Andreas Dany

Hochzeitstage und andere Fallstricke (aus: Wenn Helden...)

Hochzeitstage und andere Fallstricke


Zu Hause angekommen bekomme ich von meiner Frau einen Platz auf dem Sofa zugewiesen. „Leg das Bein hoch und wage es nicht aufzustehen!“, meine nicht ganz ernst gemeinte Frage: „ Darf ich auf die Toilette, oder holst du mir ein Töpfchen?“, quittiert sie mit einem bissigen:„ Manchmal bist du schlimmer als die Kinder!“.


Ich überlege, ob ich das vielleicht als Kompliment auffassen kann, schließlich genieße ich es, für jünger gehalten zu werden, als ich bin. Ich komme dann aber doch zu dem Schluss, die Äußerung einfach nicht gehört zu haben. Das ist manchmal eine sehr gute Schutzfunktion.
„Schatz?!“, durch mein mittlerweile fast zehnminütiges Schweigen habe ich mir ja wohl das Recht erworben, meine Frau jetzt um einen kleinen Gefallen zu bitten. „ Kannst du mir bitte etwas zu trinken und den Familien-Kalender bringen?“.
„Ein Moment, wir lernen gerade Latein- Vokabeln“.
Offenbar bekommt mein Mittlerer gerade eine Latein-Lektion ins Hirn gepresst.
Ich frage lieber nicht näher nach, bin ich doch froh, mich an dieser entwürdigenden Prozedur nicht aktiv beteiligen zu müssen. Nach zehn Minuten gebe ich die endlose Warterei auf und bitte meinen Ältesten um den gleichen Gefallen. Das birgt aber gewisse Gefahren.
Seine Handlungen fallen zurzeit unter das, zumindest allen Eltern von Teens, bestens bekannte „Puber-Tierschutzgesetz“. Das äußert sich, unter anderem dadurch, dass er Dinge nur lückenhaft behält. Wenn ich ihm also zum Beispiel sage: „ Gehe bitte in den Keller und hole Tomatenmark.“, muss ich damit rechnen, dass er kurze Zeit später wiederkommt und mir antwortet: „ So, im Keller war ich, was war noch mal das Zweite?“
Er entspricht meiner Erwartungshaltung. Männer, auch die ganz jungen, sind ja so berechenbar.
„Danke für das Wasser, hast du den Kalender vergessen?“. „Welchen Kalender?“, er sagt das so, als sei ich schon etwas senil, und hätte nie einen Kalender erwähnt.
„Na den Familienkalender, der am Kühlschrank hängt.“
Er trottet widerspruchslos wieder in die Küche und kommt tatsächlich mit dem Gewünschten wieder.
„Vielen Dank!“.

„Gerne!“, er lächelt etwas übertrieben und sucht schnell das Weite, um vor weiteren Aufgaben verschont zu bleiben. Kluger Junge!
In fast jedem Familienhaushalt, den ich kenne, hängt ein derartiger Familienplaner. Seine eigentliche Aufgabe ist es, uns Männern vor Augen zu führen, dass wir die wahren Strukturen des Familienlebens noch nicht verinnerlicht haben und uns in dieser Beziehung in eine totale Abhängigkeit vom weiblichen Geschlecht bringen. Auch in unserer Familie ist es meine Frau, die mit Argusaugen darüber wacht, dass auch alle Termine dort eingetragen werden–und zwar an der richtigen Stelle.
Ich bin in dieser Beziehung eher etwas nachlässig, nutze diese Informationsquelle aber dennoch recht häufig. Manchmal auch als Ausrede, wenn ich einen Termin vergessen habe: „ … das stand ja auch gar nicht im Kalender…“.


In diesem Kalender stehen unsere Zahnarztbesuche einträchtig neben den Geburtstagseinladungen der Kinder und der aufmerksame Betrachter wird an Sportereignisse, gesellschaftliche Verpflichtungen, Jubiläen und Geburtstage von Freunden und Verwandten erinnert.
Eigentlich hatte ich nur nachschauen wollen, was ich in der nächsten Zeit so alles verpassen würde. Da trifft mich eine Eintragung wie ein Pfeil mitten ins Herz. Wenn man der Statistik glauben darf, aber das darf man natürlich keiner Statistik, können zwei Drittel aller Ehemänner meinen Schreck gut nachvollziehen. H o c h z e i t s t a g ! Dick und fett steht dieses Schreckenswort aller vergesslichen Ehemänner formatfüllend in der Spalte des morgigen Tages.

