Horst Werner Bracker

. . . das Mädchen auf der Düne

 

 .  .  .  sehnsucht nach der blaue Blume

Wenn ich des Morgens erwachte und auf die Terrasse trat, um nach dem Wetter zu schauen, viel mein Blick auf ein Mädchen, das seit fünf Tagen allmorgendlich reglos auf einer Düne saß.
Die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, saß sie reglos da. Das Licht der frühen Morgensonne vergoldete ihre Silhouette, die sich scharf, vom lilablauen Horizont abhob, und verriet mir, dass sie schlank, jung und wohl auch schön war. Sie wandte mir ihren Rücken zu. Ihre blonden Haare fielen in großer Fülle von ihren schmalen Schultern herab und waren so lang, dass mir schien, sie berührten den Dünensand.
Wie eine erhöht aufgestellte, goldene Statue, voller Anmut und Schönheit begrüßte sie  mich nun schon zum fünften Male mit ihrer allegorischen, goldenen und doch realen Erscheinung.
Wer war sie?
Woher kam sie?
Warum saß sie immer allein auf der gleichen Düne an gleicher Stelle?
Machte sie Urlaub wie ich?
Der Urlaub, der laue Sommerwind, der azurblaue Himmel und das ewige Rauschen des Meeres, beförderten überbordende, romantische Gefühle in mir. Gefühle, die einem pubertierenden Jüngling verzeihlich zugestanden werden, könnte aber einen sechzigjährigen Mann der Lächerlichkeit preisgab. Doch so sehr ich mich meinen Gefühlen, die einem Phantom galten auch bewusst war, mein Interesse an dem geheimnisvollen „Goldenen“ Mädchen war geweckt, und zwar mit einer solchen Intensität, dass meine Gedanken nur um sie kreisten.

Das ewige Suchen, die andauernd währende Sehnsucht des Menschen nach der geheimnisvollen „Blauen Blume“, hatte mich gepackt und schlug mich wie in Ketten gefesselt, in ihren Bann.
Sehnsucht erfüllte mein Herz. Sehnsucht nach Liebe, Schönheit und harmonischer Zweisamkeit. Wo nicht die körperliche Lust die Mitte ausfüllte, sondern die zärtliche Berührung des Geistes, wo schöne Worte, die Stille füllen. Wo, wie in Andacht, die Arme sich in inniger Liebe umschließen und nur dem Glücke des Augenblicks nahe sein will. Keine  Egoismen sollen die allegorischen Glücksempfindungen stören und die göttliche Reinheit des flüchtigen Augenblicks in Ewigkeit dehnen. Endorphine, Oxytocin, Dopamin und Serotonin hatten mein Hirn überflutet und steigerten meine Sehnsüchte nach der „Blauen Blume“ ins unermessliche und nahm geradezu pathogene Züge an.

Am fünften Morgen stellte ich einen zweiten Stuhl am Frühstückstisch auf die Terrasse und ein zweites Gedeck auf den Terassen Tisch. Nachdem alles zu meiner Zufriedenheit gerichtet war, machte ich eine freundliche Handbewegung und sagte mit leiser Stimme: „Bitte nimm doch Platz!“ Ich goss Kaffee in die Tassen, schnitt ein Brötchen in zwei Hälften, bestrich sie mit Butter und Marmelade, legte alles auf einen Teller: „Lass es dich schmecken!“, sagte ich und nickte freundlich lächelnd mit dem Kopfe. Und während ich all dies sagte und tat, durchflutete mein Herz ein zufriedenes Glücksgefühl. Lange Zeit war ich nicht, wie an diesen fünften Tag, mit meinem Schicksal so zufrieden, wie heute. So ging es weiter bis zum achten Tag.
Als ich am achten Tag auf die Terrasse trat, hatte sich See Nebel über das Meer und den Dünen gelegt. Meer und Dünen lagen wie ortsversetzt, in einem unwirklichen, milchigen Licht.

Die Düne, wo siebenmal das goldene Mädchen gesessen, war leer. Auch am neunten und zehnten Tag blieb die Düne verweist. Das Mädchen blieb verschwunden. An dem Platz,- wo das Mädchen gesessen, fand ich einen zusammengerollten, duftenden, rosa Brief, zusammengehalten mit einer weißen Schleife, mit
blauen Kornblumen!
Was drinsteht? Ich weiß es nicht,- ich habe den Brief nie geöffnet!
Noch heute steht er, seinem Geheimnis nicht beraubt, in meinem Arbeitszimmer!

Wo ich auch saß, wo ich auch lief,
Selbst,- wenn ich nachts im Bette schlief,
Hab‘  selbst im Traume in der Nacht,-
Steht‘s an die Blaue Blume nur gedacht.

