Andreas Rüdig

Eroberung der Claudia

Sind Frauen leicht zu verführen? Eine interessante Frage. Erfahrungen habe ich keine damit; ich war ja schließlich noch nie verliebt. Doch bei Claudia (manchmal auch scherzhaft „Klaudida“ genannt) ist das alles ganz anders.

Ich habe mich rasend und unsterblich in sie verguckt. Ihr hübsches Gesicht und ihre ansprechende Figur haben es mir sehr angetan. Doch wie erobere ich sie? Womit verführe ich sie? Diese beiden Fragen sind nun von zentraler Bedeutung für mich.

Soll ich es wie Tarzan machen - mich also nur mit einem Lendenschurz bekleiden, einen Schlachtruf lauthals ausstoßen und mich mittels Liane von Baum zu Baum schwingen? Nein. Mir ist da eine bessere Lösung eingefallen.

Ich habe da ein schnuckeliges, kleines und vor allem gemütliches Baumhaus in meinem Garten. Ich werde Claudia dort hinlocken und ein romatisches Kerzenschein-Abendessen veranstalten.

Ein wenig Schokolade dürfte ausreichen, sie zu veranlassen, in meinen Garten zu kommen. Eine bequeme Strickleiter wird ihr helfen, den Baumwipfel zu erklimmen. Ein reichlich gedeckter Tisch wird sie dann in die richtige Stimmung für Bettgymnastik bringen.

„Claudia, mein Schatz, schon mal, was ich hier habe.“

„Oh, Gandolf, Herzallerliebster, du hast wirklich die ganz teure Weiden-Schokolade für mich gekauft? Nur für mich? Das finde ich ja toll.“

(in Gedanken: Na ja, ein bißchen wollte ich auch davon abhaben.)

„Wenn du mit mir in mein Baumhaus kommst, zeige ich dir noch viel mehr süße Köstlichkeiten.“

Gesagt, getan. Claudia kommt zu mir in mein Baumhaus. Und damit nahm die Katastrophe auch schon ihren Lauf. Ich wohne am Niederrhein, müssen Sie wissen, in Niederkrüchtenbach, um genau zu sein. Und der Niederrhein ist die Heimat der Krüppenweiden.

Mein Baumhaus ist auf einer solchen Krüppelweide angebracht. Klar: Ein supergutes Versteck ist das nicht. Die Schwiegermutter sieht auf den ersten Blick, ob man da ist oder nicht. Besser als nichts ist es aber trotzdem.

Sag mal, Gandolf, du verheimlichst mir doch etwas. Oder?

Aber Claudia, mein Turteltäubchen, wie kommst du denn darauf?

Schau doch mal hier im Boden. Hier ist ein Loch, das zugestopft ist. Was sich wohl darin befindet?

Nichts, meine Teuerste, nichts, nur ein Hohlraum.

Hmmm. (Tritt darauf) Seltsam. Es hört sich aber gar nicht hohl an. Es scheint mir so, als ob etwas darin wäre.

Halt, Claudia, was machst du da...?

Claudia hat sich ganz schnell gebückt und den Deckel geöffnet. Sie findet den Schokoladenvorrat, der in dem innen völlig hohlen Baumstamm gelagert ist. Die Schokolade stellt sicher, daß der Baum nicht auseinander bricht - Stamm und Schokolade sind also eine gute Stütze für mein Baumhaus.

Und was macht Claudia? Sie nimmt jede Menge Tafeln, stopft sie in ihre Jacke und sonstigen Taschen, stürzt sich hinaus und entflieht eilends, nicht bedenkend, daß mein Baumhaus ins Schwanken gerät, der Baum mit einem lauten Krachen umknickt, das Baumhaus auf der Seite landet und auseinanderfällt.

Oh Claudia, wie kann man nur so gefräßig sein, daß man damit die Wohnung des geliebten Menschen zerstört???

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.12.2014. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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