Michael Hübner

Es geschah an einem regnerischen Herbsttag…

…als ich meine neueste Eroberung mit meinem Auto vom Bahnhof abholte. Ich hatte Klaus in einem Chatroom im Internet kennengelernt, und wir verstanden uns auf Anhieb, da wir die gleichen, für manche Menschen etwas befremdliche, Vorlieben hatten. Wir schrieben uns jeden Tag E-Mails, doch irgendwann reichte uns das nicht mehr, und so verabredeten wir uns zu einem persönlichen Treffen. Gedankenverloren, so verloren wie ein Blatt im Wind, sah ich durch die Massen der Reisenden die aus dem Zug stiegen. Ich konnte meine neueste Bekanntschaft, die ich bisher nur von Fotos kannte, zuerst nicht erblicken und ging davon aus das Klaus den Zug verpasst hatte, als mir eine feingliedrige Hand entgegengestreckt wurde. „Hallo… ich bin der Klaus!“, sprach der Besitzer der Hand etwas zögerlich. Herzhaft griff ich zu und schüttelte sie zur Begrüßung.
 
Als Klaus neben mir im Wagen saß und wir zu meinem kleinen Bauernhof fuhren, erzählte er mir zum Zeitvertrieb etwas über seinen Berufsalltag. Wie er als Bestatter die Leichen wusch, sie schön schminkte und sie dann für ihre allerletzte Reise in den Sarg legte. Danach erzählte ich noch von meinem Alltag auf meinem Bauernhof, wie ich die Kühe an die Melkmaschine anschloss, den Stall ausfegte oder den Hühnern die Eier entwendete. Innig vertieft in unser Gespräch, kamen wir bei meinem Bauernhof an.
 
Als wir die Türschwelle überschritten, übermannte uns sofort die fleischliche Lust mit aller Macht. Wild knutschend stürzten wir in mein Schlafzimmer und dann auf mein Bett. Klaus drehte sich auf den Bauch und stöhnte voller animalischer Wollust: „Komm schon… ramm dein Ding in mich rein! Ich brauch es… jetzt sofort!“ Ohne zu zögern zog ich mein Messer unter dem Kissen hervor und rammte es Klaus in den Hals. Blut spritzte aus der zerfetzten Halsschlagader und mir mitten ins Gesicht, was mich sehr erregte. Wie ich es bisher immer tat, stellte ich dem Sterbenden die für mich wichtigste Frage aller Fragen: „Was siehst du?“ Und wie bei allen anderen meiner Abschlachtkameraden fiel die Antwort für mich ernüchternd aus. „Ich sehe nichts… Absolut nichts…“, sagte Klaus unter röcheln aus, bevor er in meinen Armen starb.
 
Nachdenklich hängte ich Klaus zum ausbluten an den Fleischerhaken. Wieso erzählten so viele Menschen auf der Schwelle des Todes von einem hellen Licht? Und Warum sagten die  ganzen Menschen, die ich bisher abschlachtete, nichts davon aus. Lag das vielleicht daran das diese Menschen so vom Selbsthass zerfressen waren, das sich Gott voll Ekel von ihnen abgewendet hatte und ihnen keinen Einlass in sein Paradies gewehrte?  Was würde ich kurz vor meinem Lebensende erblicken? Nach der Kirche war ich durch meine Morde einer, der auf ewig Verdammt war, auch wenn meine Opfer auf verlangen sterben wollten. Würde ich für meine Taten in der Hölle schmoren? Ich wusste es nicht! Ich entschied mich einfach dafür mich überraschen zu lassen. Schließlich kann ein Kannibale nicht aus seiner Haut… Ha, Ha… Was für ein Wortspiel, nachdem ich Klaus aus seiner geholfen habe… Aber egal, ich würde mir das volle Leben einfach schmecken lassen. Bissen für Bissen und Happen für Happen…   

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.11.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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