Enno Ahrens

Na und II

Dieses Wochenende treibt es mich in die Kneipe, um zu erfahren, ob es Neuigkeiten im Fall des Kinderschänders gibt. Sein Bruder hockt auch wieder an der Theke. Er will immer noch seinen in Untersuchungshaft sitzenden Bruder verprügeln. Mit einer Peitsche aus Stacheldraht solle er doch auf das Gehänge des Missetäters einschlagen, empfiehlt ein Gast. Man erhofft sich so, das kleine Mädchen zu rächen.

Zur gleichen Abendstunde liegt die Missbrauchte in ihrem Bett und kann keinen Schlaf finden. Jeden Freitagabend haben der Onkel und ihr Vater in freundschaftlicher Eintracht gemeinsam ihr Bierchen getrunken. Sie weiß, dass der Onkel ihm sehr wehtun wird. Doch bei der Neunjährigen will sich kein Gefühl von Genugtuung einstellen. Sie versteht nur wenig von Moral, Schuld und Sühne. Sie möchte nicht, dass die Brüder sich entzweien. Ihren Vater liebt sie trotz allem, aber er hätte das nicht machen dürfen mit ihr. Es geschah ja auch nicht in jeder Freitagnacht, wenn er betrunken nach Hause kam. Nun macht sie sich sogar Vorwürfe, dass sie ihrer vom Vater getrennt lebenden Mutter etwas gesagt hatte, nur zaghaft und beschämt. Da habe die Mutter alles aus ihr rausbekommen und sie fühlte sich anfangs auch erleichtert. Aber nun.

In der Kneipe, der Onkel, er weiß nichts von den Emotionen und Ängsten der Kinder. Und mir kommt sein Geschwätz selbstgerecht vor. Soll ich ihm von den Kindern erzählen, und dass er gefälligst auf seine Nichte Rücksicht nehmen, er ihren Vater nicht mehr als Monster bezeichnen, sondern die Kleine trösten solle.

Nehmen wir an, der Onkel hätte mit ihr gesprochen. Wieder sehen wir ein Mädchen vor uns, in ihrem Bett liegend, aber jetzt nicht mehr beunruhigt. Es hat ihr gutgetan, als der Onkel ihr gesagt hatte, er glaube, ihr Vater sei kein bösartiger Mensch; er könne sich wahrscheinlich selber nicht erklären, was ihn von Zeit zu Zeit beherrscht; vielleicht sei er krank, und dass er ihm helfen werde davon loszukommen, wenn es möglich sei. Sie bräuchte sich nun nicht mehr sorgen, dass ihre Offenbarung an die Mutter zum Auseinanderbrechen der Freundschaft von Vater und Onkel führe. So fällt sie in einen ruhigen Schlaf.

 

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