Dieses flaue Gefühl bestätigt sich sofort als ich einen Blick in den Rückspiegel werfe. Er fährt so nah auf, dass ich Angst habe, er könnte mir jeden Moment reinfahren. Als ich mein Fahrzeug beschleunige, wird auch er schneller. Mein Herz rast ununterbrochen und meine Hände beginnen zu schwitzen. Ich kann mich nicht mehr auf den normalen Straßenverkehr konzentrieren da mein Blick ständig zum Rückspiegel wandert. Die nächste Ausfahrt müsste ich nehmen um meine Wohnung zu erreichen, doch ich habe Angst. Was ist wenn er mir nachfährt? Es ist eine Sackgasse. Was tu ich dann? Doch soweit kommt es gar nicht. Bei der Kreuzung biege ich ab und er fährt geradeaus an mir vorbei. Langsam biege ich um die Kurve, stelle den Motor ab und beginne wie ein kleines Kind vor mich hin zu weinen. Ich bin nicht mehr Herr der Lage. Anfangs dachte ich noch, ich würde gut damit zu Recht kommen und dass es irgendwann aufhören würde, aber die Situation spitzt sich so zu, dass ich keinen Ausweg mehr sehe. Wie soll dieses Martyrium bloß weitergehen?
Ich ging damals ein paar mal mit Jens aus, wir verbrachten ein paar nette Abende miteinander bis ich recht schnell gemerkt habe, dass aus uns nichts Ernstes werden könnte. Als ich ihm dies eines Abends sagte, ist er regelrecht ausgerastet. Er wollte es scheinbar nicht wahrhaben, hat immer wieder auf mich eingeredet. Zuerst war es Verzweiflung doch dann wurde er immer aggressiver. Er hat mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass dies scheinbar ein Fehler meinerseits wäre und dass ich diesen noch bitterböse bereuen werde. Damals nahm ich seine Worte als ein Hirngespinst hin. Eine Trotzreaktion, verletzter männlicher Stolz … man nennen es wie man wolle. Ich habe seinen Spinnereien keine Aufmerksamkeit geschenkt. Doch schon bald nach diesem besagten Treffen sollte ich eines Besseren belehrt werden. Denn Jens machte keine leeren Versprechungen. Und ich wünschte er hätte es…
Es fing eine Woche nach diesem besagten Treffen an. Ich war gerade dabei meine Arbeitsstelle zu verlassen als mich eine Kollegin darauf aufmerksam machte, dass seit geraumer Zeit ein Mann hier im Foyer auf mich wartet. Ich sah mich um, weit und breit war aber niemand zu sehen. Nichts ahnend ging ich in die Tiefgarage, wo mein Fahrzeug stand… die Reifen waren aufgestochen und auf der Fahrertür hing eine Botschaft: “Das wirst du bereuen“, stand in großen leserlichen Buchstaben auf dem Zettel. Den Schrei der aus meiner Kehle kam, konnte ich nicht steuern. Ich stand wie angewurzelt neben meinem Auto und die Tränen stiegen mir in die Augen. Das war das erste Mal, dass Jens sich in dieser Hinsicht bemerkbar machte. Es folgten etliche solcher Aktionen. Er legte mir über Nacht Überreste von Tierkadaver vor die Wohnungstür. Er passte meine Post ab. Er tauchte immer wieder bei meiner Arbeitsstelle auf. Er spionierte mir auf etlichen Internetplattformen nach und hakte sich sogar mit meinem Passwort ein. Er machte mir das Leben im Allgemeinen sehr schwierig. Und mit jeder Aktion bekam ich mehr Angst vor ihm. Er wusste wo ich wohne, wo ich arbeite, er kannte die Orte an denen ich mich befand, die Cafés die ich besuchte, die Clubs wo ich ausging.. egal wo ich war, ich fühlte mich stets verfolgt und gejagt. Er bestellte immer wieder bei Online Warenhäusern unzählige Dinge auf meinen Namen oder vergriff sich immer mehr und öfter an meinem Auto, sodass ich jeden Tag aufs Neue Angst hatte einzusteigen. Am schlimmsten waren die Anrufe. