Die handelnden Personen:
Zwei Freunde, etwa gleich alt. Sie tragen keine Namen. Noch nicht, vielleicht später einmal.
Die Namen sind für die Handlung ohne Belang.
Wir sehen einen Weg durch einen Park, der von alten Bäumen gesäumt wird. Die Freunde schlendern gemütlich auf ihm. In ihren Gesichtern spiegelt sich das Heitere des Wetters wider. Rechts kommt ein Teich mit einer Wasserfontäne in den Blick. Diverse Wasservögel ziehen auf der Oberfläche ihre Kreise. Der Blick geht zurück zur Fontäne. Die Sonne bricht sich in den Tropfen. Miniaturregenbögen bilden sich.
Die Freunde schauen nur kurz dem Schauspiel zu und setzen ihren Weg fort. Sie sind in ein Gespräch vertieft, welches ihre Aufmerksamkeit fordert. Ein paar Spaziergänger in ihrer Nähe bemerken sie kaum.
Markieren wir die Freunde mit A & B, um ihrem Gespräch besser folgen zu können.
A sagt beiläufig: „Was hältst du von Sprichwörtern?“
B schaut auf. Antwortet im Weitergehen.
„Wie genau meinst du das? Es gibt ausreichend davon. Mich würde mal interessieren, ob es sie schon immer gab.“
A hält im Laufen ein wenig inne. B vermindert ebenfalls sein Tempo. A wendet den Kopf Richtung B.
„Meinst du, Sprichwörter sind gemeinsam mit unserer Sprache entstanden?“
B bleibt stehen A tut es ihm gleich. Ein paar Radfahrer schütteln den Kopf, weil die beiden Freunde den Weg recht mittig blockieren. Von den Radfahrern nehmen sie keine Notiz.
„Komm lass uns das nicht im Laufen bereden. Dort drüben ist eine Bank. Ein wenig Sonne kann uns auch nicht schaden.“
B weist mit dem Arm auf eine Bank, links am Rand des Weges, den dort nur wenige Bäume flankieren. Die Bank steht in der milden Nachmittagssonne eines Sommertages. B lenkt seine Schritte dorthin und A folgt ihm. Von der Bank aus ist ein Blick auf den Teich möglich, der aber durch eine alte Weide versperrt wird.
B nimmt auf der Bank Platz, streckt die Beine aus und räkelt sich in der Sonne. A setzt sich dagegen aufrechter hin und wendet seinen Blick dem Freunde zu. B bemerkt das. Der ist aufgekratzter Stimmung.
„Könnten wir doch ein wenig von dieser Sonnenenergie tanken. In ihr liegt so ein scheinbarer Überfluss.“
„Und nachts ist es weiterhin dunkel. Graue Tage werden folgen. Ernähre du dich dann mal vom Licht.“ Ein Grinsen breitet sich auf dem Gesicht von A aus.
B lacht.
„Eine gute Antwort. Die Dunkelheit der Nacht ist ja sprichwörtlich. Wir haben den Weg verlassen. Wir sollten es aber nicht mit unserem Gespräch tun. Ich denke, ein Sprichwort spiegelt Erfahrungen wider. Es ist quasi eine kurze Regel für das Leben. Etwas, was man Menschen sagt, die mit gewissen Dingen in Berührung kommen.“
A schaut gespannt und interessiert auf B.
„Kinder vielleicht?“ lautet seine knappe Antwort.
„Bestimmt. Es könnten ebenso Menschen sein, die man mit den Worten warnen oder mahnen will. Das Thema hat viele Facetten. Tja, wann entstanden sie? Da nicht alle Erfahrungen angenehm sind, entwickelten sie sich wohl manchmal aus einer Unzeit heraus und eben auch vor Urzeiten. Irgendwer muss den Spruch ja mal geprägt haben. Manche von ihnen zeigen ähnlichen Inhalt. Da gibt’s garantiert keine definierbare Urheberschaft. Haben sie alle noch Gültigkeit, weil die Zeiten sich ändern? Was meinst du?“
B blickt gespannt auf A. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. A ändert hierbei seine Sitzhaltung kaum.
„Du meinst, es ist alles eine Frage der Zeit? Dies ist übrigens das Sprichwort, welches mir bei meiner Anfangsfrage vorschwebte.“
„Der Spruch, er ist weit verbreitet, aber ohne Gültigkeit“, ruft B spontan aus.
A schaut fragend drein. Eine unerwartete Antwort.
„Bevor du fragst, will ich dir eine Erklärung meiner Ansicht geben. Existiert die Zeit überhaupt? Wenn ja, dann stellt sie keine Fragen. War es nicht eine Frage, die du stelltest?“
A nickt nur, erwidert aber nichts. B fährt fort mit seiner Erklärung.
„Nehmen wir an, der sogenannte Zeitpfeil existiert, abgeschossen mit dem Urknall. Bei dem Vergleich frage ich mich manchmal, ob Gott ein Bogenschütze ist. Egal. Die Zeit ist dann etwas Fließendes. Wie kann so ein Fluss eine Frage stellen? Die Fragen entstehen in uns und nicht durch die Zeit. Die Zeit garantiert uns unsere Bewegung, im kleinen und im großen Maßstab. Immerhin sind wir in unserer Bewegung bis zu dieser Bank gekommen.“
B fängt wieder an zu lachen.
„Alles also nur eine sprachliche Unkorrektheit? Schließlich bringen uns Zeit und Bewegung zu Dingen, Ereignissen, die da auf uns zukommen. Es kommt immer etwas auf uns zu.“
„Das ist ein Aspekt.“
B setzt seinen Redefluss fort, untermalt seine Worte mit Gesten. A scheint ein wenig angespannter auf der anderen Bankseite zu sitzen.
„Jenes Sprichwort legt zudem nahe, die Dinge hätten ihre eigene Zeit, in der sie stattfinden. Ihre Eigenzeit quasi. Haben sie damit ebenso eigene Bezugssysteme?“
A winkt ab.
„Das ist mir an diesem Sommernachmittag zu physikalisch.“
B grinst.
„Mir auch. Bei dem Beruf…“
„…der auch der meine ist. Du lässt dich irgendwie immer provozieren.“
A lacht herzlich auf. B blickt einen kurzen Moment überrascht auf A und stimmt in das Lachen mit ein. A erhebt sich von der Bank und zeigt auf den Weg.
„Zeit für einen Kaffee?“
„Immer.“
Beide gehen zurück zum Weg und setzten ihren Spaziergang fort. Eine Wegbiegung lässt ihre Gestalten aus dem Blickwinkel verschwinden.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.09.2014.
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