Christiane Mielck-Retzdorff

Reiterinnen und Rittmeister



 
Viele Eltern von weiblichem Nachwuchs sehen sich eines Tages mit der Forderung konfrontiert:
 „Ich will ein Pferd.“
Unverständige Väter in Großstadtwohnungen argumentieren dann erbost:
„So ein Gaul passt gar nicht in den Fahrstuhl, der sowieso ständig kaputt ist.“
Andere versprechen den Kauf eines Stofftieres dieser Gattung, was zu unkontrollierten Trotzhandlungen der Kleinen führt oder zu hysterischen Heulkrämpfen. Die wahrhaft diplomatischen Eltern empfehlen erstmal den Besuch einer Reitschule in der Hoffnung, dass sich damit der Wunsch ganz von allein erledigen werde.
Das ist aber oft ein Irrglaube. Plötzlich kennt ihre Tochter kein anderes Thema als Pferde mehr, begeistert sich für Fachliteratur über das Reiten und stellt ihren Freundinnenkreis komplett auf Gleichgesinnte um. Das Wichtigste in ihrem Leben hat vier Beine, Mähne und Schweif, und eine großartige Karriere als Reiterin steht ihr bevor. Jede verbale Gegenwehr der Eltern, Anregungen für andere Sportarten oder Hobbys ist zwecklos. Gleichzeitig tut sich ein finanzielles Fass ohne Boden auf, wollen sie die Liebe ihrer Tochter nicht verlieren.
Der Vater, einst der einzige Mann im Leben seiner Kleinen, sieht sich plötzlich verdrängt von einem Reitlehrer, während die Mutter kaum noch Zeit für die Hausarbeit hat, weil sie im Reitstall zusammen mit anderen Frauen um die Aufmerksamkeit jener Götter in Reithosen buhlt, die über das Wohl und Weh ihrer Töchter entscheiden.
Die Mädchen verbringen nun ihre gesamte Freizeit bei den Pferden, verhätscheln diese und üben sich in Fachgesprächen. Natürlich wollen sie einander dabei im Aussehen übertrumpfen, zwängen sich in enge Reithosen und knappe T-Shirts. Wenn sie dann auf dem Pferderücken ihren Hüftschwung zeigen und der wachsende Busen dabei verführerisch wippt, geraten die männlichen Beobachter in Verzückung.
Auch wenn Reitställe eine weibliche Domäne sind, treffen die wesentlichen Entscheidungen oft Männer. Diese gilt es also für sich einzunehmen, um Vorteile zu erlangen. Dabei zücken reiche Damen schon mal ihr Portemonnaie, während die Mädchen hemmungslos ihre Jugend und ihre erblühenden Rundungen einsetzen. Eine erotische
Spannung wabert in den Stallgassen. Selbst der unattraktivste Reitlehrer wird zum Objekt der Begierde.
Stehen die ersten Reitturniere an, werden aus Gleichgesinnten erbitterte Rivalinnen. Die Erfolgreichen sonnen sich im Lob und dürfen schon mit den Erwachsenen ein Glas heben. Die Eltern sind stolz, fühlen sich gleichfalls als Sieger und vergessen ihre eigenen Entbehrungen. Die weniger Glücklichen suchen die Schuld bei ihren geizigen Erzeugern und gieren nach den tröstenden Worten der Reitlehrer. Dabei sind sie bereit, Mittel einzusetzen, die wenig mit diesem Sport zu tun haben.
Eine junge Frau, noch nicht Mutter, sagte einmal, dass wenn sie einen schüchternen und wenig ansehnlichen Sohn bekommen würde, solle dieser das Reiten erlernen. In der Gesellschaft von vielen Mädchen wäre er auf jeden Fall Hahn im Korb. Ganz von selbst würden sich die Enttäuschten weinend in seine Arme werfen. Doch Reitlehrer sind wachsam.

 

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Buch von Christiane Mielck-Retzdorff:

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Die Töchter der Elemente: Teil 1 - Der Aufbruch von Christiane Mielck-Retzdorff



Der Fantasie-Roman „Die Töchter der Elemente“ handelt von den Erlebnissen der vier jungen Magierinnen auf einer fernen Planetin. Die jungen Frauen müssen sich nach Jahren der Isolation zwischen den menschenähnlichen Mapas und anderen Wesen erst zurecht finden. Doch das Böse greift nach ihnen und ihren neuen Freunden. Sie müssen ihre Kräfte bündeln, um das Böse zu vertreiben. Das wird ein Abenteuer voller Gefahren, Herausforderungen und verwirrten Gefühlen.

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