Jetzt im Winter scheint die blasse Sonne das Berliner Zimmer gerne zu vergessen. Nur so ist es zu erklären, dass sich das Zimmer den ganzen Tag in einem Dämmerzustand befindet. Alles Mobiliar hält Winterschlaf. Nur das Geräusch, das das hin und her schwingende Pendel der alten Wanduhr verursacht, lässt an Wachheit glauben.
Betritt ein Familienmitglied in der dunklen Jahreszeit das Zimmer, muss es die Deckenbeleuchtung einschalten. Die fünf Glühlampen, die sich unter vergilbte Lampenschirme versteckt halten, werfen Schatten. Sie werfen über die gesamte Länge und Breite der Decke Schatten die senkrecht an den Wänden herunterkriechen. In Fensternähe verblasst das diabolische Schattenspiel. Das für ein Berliner Zimmer typische Eckfenster ist dann doch Lichtquelle genug, um die magischen Schatten aufzulösen. Der Blick aus dem Fenster kann im Winter nur als trist und kaum lohnenswert bezeichnet werden. Ein Hof, eingequetscht von zwei vierstöckigen Quergebäuden und zwei Seitenflügeln, dem nochmals zwei von Gebäudeteilen umbaute Höfe folgen, lassen nur einen stark begrenzten freien Blick zu. Nicht zu übersehen sind die großen Putzschäden an den Fassaden. Das freigelegte Mauerwerk wirkt wie nicht behandelte Wunden. Große bedrohlich aussehende Putzrisse ziehen sich wie Narben über die Wandflächen und lassen die Häuser zusätzlich krank erscheinen. Der Krieg hat auch hier seine Schäden hinterlassen. Die Blumenkästen, die einige Mieter vor ihren Fenstern angebracht haben, sind leer. Einige Mieter haben Tannengrün in die Kästen hineingesteckt, und lassen dadurch das triste Häusergrau etwas bunter erscheinen. Andere Mieter bewahren in den Kästen Lebensmittel auf, um sie länger frisch zu halten.
Der einzige Baum, der neben den Mülltonnen und der Klopfstange steht, ist kahl und sieht von oben betrachtet jämmerlich aus. Kinder spielen in dieser Jahreszeit nicht, oder nur sehr selten, auf dem Hof. Auch wir, meine Schwester und ich halten uns in der kalten Jahreszeit mehr in der Einzimmerwohnung auf. In dem Berliner-Zimmer steht in der gegenüberliegenden Ecke zum Fenster, der alte, bis fast zur Decke ragende, weiß gekachelte Ofen. Geheizt, von der Mutter, ist er eine gerne aufgesuchte Wärmequelle. Meine Schwester hat vor dem Ofen ihre Puppenstube aufgebaut und ich gleich daneben meinen Kaufmannsladen. Im Spiel versunken, vergessen wir, dass der Vater es nicht gerne sieht, wenn wir zum Spielen das Licht einschalten. Es passiert, dass er das Licht ausknipst, und wir aus unseren Kinderspielträumen herausgerissen werden. Meiner Schwester und mir bleibt nichts anderes übrig, als mit der Puppenstube und dem Kaufmannsladen in Fensternähe zu rücken, auf die Ofenwärme weitgehend zu verzichten, und das letzte Tageslicht für unser Mutter-Vater-Kind-Spiel zu nutzen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.01.2015.
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