Ich wollte auf dem Weg nach Hause eigentlich noch einen Blumenstrauß besorgen. Über mein Missgeschick hatte ich das aber wieder total verdrängt. Außerdem ist „Blumenstrauß besorgen“ für mich eine verzwickte Aufgabe.
Leider bezeichnet meine Frau, die einen sehr individuellen Geschmack besitzt, achtzig Prozent aller Blumensträuße unschmeichelhaft als Riechbesen.

Die Fähigkeit, Pflanzenteile zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen, ist bei mir, wie wohl bei den meisten Männern, total unterentwickelt. Ich habe also nur eine Chance: ich muss zu einem Blumenhändler gehen, der weiß, wie ein Blumenbouquet, das meiner Frau gefallen soll, aussieht.

Bei uns in Lüneburg gibt es mindestens zweiundzwanzig verschiedene Blumengeschäfte. Dazu kommen noch dutzende Gärtnereien und Supermärkte und Tankstellen mit bereitgestellten Fertigsträußen.
Da ich zu den Ehemännern gehöre, die selten etwas Schlimmes anstellen, kaufe ich höchstens viermal im Jahr einen Blumenstrauß. Diese Tatsache an sich ist, nach Aussage meiner Frau, schon verachtungswürdig.

Als Mann folge ich einfachen Gesetzen: Wenn ich von einer Sache nichts verstehe, und das trifft auf Blumen uneingeschränkt zu, begebe ich mich zu einem Fachmann oder einer Fachfrau und lasse mich beraten. Im Idealfall schildere ich meine Anforderungen und hoffe, das fertige Produkt zu bekommen. Das funktioniert so bei den meisten käuflichen Artikeln.

Gehe ich zum Beispiel in einen Baumarkt und verlange einen Dübel, mit dem ich ein sechs Kilo schweres Bild an einer Leichtbauwand befestigen kann, dann händigt mir der Verkäufer oder die Verkäuferin das gewünschte Bauteil aus. Meist unter Nennung der entsprechenden DIN-Nummer. Kennt der Gefragte sich nicht aus, ruft er in der Regel einen Kollegen, der Bescheid weiß. Dann hilft der. Hat er den Dübel nicht auf Lager, nennt er mir eine Adresse, wo ich ihn erwerben kann, oder er bestellt das Teil.
Nicht so bei Blumen. Ich habe noch keinmal erlebt,
dass ein Florist einen Kollegen zur Hilfe geholt hat. Die „DFN“ (Deutsche Floristen Norm) gibt es auch nicht. Noch nie hat mir ein Florist gesagt: „ Heute habe ich die Blumen, die sie brauchen, leider nicht mehr frisch im Laden. Ich mache den Strauß zu morgen fertig.“

Das liegt sicher nicht daran, dass meine Beschreibung zu ungenau wäre: „Ich hätte gerne einen rund gebundenen Strauß, am besten mit Bauernrosen.“.
Das Problem ist: Ich erkenne nicht, wenn ich ein falsches Produkt bekomme–jedenfalls beim Blumenstrauß.
Bringen Sie mal einen Blumenstrauß mit der Bemerkung :„Der war falsch.“, zurück. Das Gesicht vom Floristen möchte ich sehen!
Bei Lebensmitteln könnte man noch sagen: „Entschuldigung, aber meine Frau ist Schwanger!“ Zumindest bei männlichen Verkäufern bekommt man dann, meist mit verständnisvoller Anteilnahme, alles umgetauscht! Aber Blumen kann man ja nicht essen.
Wenn mir ein Verkäufer einen falschen Dübel in die Hand drückt, reicht mein technisches Verständnis aus, um zu erkennen, dass der Artikel für meine Anforderungen ungeeignet ist.
Anders beim Blumengruß. Hier erkenne ich mein Versagen erst, wenn ich meiner Gattin den gutgemeinten Beweis meiner Liebe überreiche–also zu spät. Hier reicht es auch nicht zu beteuern, dass der Bereich „Geschmack und Ambiente“ in unserer Familie grundsätzlich von meiner Frau abgedeckt wird.