7.12.2014

 

***

 

 . . .das  Mädchen auf der Düne (II)

Wenn Robert des Morgens erwachte und auf die Terrasse trat, um nach dem Wetter zu schauen, viel sein Blick auf ein Mädchen, das seit fünf Tagen allmorgendlich reglos auf einer Düne saß.
Die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, saß sie reglos da. Das Licht der frühen Morgensonne vergoldete ihre Silhouette, die sich scharf, vom lilablauen Horizont abhob, und verriet ihm, dass sie schlank, jung und wohl auch schön war. Sie wandte Robert den Rücken zu. Ihre blonden Haare fielen in großer Fülle von ihren schmalen Schultern herab und waren so lang, dass ihm schien, sie berührten den Dünensand.
Wie eine erhöht aufgestellte, goldene Statue, voller Anmut und Schönheit begrüßte sie ihn nun schon zum fünften Male mit ihrer allegorischen, goldenen und doch realen Erscheinung.
Wer war sie?
Woher kam sie?
Warum saß sie immer allein auf der gleichen Düne an gleicher Stelle?
„Machte sie Urlaub wie ich?“, dachte Robert.
Der Urlaub, der laue Sommerwind, der azurblaue Himmel und das Rauschen des Meeres, beförderten überbordende, romantische Gefühle in ihm. Gefühle, die einem pubertierenden Jüngling verzeihlich zugestanden werden, könnte aber einen sechzigjährigen Mann der Lächerlichkeit preisgab! Doch so sehr er sich seinen Gefühlen, die einem Phantom galten, auch bewusst war, sein Interesse an dem geheimnisvollen „Goldenen“ Mädchen war geweckt, und zwar mit einer solchen Intensität, dass seine Gedanken nur um sie kreisten.

Das ewige Suchen, die andauernd währende Sehnsucht des Menschen nach der geheimnisvollen „Blauen Blume“, hatte ihn gepackt und schlug ihn, wie in Ketten gefesselt, in ihren Bann.
Sehnsucht erfüllte sein Herz. Sehnsucht nach Liebe, Schönheit und harmonischer Zweisamkeit. Wo nicht die fleischliche Lust die Mitte ausfüllte, sondern die zärtliche Berührung des Geistes, wo schöne Worte die Stille füllen. Wo, wie in Andacht,- die Arme sich in inniger Liebe umschließen und nur dem Glücke des Augenblicks, nahe zu sein. Keine Egoismen sollen die allegorischen Glücksempfindungen stören und die göttliche Reinheit des flüchtigen Augenblicks in Ewigkeit dehnen. Endorphine, Oxytocin, Dopamin und Serotonin hatten sein Hirn überflutet und steigerten seine Sehnsüchte nach der „Blauen Blume“ ins unermessliche und nahm geradezu pathogene Züge an.

Am fünften Morgen hatte Robert einen zweiten Stuhl am Frühstückstisch auf die Terrasse gestellt und ein zweites Gedeck auf den Terrassentisch gestellt. Nachdem alles zu seiner Zufriedenheit gerichtet war, machte er eine freundliche Handbewegung und sagte mit leiser Stimme: „Bitte nimm doch Platz!“ Er goss Kaffee ein, schnitt ein Brötchen in zwei Hälften, bestrich sie mit Butter und Marmelade legte alles auf einen Teller: „Lass es dich schmecken!“, sagte er und nickte freundlich lächelnd mit dem Kopfe. Und während er all dies sagte und tat, durchflutete sein Herz ein zufriedenes Glücksgefühl. Langezeit nicht, wie an diesen fünften Tag, war er mit seinem Schicksal so zufrieden, wie heute. So ging es weiter bis zum achten Tag.
Als Robert am achten Tag auf die Terrasse trat, hatte sich See Nebel über das Meer und den Dünen gelegt. Meer und Dünen lagen wie ortsversetzt, in einem unwirklichen, milchigen Licht.

Die Düne, wo sieben Mal das goldene Mädchen gesessen, war leer. Auch am neunten und zehnten Tag blieb die Düne verweist. Das Mädchen blieb verschwunden. An dem Platz,- wo das Mädchen gesessen, fand Robert einen zusammengerollten, duftenden, rosa Brief, zusammengehalten mit einer weißen Schleife, mit blauen Kornblumen!
Was drinsteht? Weiß er nicht,- er hatte den Brief nie geöffnet!
Noch heute steht er, - seinem Geheimnis nicht beraubt, in seinem Arbeitszimmer!
                                                                   ***

Wo ich auch saß, wo ich auch lief,
Selbst,- wenn ich nachts im Bette schlief,
Hab‘ selbst im Traume in der Nacht,-
Steht‘s an die Blaue Blume nur gedacht.

7.12.2014

 

 

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