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Egal wann, egal wo ich war, er wollte immer präsent sein. Eine Zeit lang ging das alles so, bis ich schließlich am Nullpunkt angelangt war. Ich konnte nicht mehr. Ich hatte Angst das Haus zu verlassen, fühlte mich nicht einmal bei meiner Arbeit sicher bzw. nirgends wo ich alleine unterwegs war. Eines Tages nahm ich all meinen Mut zusammen und ging zur Polizei. Das Gespräch verlief alles andere als ich es mir erhofft hatte und das Ergebnis war ernüchternd: So lange nichts Schlimmes passiert, können sie nicht eingreifen. Ja verstehen die denn nicht, dass DAS ALLES schon schlimm genug für mich war? Eine Belastung? Nicht mehr tragbar? In diesem Moment fing ich an unser Rechtssystem von Grund an zu verabscheuen. Immer kommt dann erst Hilfe wenn man gar keine mehr braucht, weil es für alles schon zu spät ist. Ich war enttäuscht und wieder auf mich alleine gestellt. Wenn ich mit Freunden unterwegs war bekam ich am nächsten Tag immer Botschaften von Jens entweder an mein Auto gepickt oder direkt an meine Wohnungstür. Botschaften wie „Schlampe“, „Hure“ usw. Es war furchtbar. Und es wurde mit jedem Tag unerträglicher. Etliche Male habe ich versucht normal mit ihm zu reden, ihn zu Vernunft zu bringen aber die Polizei hat mir geraten ihn einfach zu ignorieren. So würde man Stalker am ehesten loswerden, hieß es und ich versuchte mich daran zu halten. Und so verfolgte er mich über Wochen und Monate wie ein Schatten. Nirgends fühlte ich mich sicher und unbeobachtet. Denn ich wusste, wo ich bin – da war er nicht weit. Auch nach einem Rufnummernwechsel hörte der ganze Spuk nicht auf, denn jetzt rief er ständig in der Arbeit auf meiner Firmennummer an. Er tauchte beim Einkaufen plötzlich aus dem Nichts neben mir auf, er stand stundenlang vor meiner Haustür, er war allgegenwärtig. Er trieb mir die Angst so sehr in die Knochen dass ich mir zwei Wochen am Stück Urlaub nahm und mich zu Hause verbarrikadierte. Ich verließ die Wohnung ganze zwei Wochen nicht, in der Hoffnung er würde endlich aufgeben. Doch das tat er nicht. Er war da. Jeden Tag vor meiner Haustüre. Unzählige Telefonate mit der Polizei brachten wie angenommen ohnehin Nichts. Und aus meiner anfänglichen Angst entwickelte sich Verzweiflung. Und aus der Verzweiflung entwickelte sich Wut und aus der Wut entwickelte sich schließlich wilde Entschlossenheit. Entschlossenheit diesem Kerl endlich die Stirn zu bieten. Ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Ihn öffentlich bloß zu stellen mit seinem Verhalten! Ich wollte diesen Kerl einfach nur aus meinem Leben und meinem Gedächtnis verbannen. Er hat mir Wochen und Monate meines kostbaren Lebens genommen. Er hat mich Nachts nicht schlafen lassen. Ich nahm etliche Schlaf- und Beruhigungstabletten. War ständig müde und geknickt. Er war auf dem Besten Weg Herr über MEIN Leben zu werden, doch das würde ich nicht mehr zulassen. Denn er hat schon genug angerichtet und zerstört.
Und wie ich hier in meinem Auto sitze, nach einer erneuten Verfolgungsjagd meines Peinigers, fasse ich den Entschluss dem ganzen ein Ende zu setzen. Einer von uns beiden wird den Kampf hier gewinnen und ich werde alles Menschenmögliche daran setzen, dass ich es sein werde, die zum Schluss lacht. Denn du hast mich lange genug zerstört. Du hast mich lange genug verfolgt und mein Leben zur Hölle gemacht. Du warst viel zu lange mein Schatten!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2014.
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