Werner Happe

Rotfuchs und Knollennase, Teil 2

„Komm mit.“ Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Als der See in Sichtweite kam, lächelte Rotfuchs ein wenig. Gleich würde er seine schmerzenden Stellen kühlen können. Er fing an zu laufen.
„Warte!“, rief Knollennase, „ich kann nicht so schnell. Da hatte Rotfuchs sich schon in den See gestürzt. Er prustete und hustete.
„Komm rein, Knollennase. Das Wasser ist herrlich erfrischend.“
Knollennase stand am Ufer und zog sich Hemd und Hose aus.
„Spring einfach mit Klamotten rein“, rief Rotfuchs, „die haben auch mal eine Wäsche nötig!“ Er rollte sich im Wasser und schwamm abwechselnd auf dem Bauch und auf dem Rücken.
Knollennase hatte mittlerweile Socken und Unterhose ausgezogen und stand nackt und unentschlossen am Rand. Er holte einmal tief Luft, schloß die Augen, hielt sich die Nase zu und sprang ins Wasser. Prustend pflügte er durchs Wasser.
Rotfuchs hatte mittlerweile eine Stelle gefunden, an der er bis zur Hüfte stehen konnte.
„Na, du Nackedei“, lachte er. Knollennase schwamm zu ihm. Er richtete sich in seiner ganzen Blöße vor ihm auf, schaute ihm in die Augen und sagte:
„Dafür bin ich wenigstens sauber.“ Dann ließ er sich wieder ins Wasser gleiten.
Er schwamm ein paar Züge, rollte sich im Wasser, tauchte unter und wieder auf. Da sah er, dass Rotfuchs sich ebenfalls ausgezogen hatte und als er Rotfuchs nackt im Wasser schwimmen sah, musste er doch lachen. Ein Pirat, der sich vor seinen Matrosen nackt auszog, der konnte wohl nicht so schlimm sein.
Als sie genug geschwommen und gebadet hatten, holte sie ihre Klamotten und wuschen sie im See. Sie legten sie am Ufer über Steine zum Trocknen und saßen dann, nackt und vergnügt beieinander und erzählten Witze. Einer lustiger als der andere und ihr Gelächter klang weit über die Insel. Rotfuchs, selber schlank und rank, fast dürr, musste immer noch mehr lachen, weil er sich über Knollennases dicken Bauch, der beim Lachen auf und ab hüpfte, so amüsierte.
„Dick ist schick.“, sagte er mehrfach zu Knollennase und brach erneut in heftiges Gelächter aus.
Irgendwann bekamen sie Hunger und so gingen sie los und zogen durch die Gegend. Sie sammelten Beeren und Pilze. Danach versuchten sie ein Feuer zu machen. Rotfuchs schlug Steine aneinander und Knollennase hielt ihm Reisig hinein. Irgendwann, Knollennase wollte schon aufgeben, hatten sie wirklich ein kleines Feuer entfacht. Sie saßen noch lange am Feuer, aßen ihre Pilze und Beeren und genossen das süße Nichtstun. Als es dunkel wurde zogen sie sich wieder an, legten sich ans Feuer und waren bald eingeschlafen.
Mitten in der Nacht schreckte Knollennase hoch. Er glaubte, er hätte Schritte gehört. Er hielt den Atem an und lauschte. Nichts! Er lauschte weiter, als ihm plötzlich etwas schwindelig wurde. „Luft!“, dachte er und bemerkte erst dann, dass er sie die ganze Zeit angehalten hatte. Tief sog er die Luft ein. Ha, das tat gut! Er schloss die Augen, um die frische Luft zu geniessen und noch einmal sog er die Luft tief in seine Lungen ein. Doch was war das? Er bekam auf einmal wieder keine Luft. Er spürte, dass ihm jemand von hinten die Hände über den Mund gelegt hatte. Panik stieg in ihm auf und er begann zu zappeln und zu strampeln, Dann spürte er nur noch einen dumpfen Schlag auf seinen Kopf und sank in eine tiefe Ohnmacht.
Rotfuchs war mittlerweile wachgeworden.
„Was machst du denn für einen Lärm, Matrose?“, grunzte er und drehte sich mühsam auf die andere Seite um. Da spürte er auch schon, wie er gepackt wurde und kurz darauf wieder in einen tiefen Schlaf sank.
Rotfuchs erwachte; sein Kopf schmerzte.
„Was ist denn los hier?“, murmelte er.
„Mund halten!“, befahl eine tiefe Stimme schroff.
Rotfuchs blinzelte in der Gegend herum. Es war immer noch dunkel und er konnte fast nichts erkennen.
„Wo ist mein Matrose?“
„Der kleine Dicke?“, lachte die tiefe Stimme rau.
„Was habt ihr mit ihm gemacht?“
„Noch nichts. Das kommt erst später.“
„Wo ist er?“ Rotfuchs wurde langsam ungeduldig.
„Es geht ihm gut. Er schläft noch ein wenig.“
„Wer bist du? Bist du allein?“
„Viele Fragen, mein Freund.“ Rotfuchs nickte.
„Wir sind Piraten und holen uns nur unsere Beute.“, sagte die tiefe Stimme dann plötzlich hart und laut.
„Piraten? Beute? Welche Beute?“, stammelte Rotfuchs. Sein Kopf schwirrte.
Der Pirat kam ganz nah an Rotfuchs heran. Er stank nach Alkohol.
„Unsere Beute, die dein lieber, fetter Matrose uns stibitzt hat.“, flüsterte er. Mann, stank dieser Kerl. „Und er wird uns bald verraten, wo er die Beute versteckt hat, sonst ...“. Der Pirat verstummte.
„Sonst bringt ihr ihn um?“, riet Rotfuchs.
„Dummkopf!“, donnerte der Pirat. „Dann erfahren wir doch nie, wo die Beute ist.“ Wieder kam der Pirat Rotfuchs verdächtig nah und blies ihm seinen Mundgeruch ins Gesicht.
„Nein, mein Freund!“, lächelte er, „dann bringen wir dich um!“ Und lauthals lachend stapfte er davon und war schon bald ausser Sichtweite. Rotfuchs, der gefesselt war, ließ sich wieder auf den Rücken sinken und musste erst mal nachdenken. Er lächelte. „Die sind gar nicht dumm! Nein, nein. Das hätte glatt von mir stammen können. Von mir, dem klügsten Piraten auf den Sieben Weltmeeren!“ Kurz darauf schlief er vor Erschöpfung ein.
(Fortsetzung folgt)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.05.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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