Sabrina Mayer

Wo bin ich?

„Endlich bist du hier!“, sagte eine raue Männerstimme erfreut aus der Ferne.
Sie klang nah und doch so fern.
Ich drehte mich herum, sah nichts, nichts außer eines leeren, weißen Raumes.
„Wer ist da?“,  fragte ich zaghaft in die Leere.
„Ich bin es! Sag erkennst du mich denn nicht mehr?“, ertönte die Männerstimme ein weiteres Mal.
„Nein! WO bist du?“ Ich drehte mich umher, konnte jedoch weiterhin nichts wahrnehmen. Noch immer der selbe weiße, leere Raum.
„Ich bin hier direkt bei dir, siehst du mich denn nicht?“
„Nein, verdammt! Ich sehe nur einen weißen, leeren Raum. Wo zur Hölle bist du?“
Ein zurückhaltendes Kichern war zu hören: „Ganz die Alte, hm?“
„Was? Wo? Haallooooo?“
Ich machte die Augen zu. Das schwarz beruhigte mich. Ich konnte dieses Weiß um mich nicht mehr ertragen. Ich bevorzugte die Dunkelheit, so wie immer.
„Okay, ich gebe dir einen Hinweis. Du wirst bald erraten wer ich bin!“
Ich presste meine Hände vor die Augen. Ich wollte jeden Schein der Helligkeit von meinen Augenlidern fernhalten.
„Fang an, ich will hier einfach nur weg.“
Ein männliches kichern war wieder zu hören.
„Aber du willst doch gar nicht weg von hier.“
„Was ist denn das >hier<?“
„Warte doch ab. Bald weißt du es. Mach die Augen auf“
„Nein es ist so weiß, fast grell. Ich ertrage das nicht“
„Vertraue mir.“
Wie sollte ich wem vertrauen, der nicht einmal zu sehen war? Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, doch irgendetwas sagte mir dem zu vertrauen, dem Folge zu leisten, schließlich war diese Stimme alles das ich in diesem Moment hatte, also musste ich ihr doch irgendwie vertrauen, oder?
„Komm schon. Ich weiß du schaffst es. Ich bin schließlich immer bei dir.“
„Immer? Was soll das denn heißen? Ich höre dich das erste Mal und ich kann dich nicht einmal sehen.“ Ich ließ einen Seufzer ertönen. Ich sollte dieser Stimme wirklich nicht vertrauen, wie konnte ich nur an soetwas denken?
Pause.
Plötzlich hörte ich ein zaghaftes  räuspern „Was hast du zu verlieren wenn du es tust? Dünkler als die Nacht die du dir ständig herbei sehnst kann es doch gar nicht mehr werden, oder?“
Nun war ich die jenige, die eine Pause machte.
Woher kam dieses Gefühl der Vertrautheit? Ich versuchte dieses wieder zu verbannen. Diese Seite war nicht sicher für mich. Also drückte ich meine Handflächen fester gegen meine Augen um jenes Licht zu vertreiben, dass sich durch die Lider zu meinen Augen vorbeischleichen wollte.
„Öffne einfach deine Augen und du wirst es wieder wissen.“
Ich rang mit mir selbst. Ich war nun neugierig geworden, in der Zeit als ich für meine Hände die beste Position suchte, und dann erklangen seine Worte wieder und durchdringten mich mit etwas, was sich wie Sehnsucht anfühlte.
Sehnsucht? Woher wusste ich überhaupt wie sich das anfühlte?
Nun war ich wirklich neugierig – wenn das so genannt wurde. Ich kannte ein paar Gefühle von Erzählungen oder Büchern. Hörte von Schuldgefühlen,  Hoffnung, Sehnsucht und alle dem aber wie es sich wirklich anfühlte, wusste ich nie, und laut den Beschreibungen war dies auch besser so. Da wo ich herkam, fühlte man nie, niemals!
„Alles Gute endet Böse.
Hoffnung wird zerbrochen.
Sehnsucht macht dich wahnsinnig.
Schuldgefühle fressen dich innerlich auf.
Schmerz ist doch alles was dir bleibt.
Deswegen ist es besser nicht zu fühlen. So wie wir es tun.“
„DU vergisst dabei die guten Dinge - mal wieder! Hoffnung kann unglaublich belebend sein, motivierend. Ganz zu schweigen von Freude, Dankbarkeit, Freundschaft und so viel mehr.
Vorallem was ist mit der Liebe? Schließlich ist das doch eines der wichtigsten Gefühle! Oder etwanicht?“,  fragte er nach einer kurzen Pause
„Was ist Liebe?“
„Du weißt was Liebe ist!“ sagte er sicher und ohne Zweifel.
„Ich habe noch nie etwas von Liebe gelesen oder gehört. Was ist das?“
„Öffne die Augen!“, sagte er fordernd.
„Nein. Ich habe doch gerade gesagt, dass wir nicht fühlen.“
„Hattest du nicht vorher Sehnsucht verspürt und auch etwas Neugier?“
„Woher weißt du das?“, ich war entsetzt. Woher wusste er das? Ich drückte meine Handflächen noch fester an meine Augen und mein Gesicht. Langsam bildeten sich winzige Sterne und andere Formen, die wirr vor meinem inneren Auge tanzten.
„Du kannst dich nicht dagegen wehren. Es wird von ganz alleine kommen!“
Diese Sterne machten mich ganz schwindelig, ich wollte das sie weg gehen, verschwinden, hier hat kein Licht etwas verloren, ich will meine verdammte Dunkelheit wieder. Meine Taubheit, mein nichts sein.
„Mach sie auf!“, und diesmal hörte ich die Stimme direkt vor mir.
Ich bekam Angst, Sehnsucht, Begierde, Hass, Schuldgefühle, alle nur denkbaren Gefühle über die ich einst las. Ich wollte schreien und weinen und toben und einfach nur lachen. Alles in diesem einen Moment.
Ich konnte fühlen.
Ich wusste es war nun an der Zeit meine Augen zu öffnen. Als ich die Hände löste und sich das grelle, weiße Licht über mich erstreckte, sah ich wie er direkt vor mir stand.
Da war er....
Ich wusste es war er, obwohl ich sein Gesicht durch das grelle Licht nicht erkennen konnte. Er war einen Kopf größer als ich. Seine männliche Statur überragte mich beinahe. Seine zauseligen Haare standen an den Seiten etwas ab. Doch das und ein freches, einzigartiges Grinsen war alles das ich erkennen konnte. Ich wollte nach ihm greifen, damit  ich ihn wenigstens fühlen konnte.
„Nein!“,  sagte er. „Warte!“, als ich die Had nach ihm ausstreckte.
Ich zog meine Hand zurück, hatte Angst ihm zu verärgern, Angst, dass er womöglich gehen würde.
„Weißt du schon wo du bist?“
„Ich bin hier“, sagte ich zögernd.
„Ich weiß, dass du hier bist. Aber was ist das hier?“
„DU!“
„Ich?“
„Du bist das hier?“
„Und was bin ich?
„Liebe?“
„War das eine Frage an mich?“
„Liebe!!!!“, schrie ich nun aus voller Überzeugung.
„Da hast du recht.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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