Peter Spiegelbauer

Carolina - Gangrel - Teil 1

Amicus certus in re incerta cernitur

Wolken verdunkelten langsam das schwächer werdende Sonnenlicht. Eine leichte Brise ließ Carolinas Haar kurz flattern. Erschöpfung zwang sie für ein paar Augenblicke in ihre zarten Knie. Sie schloss die Augen und hoffte das dieses grausame Gefühl der Kraftlosigkeit endlich von ihr ablassen würde.

‚Steh auf. Komm schon. Verschwende deine Gedanken nicht an irgendwelche Schutzengel, die niemals kommen werden um dir beizustehen. Trotze den Göttern und erheb dich endlich.’ Dachte sie, während sie alle Kraft zusammennahm, die sie in ihrem ausgelaugten Körper finden konnte und schließlich wieder aufstand. Adern wurden auf ihrer Haut sichtbar. Das Gesicht war nun nichts weiter, als eine schmerzverzerrte Grimasse. Als sie sich endlich ganz aufgerichtet hatte, schloss sie die Augen. Helle Punkte tanzten, wie Sterne, vor ihren Augen. Sie atmete einige male tief ein. Von weitem hörte sie bereits die rasselnden Säbel der Söldner. Seit sie aus dem Gefängnis entkommen war hatte sie bereits mehr als fünfzehn Soldaten getötet, und obwohl sie die Grenze der Grafschaft Rubenik schon lange überschritten hatte, trachteten ihr noch immer bewaffnete Söldnereinheiten nach dem Leben.

Carolina öffnete ihre Augen, drehte sich noch ein letztes mal um, und sah wie einige Männer sich einen Weg durchs Dickicht, des Berges auf dem sie sich befand, zu bahnen begannen. Sie selbst hatte es gerade noch geschafft sich auf einen kleinen Felsvorsprung zu retten, bevor die ersten Pfeile sie treffen konnten. Um sie herum befanden sich einige Felsen, welche ihr Deckung gaben. Carolina spannte ihren zierlichen, aber dennoch muskulösen, Körper an und wollte gerade weiterklettern, als sie eine kleine Felsspalte bemerkte. Die Spalte war gerade groß genug für sie. Carolina verschwendete keinen Gedanken mehr an die drübere Seite des Berges. Langsam zwängte sie sich durch den Spalt und zerfetzte damit den letzten Rest ihres ohnehin durchlöcherten Gewands. Völlig nackt fand sie sich schließlich in einer kleinen stockdunklen Höhle wieder. Sie kauerte sich auf dem Boden zusammen und wartete.

Nach einiger Zeit hörte sie Stimmen.

‚Verdammt! Wie viele muss ich denn noch töten, damit sie mich endlich in Ruhe lassen?’, dachte Carolina bei sich, während sie sich daran machte einen Stein zu suchen, den sie als Waffe verwenden konnte. Das Licht der Fackeln wurde immer heller. Bald würden sie diese Höhle finden.

Plötzlich ertönte das Heulen eines Wolfes in einiger Entfernung. Den Fackeln nach schienen die Söldner stehen zu bleiben. Weiteres Geheul von anderen Wölfen ertönten und erzeugte in dieser mitlerweile finsteren Umgebung einen schaurigen Chor, der im Begriff war immer weiter anzuschwellen.

Carolina schlüpfte vorsichtig auf den Felsvorsprung um das Geschehen eingehender beobachten zu können. Als sie hinabsah erkannte sie, dass die Söldner von einem Rudel Wölfe umkreist wurden. Langsam sammelte sich das Rudel und stellte sich geschlossen zwischen die Söldner und den Felsvorsprung. Die Tiere begannen zu bellen und bedrohlich zu knurren. Die Männer schienen sich nicht sicher zu sein ob sie bleiben und kämpfen, oder einfach verschwinden sollten.

„Was verschlägt euch denn in diese Lande an einem Tag wie diesem?“

Keiner der Söldner hatte den Mann bemerkt, der auf einmal neben ihnen stand. Erschrocken starrten sie ihn an. Bis schließlich einer von ihnen den Mut fand etwas zu erwidern.

„Wir suchen nach einer entflohenen Gefangenen. Habt ihr jemanden in letzter Zeit hier vorbeikommen gesehen?“

„Ihr meint, ausser euch? Nein.“

„Dann müssen wir wohl noch eine Weile suchen. Kommt Männer! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“

„Verzeiht. Aber habe ich eure Worte recht verstanden? Ihr wollt über diesen Berg maschieren?“

„Ganz recht.“

„Ist euch etwa entgangen, dass ihr gerade ungefragt mein Land betreten habt und gerade dabei seid aufgrund dessen einen folgenschweren Fehler zu begehen? Falls dem so sein sollte, bitte ich euch, eure Ziele noch einmal zu überdenken und einen anderen Weg einzuschlagen. Mit anderen Worten: Verschwindet augenblicklich!“

„Wie könnt ihr es wagen, so mit uns zu spr…“

Das lauter werdende Knurren der Wölfe unterbrach die Konversation. Das Rudel begab sich in Angriffshaltung und kam den Männern gefährlich nahe.

„Männer! Lasst uns umkehren. Hier können wir nichts ausrichten.“ Verärgert sammelten sich die Söldner und marschierten wieder in die Richtung aus der sie gekommen waren.
Der Fremde wartete bis die Männer ausser Sichtweite waren. Dann begab er sich zu den Wölfen und begann über ihr Fell zu streicheln. Sie schienen es geradezu zu genießen, wie er sie berührte und mit ihnen sprach.

‚Er spricht mit ihnen? Das ist doch nicht möglich! Kein Mensch kann mit Tieren reden. Das ist Zauberei.“ Carolina glaubte nicht was sie soeben erlebt hatte. Nach einer Weile erhob sich der Fremde und die Tiere verschwanden in alle Himmelsrichtungen. Sie konnte bei dieser Finsterniss, die nur durch das spärliche Mondlicht erhellt wurde, wenig mehr als die Sillouette des Fremden ausmachen. Dennoch hatte sie das unbestimmte Gefühl, von ihm angestarrt zu werden.

Der Mann drehte sich mit einem Mal in ihre Richtung und marschierte auf den Felsvorsprung zu. Eigentlich hatte sie keine Angst vor fremden Männern. Bis jetzt hatte sie sich ihrer Haut immer zu wehren gewusst. Aber dieser Fremde war anders. Carolina spürte förmlich die mystische, animalische Ausstrahlung, die von ihm ausging. Es war schon lange her, dass sie solch große Angst verspürt hatte, wie in dem Moment als der Fremde zu ihr auf den Felsvorsprung kletterte…
 

Diese Geschichte basiert zum größten Teil auf den Rollenspielbüchern von White Wolf, genauer gesagt auf den Sourcebooks von Vampire the Masquerade. Da es dieses Spielsystem schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt, und es demnach kaum noch von irgendjemandem heutzutage gespielt wird, wollte ich dieser Kindheitserinnerung von mir Tribut zollen, in dem ich einige Geschichtsfragmente dazu verfasste.
Es tut mir leid, wenn sich der eine oder andere Leser erst ein wenig durch-googeln muss, um zu verstehen worum es in diesem Spielsystem überhaupt geht, beziehungsweise um den Hintergrund der Geschichte zu verstehen. Ich bedanke mich schon jetzt für euer Verständnis.
Da ich diese "Kurzgeschichte" schon seit Langem nicht mehr überarbeitet habe, bin ich für jeden konstruktiven Vorschlag zur Verbesserung des Textes dankbar. Liebe Grüße Peter Spiegelbauer
Peter Spiegelbauer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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