„Du hast wohl mehr auf die Floristin als auf die Floristik geachtet.“
Bei solchen Tiefschlägen beeile ich mich immer, ihr zu versichern: „Ich habe einmal im meinem Leben Geschmack bewiesen–von diesem Zeitpunkt an bist du dafür zuständig!“.
Unnötig zu erwähnen, dass ihre Äußerungen nicht dazu angetan sind mich zu ermuntern die Frequenz meiner Mitbringsel zu erhöhen!
Kurzum, mit der Tätigkeit des Blumenkaufens, und das gilt ebenso für den Erwerb von Schmuck- und Kleidungsstücken, verbinde ich keine positiven Erfahrungen.

Zu meinem großen Glück gibt es aber bei uns einen Blumenladen, der von einem schwulen Pärchen geführt wird. Die verstehen immer genau, was ich möchte. (Vielleicht achte ich ja tatsächlich sonst mehr auf die Verkäuferin als auf das Produkt?) Das erkenne ich zwar auch erst zu Hause, wenn ich das Ergebnis meiner floralen Bemühungen stolz präsentiere (also etwa viermal im Jahr). Jedoch entschädigt es mich für den Aufwand, wenn meine Frau mit dem Ergebnis hochzufrieden ist.
Leider befindet sich gerade dieser Blumenladen mitten in der Stadt und somit nie auf meinem Weg. Ich gehöre nämlich zu den Männern, die einen Motorwechsel oder Rasenmähen, dem „shoppen gehen“ eindeutig den Vorzug geben. Eine einwöchige Survivaltour durch Kanada strengt mich nicht so sehr an, wie drei Stunden einzukaufen.

Meine momentanen Reaktionsmöglichkeiten den Hochzeitstag betreffend sind von meinem Sofa aus nicht sehr umfangreich. Als Techniker gehe ich, wie ja bereits in anderem Zusammenhang beschrieben, gerne die möglichen Optionen durch.

Diese Methode zur Entscheidungsfindung in Krisensituationen kommt aus dem Training für Piloten-und Cockpit-Personal, kurz: Crew Ressource Management und nennt sich F O R D E C.
Eine Abkürzung aus: Fakten-Optionen-Risiken-Diskussion-Entscheidung-Check. Um die Wichtigkeit der Sache zu unterstützen, natürlich komplett auf Englisch!

Die Fakten liegen ja bereits auf der Hand. Der Hochzeitstag wird sich, eine nicht ernst zu nehmende Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, morgen zum fünfzehnten Mal jähren. Daran kann (und vor allem will) ich auf keinen Fall etwas ändern.

Nun zu den Optionen: Normalerweise wird bei uns ein Restaurantbesuch als geeignetes Zahlungsmittel angesehen. Nicht irgendein Restaurant, versteht sich. Aber zu meinem Glück gibt es in Lüneburg und Umgebung doch einige Küchenchefs, die den, zugegeben hohen, Anforderungen meiner Frau gerecht werden können.

Die Fähigkeit selbst in einer wildfremden Stadt das geeignete Lokal herauszusuchen, hat meine Frau übrigens von ihrem Vater geerbt, einem der besten „Portemonnaie-Köche“ Deutschlands.
Mit traumwandlerischer Sicherheit führt er uns immer wieder in die besten Speiselokale einer Stadt, auch wenn er die Stadt das erste Mal besucht. Der einzige Unterschied zwischen ihm und meiner Frau besteht darin, dass er in der Regel auch die Rechnung übernimmt. Weshalb ich meiner Frau den Titel: „Portemonnaie-Koch“ leider nicht verleihen kann.

Aufgrund meiner momentanen Bewegungsunfähigkeit wäre zurzeit aber nur die Bestellung einer Sushi-Platte möglich. Das einzige Lokal, das hierbei den Qualitätsanforderungen meiner Frau gerecht wird boykottiere ich momentan-
wegen mir erwiesener „Unfreundlichkeit“.

Eine Angestellte hatte mir die Happy-hour-Preise eine Viertelstunde vor Beginn dieser „fröhlichen Stunde“ mit der Bemerkung verwehrt, dass sie das schon wegen der anderen Kunden nicht tun könne. Obwohl das Lokal leer war.
Nachdem ich die gefühlte Ewigkeit von fünfzehn Minuten gewartet hatte, stellte sich heraus, dass die von mir gewünschten, oder besser gesagt, die von meiner Frau bestellten, Sushis gar nicht preisreduziert waren. Ich hatte also lange fünfzehn Minuten meines kostbaren Feierabends vergeblich gewartet. Wer mich kennt, weiß, dass ich in solchen Fällen äußerst bockig reagiere.
Einen derartigen Boykott kann ich über Jahre durchhalten vorausgesetzt, es handelt sich nicht um lebenswichtige Versorgungsbetriebe wie zum Beispiel Baumärkte! Dabei ist völlig unerheblich, ob ich bei der Begebenheit vielleicht eine Mitschuld oder sogar die Hauptschuld trage. Das Gefühl der ungerechten Behandlung reicht! Eine opulente Sushi- Platte ist also auch keine Option.

