Christa Astl

Nur ein Teil....



 
 
Meine Bergwanderung führt seit einer Stunde durch den Wald, immer mäßig aufwärts. Es ist zwar noch kühl, doch vom Steigen ist mir warm, sodass ich mein dickes Hemd ausziehe. Dann darf ich allerdings nicht mehr stehen bleiben. Oktober ist kein Sommer!
Endlich lichtet sich der Wald, ich bin schon ziemlich hoch oben, der Inn, heute herrlich grün, liegt tief unter mir. Die Spitzen eines Bergkammes sind noch diesig grau, der Nebel hat sich noch nicht ganz gelichtet. Auf meiner Talseite ist der Himmel schon klar und blau.
 
Mein Blick erfasst das Nähere. Einige Häuser liegen unter mir, eingebettet in eine grüne Wiese, rundum der dunkle Nadelwald.
Nur den kleinen Teil des Ortes sehe ich, ohne Zusammenhang zu einem Ort, dem er angehören könnte. Welche Häuser sind es? Ein Ort, ein Teil des Ortes? Nur diese paar Häuser, keine weitere Verbindung, eine Straße verliert sich im nächsten Wald.
Ein Teil im Ganzen, ein Ortsteil, ein Weiler, nur ein paar Häuser, die scheinbar nirgends dazu gehören. Wie ein Teil eines Riesenpuzzles, das irgendwo eingeordnet gehört. Doch wo? Es fehlt der Zusammenhang, die Stelle, der man es zuordnen kann.
Eigenartig, ich kenne mich hier in der Gegend doch gut aus, bin sicher schon oft dort gewesen, vielleicht sogar in einem dieser Häuser. Doch hier, als einzelnes Teil, ohne die Beziehung zum ganzen Ort, ist dieser Weiler irgendwie im Leeren, unbekannt, nicht einzuordnen, nur ein paar Häuser. Wenn ich sehen könnte, wo die Straße hinführt, ein Ziel, einen Anhaltspunkt hätte!
Die Orientierung fällt schwer, das Einordnen dieser Häuser. Gewiss kenne ich sie, im Moment aber könnte ich nicht sagen, wohin sie gehören.
Es ist wie bei einem Puzzle, ein einziges kleines Teil kann man auch kaum auf der noch leeren Fläche richtig positionieren.
Natürlich ist meine Fläche, das Tal, auf das ich blicken könnte, nicht leer, es hat Wälder, Straßen, Orte, Berge, Himmel... doch mein Ausblick durch die Bäume ist sehr beengt, eingegrenzt, zeigt nur einen Ausschnitt, einen Teil des Ganzen. .
Ein nicht einzuordnendes Teilchen im Universum.  
Nur den einen Teil sehe ich. Das andere ist ausgeblendet. Blende ich es aus? Blenden wir nicht oft etwas aus, was wir zwar sehen könnten, aber nicht sehen wollen? Nur diesen einen Teil will ich sehen. (In diesem konkreten Fall kann ich nur den einen Teil sehen). Er steht in meiner Wahrnehmung allein, an seiner für mich richtigen Stelle. Wie aber steht er im Verhältnis zum Ganzen? Das andere ist da, vorhanden, auch wenn wir es aus unserer Wahrnehmung ausblenden (wollen).
 
Bin nicht auch ich ein solches Teilchen? Mal da, mal dort präsent, aber nirgends passend oder hingehörend?
Manchmal habe ich das Gefühl, frei zu schweben, von Winden getragen, manchmal steil abstürzend, irgendwo liegen bleibend, - bis zum nächsten Windstoß des Schicksals? Es treibt mich weiter... irgend wohin...
Es lässt mich wo ankommen, irgendwo Widerstand oder besser noch Halt spüren, wissen, hier ist jemand, eine Nähe, ein Gegenüber vielleicht? Doch kaum berührt, Kontakt aufgenommen, - vorbei - weiter - weg.
 
ChA  14.10.14

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.10.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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