gedanke hilft mir nicht weiter. Er macht mir nicht Mut tätig zu werden. Im Gegenteil. Er schnürt mir die Luft zum atmen ab. Lässt mich schwindelig werden. Lähmt mich. Würde ich angesprochen werden, denke ich, wäre es für mich einfacher. Aber möchte ich überhaupt angesprochen werden? Finde ich dann sofort die richtigen Worte? Nein, ich möchte nicht angesprochen werden. Und doch passiert es.
"Was ist los mit dir?", werde ich unvorbereitet gefragt.
Es passiert, was ich glaubte, dass es passieren würde und antworte mit einer Gegenfrage: "Was soll los sein mit mir?"
Ein sorgenvolles Gesicht mit mild gestimmten Augen schaut mich an: "Ich beobachte dich seit Tagen, eigentlich seit Wochen, und mache mir Sorgen."
"Brauchst du nicht. Es ist alles in Ordnung mit mir." In dem Moment ich das sage weiß ich, dass diese Antwort eine Lüge ist und mich von der Wahrheit noch weiter wegtreibt
"Du bist nicht mehr der, den ich kenne, den ich liebe. So, wie ich dich momentan erlebe, bist du mir fremd. Fremd geworden."
Wieder antworte ich mit einer Gegenfrage: "Wie erlebst du mich denn?", und spüre, wie mich das Gespräch anstrengt und ich das Gespräch lieber beenden, als fortführen würde.  
"Ernst und nachdenklich. Ich vermisse deine Fröhlichkeit. Ich spüre, dass irgendetwas passiert sein muss, das dich bedrückt. Hat deine Stimmung mit mir zu tun? - Möchtest du mit mir darüber sprechen? Willst du mir was sagen?"
"Nein, das möchte ich nicht. Lass mich einfach nur in Ruhe. Bitte!" Kaum ausgesprochen spüre ich, dass es mir eigentlich gut tut angesprochen zu werden, dennoch will ich mich nicht erklären. Feigheit hindert mich über die Brücke zu gehen, die mir gebaut wurde.
"Mir scheint, dass es dir unangenehm ist, von mir angesprochen zu werden." Noch bevor ich antworten kann, höre ich noch "Schade, dass es zurzeit nicht möglich ist, offen und vertrauensvoll miteinander umzugehen."
Unsere Augenpaare treffen sich. Ich weiche aus. Kann den Blickkontakt nicht halten. Ein schlechtes Gewissen beschleicht mich. 'Zu Recht', sage ich mir und hoffe insgeheim, dass das Gespräch an dieser Stelle sein Ende findet.
Ich bleibe deshalb eine Antwort schuldig. Höre stattdessen: " Gut, wenn du nicht mit mir reden willst, kann ich dich dazu nicht zwingen. Ich lasse dich in Ruhe und warte, bis du auf mich zukommst und wir uns, wie es zwischen zwei erwachsene Menschen möglich sein sollte, unterhalten. Ich bin jederzeit bereit ….
Mit "Danke" falle ich ins Wort, auch deshalb, weil ich nicht noch mehr hören möchte.
 
Alleingelassen im Zimmer schalte ich reflexartig das Radio ein. Die Stille im Raum kann ich nicht ertragen. Ich glaube meinen Atem zu hören, was ich als unerträglich empfinde. Auch möchte ich abgelenkt werden. Abgelenkt von mir, meinen Gedanken und von dem Vorhaben, dass ich seit Tagen in mir trage. Musik, die eher dazu geeignet ist einen gemütlichen Abend zu zweit musikalisch begleiten zu lassen, nehme ich nur mit einem Ohr wahr. Mein zweites Ohr versucht herauszuhören, ob die Situation es erlaubt mein seit längerer Zeit geplantes Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Situation ist günstig. Ich ziehe meinen Mantel an, hole meine gepackten zwei Koffer aus dem Versteck und lege den Schlüsselbund auf den Tisch. Daneben lege ich den Zettel, auf den ich das gestern im Radio gehörte Zitat von Wolf Biermann geschrieben habe 'Nur, wer sich ändert, bleibt sich treu' - verzeih mir. Die Tür fällt ins Schloss. Die Feigheit geht mit.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.09.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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