Irene Beddies

Bertas großer Tag



Berta war ganz aufgeregt. Paolo hatte Geburtstag. Es sollte am Nachmittag eine Party mit seinen Schulfreunden stattfinden.
„Was ist eine Paaty?“, fragte Berta plötzlich ihre Mutter Greta in der Küche.
„Eine Party ist ein Fest. Heute kommen Paolos Klassenkameraden. Jan, der Nachbarjunge, auch. Dann gibt es Kuchen, hinterher Spiele im Garten.“
Greta nahm Papierservietten, Pappteller, Plastikbecher, dazu bunte Strohhalme aus dem obersten Fach des Küchenschranks.
„O, darf ich ein Rohr? Das rote?“
Greta lachte, sie gab Berta den gewünschten Strohhalm.
„Warum sind die Teller aus Papier? Warum nimmst du nicht unsere Gläser?“, wollte die neugierige Berta nun wissen.
„Ach Bertalein, bei so vielen Kindern müsste ich stundenlang abwaschen. So kann ich alles nach dem Essen in die blaue Mülltüte tun und in den Keller stellen, bis die Müllabfuhr kommt.“
Die Mutter setzte nun die verschiedenen Kuchen auf Platten, mischte Saft mit ein wenig Wasser in die großen Kannen.  Sie bereitete schon einmal den Kakao vor.
Dann ging sie in den Garten. Berta folgte ihr. Prüfend schaute Mama zum Himmel. Der war wolkenlos.
„Da kann gar nichts passieren“, stellte sie zufrieden fest.
Berta schaute ebenfalls in den Himmel. Sie beobachtete die Krähenschar, die jeden Tag ihre Runde über dem Garten drehte. Was wollten die Vögel bloß immer? Aber Mama wusste das auch nicht, so fragte sie nicht mehr.
 
Am Nachmittag kamen drei Jungen, zwei Mädchen und Jan nacheinander an. Sie wurden von Mira empfangen, die sich am Gartentürchen postiert hatte.
Die Gäste brachten Geschenke mit. Berta stand natürlich am dichtesten bei Paolo, um ja nicht ein Geschenk zu verpassen, das ihm überreicht wurde. Am liebsten hätte sie alles selbst ausgewickelt. Die Geschenke waren allerdings nicht nach ihrem Geschmack. Paolo bekam Autos, einen ganz besonders glänzenden Kugelschreiber, ein hölzernes Ritterschwert…alles Dinge, die ein kleines Mädchen nicht interessieren konnten. Kein Kuscheltier, keinen Ball, kein Puppenkleid! …Enttäuscht wandte sich Berta um. Sie lief zum Tisch, auf dem alles schön gedeckt war.
Ihr Blick fiel auf die große Geburtstagstorte, die sie noch nicht gesehen hatte.
Kerzen brannten auf ihr, sie war mit Marienkäfern geschmückt. Welch eine Überraschung!
Mit dem Finger im Mund starrte sie auf das süße Kunstwerk und überlegte mit kraus gezogener Stirn, ob etwa zwei Tortenstücke für jeden da waren.
„Alle bitte herkommen! Die Kuchenschlacht kann beginnen!“, rief Greta laut.
So versammelten sich die Kinder um den Tisch, langten tüchtig zu.
Dann wollten sie spielen.
Sie versteckten sich bis auf Mira. Mira musste sie alle suchen.
Berta spielte nicht mit. Sie sah eine Weile zu. Dann schlenderte sie wieder an den gedeckten Tisch. Gerade, als sie sich noch ein übrig gebliebenes Tortenstück schnappte, geschah es. Zwei der Kerzen steckten noch brennend in den  übrig gebliebenen Tortenstücken. Langsam neigte sich eine zur Seite, denn das Stück, das Berta sich auf den Teller gehäuft hatte, stützte sie nicht mehr. Der brennende Kerzenstummel fiel auf eine Papierserviette. Sie fing sofort Feuer in einer großen Flamme.
Wie erschrak Berta! Sie schrie laut und wollte wegrennen. Dabei stieß sie einen fast vollen Becher mit Saft um. Es zischte, ein Teil der Flammen erlosch. Verwundert schaute Berta hin. Das Feuer breitete sich nun auf der Papiertischdecke aus. Da nahm Berta, ohne nachzudenken, die halbvolle Kanne mit Kakao und goss sie mit Schwung über die Flammen. Qualm stieg auf, die anderen Kinder kamen gelaufen.
Paolo erschrak gewaltig. Als keine neuen Flammen aufloderten, sah er Berta an.
„Du hast uns gerettet“, stotterte er ungläubig, „kann man sich das vorstellen? Meine kleine Schwester hat es gemacht wie die Feuerwehr.“
 
Greta kam aus dem Haus gestürzt, als plötzliche Stille eingetreten war. Mit einem Blick erkannte sie, welcher Gefahr die Kinder ausgesetzt gewesen waren.
„Wer hat…“, alle zugleich riefen: „Berta! Berta war die Feuerwehr!“
 Paolo setzte hinzu: „welch eine Heldentat!“
Berta musste erzählen. Sie genoss es, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen. Sie sagte nichts darüber, was sie am Tisch gewollt hatte. Greta sah ihr ins Gesicht, dann auf den Tisch, auf dem ein Pappteller mit einem Stück der Torte  stand. Sie schaute Berta in die Augen, kniff ihr linkes Auge zu und grinste.
Am Abend, als Papa Klaus auch zu Hause war, wurden die Jungen von ihm, die Mädchen von Mama nach Hause begleitet. Die ganzen Wege durfte Berta stolz auf den Schultern ihres Vaters thronen.
 
 
© I. Beddies


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.01.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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