Vater unser, der Du bist im Himmel,
Lass einen greisen Mann in Deinem Namen sprechen, Deinen Glauben verbreiten und Dein Volk führen, auch wenn sein Blick auf diese von Dir erschaffene Welt getrübt ist.
Nicht wahrhaben will er jene Krankheit, deren Opfer schon Millionen Menschen geworden sind und
die sich voller tödlicher Heimtücke hinter der Liebe versteckt.
Seine Worte verdammen den Schutz vor jener Seuche, fordern dazu auf, dass sich Deine Kinder mehren, auch wenn die Pestilenz dadurch weiter um sich greifen kann.
So werden weiterhin Abertausende von frischen Gräbern ausgehoben, Deine Worte zum Troste gesprochen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was der alte Mann angerichtet hat.
Geheiligt werde Dein Name,
Dein Glaube, Dein Wort, für das schon so viele Mensche ihre Leben gelassen haben, egal ob gläubig oder ungläubig.
Aber dies kann ja nur in Deinem Sinne sein, da auch Du genug Blut vergossen und Leben ausgelöscht hast, um Dein Wort in die Welt hinauszutragen.
Allen Erstgeborenen hast du den Tod und deren Müttern das Grauen gebracht, die leblosen Leiber ihrer Kinder vorzufinden, nur um Deinem Volk die Freiheit zu geben.
Und damit dies nicht vergessen werden mag, hast Du es in der Heilligen Schrift, die von Deinen grossen Taten berichtet, niederschreiben lassen.
So dass jeder wisse, dass jeder Tod, jedes vergossene Blut und jeder zugefügte Schmerz in Deinem Namen es der Wert ist, da auch Du vor keinem Menschenleben, keinem Kinderleben Halt gemacht hast.
Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden.
So ist es Dein Wille, dass ein Vater am Grabe seines 12 Jahre alten Sohnes weint, sich mit der Frage quält, wieso gerade sein eigen Fleisch und Blut in jenem Feuergefecht von einer Kugel getroffen wurde.
Und dies, obwohl er sich schützend vor ihn geworfen hatte, seinen Körper fest gegen den seines in Todesangst weinenden Sohnes gepresst hat.
Doch es war sinnlos, da eine Kugel, von Deinem Willen gelenkt, den Kopf des Jungen durchschlug und das Weinen zum Verklingen brachte.
Was soll man jenem Vater sagen, worin der Sinn des Todes seines Sohnes liegt, außer dass Dein Wille, Deine Wege wahrlich unergründlich und nicht in Worte zu fassen sind.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
Und lass uns jene vergessen, die Hunger leiden, deren Körper ausgezehrt und zum Sterben verdammt sind, denn auch dies kann, wie alles auf dieser Welt, nur Deinem Willen, Deinem Sinn entspringen.
Geld wollen wir spenden an Deinen Glauben, an Deine Fürsprecher, die unter uns wandeln und deren Bäuche wohlgenährt, von einem Leben ohne Sorgen sind.
Lass uns, um Dich zu Ehren, noch mehr Gotteshäuser bauen, das innere mit Gold und edlem Material versehen und schwere Glocken hoch in den Turme ziehen.
So dass an jenem Tag, an deinem Tag der Ruhe, der Klang der Glocken, der Glanz Deiner Häuser alles überflügeln mag, auch die toten Leiber derer, die Hunger hatten.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unser'n Schuldigern
Wie jene, die das Kleid des Priesters tragen, Deine Worte predigen und dennoch, von einer perversen Lust getrieben, die Hand gegen die Kinder Deiner Kinder erheben.
Sich, mit Gedanken voller verbotener Lust, den jungen noch unschuldigen Körpern nähern und sich dennoch dem bedingungslosen Vertrauen der Leute sicher sein können.
Und an jenem Tag, an dem das Tabu gebrochen wird, ein Kindesmund das erzählt, was alle so lange schon vermuteten oder gar wussten.
An jenem Tag wird eine Gewissheit aus dem Herzen Deines Dieners nicht weichen, nämlich dass ihm vergeben wird, nicht von den Leuten oder gar von Dir, sondern von Deiner Kirche.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen
Erlöse uns von der Intoleranz Deiner Prediger, lass uns die Kunst eines offenen und ungetrübten Blickes auf die Dinge dieser Welt wiederentdecken.
Lass uns alle Menschen akzeptieren, auch wenn ihr Glaube Dich nicht als ihren Gott ansieht und in Deiner Schrift geschrieben steht, dass kein anderer neben Dir existieren darf.
Lerne mit uns, dass jede Religion, jede Schrift des Glaubens sein Recht auf ein Bestehen hat, dass es keinen einzig wahren Glauben geben kann.
Denn nur so können wir vom Bösen erlöst werden, von jenem Wahn der Intoleranz, der schon so viel Krieg und Leid über die Menschheit gebracht hat.
Denn Dein ist das Reich. Und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit
Und lass uns alle dafür beten, dass Dein Reich besser ist als jene Erde, die Deinem Willen entsprungen ist und nach Deinem Sinne sich dreht und wandelt.
Lass und hoffen, dass es dort keine Kriege, keine Frauen- oder Kinderschändung, keine Pestilenz der Liebe, keinen Hunger, keine Intoleranz oder gar Verurteilung wegen eines andern Glaubens geben mag.
All dies wollen wir in Deinem Reich missen, so dass unsere Herzen rein und frei von Furcht und Hass gedeihen können.
Und dennoch frag ich mich, wenn die Welt nach Deinem Willen lebt, durch Deinen Wille entstanden ist, wieso müssen wir all diese Grausamkeiten erleiden, wieso ist es Dein Wille, dass es dies alles gibt?
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Nando Hungerbühler).
Der Beitrag wurde von Nando Hungerbühler auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.05.2003.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
Nando Hungerbühler als Lieblingsautor markieren
In der Stille
von Flora von Bistram
Viele sanft anmutende Geschichten und Gedichte sowie Gedankengänge von der Autorin Flora von Bistram, die dieses schöne Buch für die Besinnung geschrieben hat.
Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!
Vorheriger Titel Nächster Titel
Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:
Diesen Beitrag empfehlen: