Thomas Kleinrensing

Selbstgespräch Nr. 04

Auch wenn um mich herum alles in der Jetztzeit einem Kauf- und Glühweinrausch verfallen zu seien scheint, steckt mir der Herbst noch in den Knochen, so wie mir der Winter schon in den Wollsocken. Obwohl der Herbst in diesem Jahr eigentlich ein stetiger Spätsommer war, von den Temperaturen her. Und heute im unlängst gestarteten Winter ist der nette Mann Herbst wieder aufgetaucht, nur nicht so melancholisch bunt. Natürlich könnte der Herbst auch eine Frau sein. Ich wollte jetzt niemanden im Fettnapf treten. Ich sag ja mittlerweile immer als Entschuldigung, dass Frau Herbst für mich der schönste Mann unter den Geschlechtern der Jahreszeiten ist.

Frau Herbst ist wie aus einem Second-Hand-Laden. Etwas angesetzter Staub hier, etwas Patina da, gedeckte Farben und der Geruch nach Oma Ännes Kochwäsche auf den Leinen im Hof. Sie ist wie der Ohrensessel in der Stube, überzogen mit gewichtigem Brokat. Überall diese Farben im Licht die kaum ein Maler auf der Leinwand halten kann, so schwer kommen die daher. Olivgrün, altrosa, blaugrau bis hin zum Violett, versprengtes Braun und gesetztes Sattrot. Frau Herbst ist schon in den Jahren, grau meliert aber noch rosa Wangen. Grün ist die Hoffnung. Oliv ist der Geschmack im Mund und den Kern spucken wir wieder aus.

Die wundervollen Tage die Frau Herbst uns schenkt, die müssen wir uns regelrecht ergaunern, der Geschichte abluchsen. Die Welt ist aber auch dann nicht besser als im Sommer oder Winter. Die Geschichte ist und wird nicht verträglicher. Vom Frühling ganz zu schweigen. Dieser ist genauso schlimm wie die anderen. Aber zudem schlägt die jünglinghafte Jungfer Frühling unvermittelt aus, während Estrogen und Androgen sich verhaken.

Die Geschichte hat gelehrt, dass wir uns die Zeit aus dem Lauf der Dinge von Frau Herbst erschleichen müssen und können, bei stillen Spaziergängen. Etliche werden dann melancholisch, einige sogar melancholerisch. Ob das an der Schwere der Farben oder der silbrigen Luft liegt, mag man nicht ergründen, schon gar nicht auf den Wanderungen. Und die Geschichte fragt sich ganz aufgeregt, was mit dem Menschen los ist, sie wird richtig ungehalten. Ärgert sich über uns und das wir nicht mehr mitmachen, einfach im stillen Farbengarten von der Herbst spazieren geht.

Ich lass dann die Geschichte vor der Tür stehen. Bin einfach nicht zuhause, sie kann mich mal kreuzweise wenn sie mir den Buckel hinabgerutscht ist, die Geschichte. Und die Geschichte hämmert gegen die Tür, braust und ist tief böse. Denn diese Jahreszeit war und ist bis heute die Hochzeit für allerlei Revolutionen und Aufruhr. Die Geschichte tobt und schlägt Seite um Seite in den fetten Folianten auf. Doch ich habe dann keine Lust mehr, gehe spazieren, werde nicht melancholisch aber nachdenklich und etwas müde, ob der ganzen Geschichte, denke ich. Es kann aber auch an der silbrigen Luft und der Schwere der Farben liegen. Und ich freu mich dann immer meines bisschen Lebens in dieser großen siechenden Welt, weil Frau Herbst auch so schön trösten kann.

22.12.2014
Der Tom
www-tom-kleinrensing.de

   

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