Die Geschichte mit einem Blumenstrauß kann ich gleich vergessen. Meine beiden Söhne haben auch kein besseres Händchen bei der Auswahl von Gemüts-Chlorophyll als ich, und meine Tochter schicke ich noch nicht ohne Begleitung in die Stadt. Also,-auch keine Option.

Ankündigung eines „Vierundzwanzigstunden- Urlaubs“–Bingo! Damit kann ich bei meiner Frau eigentlich immer punkten! Solche Ultra-Kurzurlaube machen wir in unregelmäßigen, meiner Frau zu unregelmäßigen, Abständen schon seit Jahren. Ganz ohne Kinder, am besten in ein First Class Hotel direkt in Lüneburg oder in der näheren Umgebung. Immer im Handgepäck: Massageöl, Badezusatz und Kerzen. Natürlich in ihrem Handgepäck, in meinem befinden sich unter anderem ein hochwertiges Kombinationswerkzeug und gewebeverstärktes Klebeband. Damit kann man zum Beispiel das Auseinanderrutschen von Betten prima verhindern und notwendige Kleinreparaturen unverzüglich selbst durchführen.

Die „nähere Umgebung“ hat sich in letzter Zeit nur etwas erweitert. Meine Frau hat herausgefunden, dass ein Besuch bei meinen Schwiegereltern, kombiniert mit einem solchen Urlaub, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Zum einen das leidige Babysitter- Problem (obwohl mein Ältester selbst schon ein lizensierter und begehrter Vertreter dieser Zunft ist). Zum anderen, lässt die Nachbarschaft zum Flughafen Köln-Bonn die Einschränkung „nähere Umgebung „auf fast alle europäischen Metropolen zutreffen: „Es ist doch nun egal, ob wir eine Stunde fahren oder fliegen, nicht wahr Schatz?“
Das ist sie also, die Lösung meines Problems. Eine der letzten großen Herausforderungen unserer Zeit. Eine Aufgabe, die Generationen von Ehemännern schon eiskalte Schauer über den Rücken gejagt hat. Diesem Fallstrick kann ein Mann nur durch zwei legale Arten entgehen. Entweder durch den Blick auf den Familienplaner, oder durch die Intervention einer richtig guten Sekretärin. Vorausgesetzt, die Ehefrau ist nicht seine ehemalige Sekretärin, dann nämlich steht die „Neue“ unter strengster Beobachtung.

Der Vollständigkeit halber nun noch die Risiken–es wird Geld kosten! Aber da meine Frau sehr sparsam ist, werden sich die Ausgaben in Grenzen halten. Und was sind ein paar Euros im Vergleich zu einem vorwurfsvollen „ Du liebst mich nicht mehr!“

Also nur noch das Ziel aussuchen: London, diese Stadt ist besonders in der Vorweihnachtszeit, und die beginnt in Londoner Kaufhäusern bekanntlich bereits im Herbst, immer ein gutes Ziel! Wie bereits erwartet, habe ich mit diesem Vorschlag vollen Erfolg. Den Rest des Abends kann ich mich entspannt und beruhigt wieder meinen Schmerzen hingeben.

Fortsetzung folgt....

 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Andreas Dany).
Der Beitrag wurde von Andreas Dany auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Andreas Dany als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

Baader-Meinhof [...] (eBook) von Huberti Jentsch



Hubertus Jentsch präsentiert sein Buch "Baader-Meinhof - Täter, Sympathisanten, Opfer und Andere aus der Personenanalyse und Karmabetrachtung mit den Hubertus-Systemen" als gratis Version zum Online-Lesen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Humor" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Andreas Dany

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Die Bonus Phase - Ein Leben wie eine DVD von Andreas Dany (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)
Kolumbus Aufsatz vom Karli von Margit Kvarda (Humor)
Musikunterricht á la Ganther von Norbert Wittke (Schule)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen