Andreas Rüdig

Hologramme

Der Geist
ist dreist
und feist
 
aus des Schlafes Zimmer
dröhnt immer
ein Gewimmer
 
Meine Frau
ist schlau
und weiß genau
 
mit Schwamm
und Kamm
geht sie durchs Programm
 
 
Doch halt, liebe Leser. An dieser Stelle muß ich einen Zwischenhalt in meiner dichterischen Phase einlegen. Sonst wird der Text unverständlich.
 
Ich bin Handelsvertreter, müssen Sie wissen. Ich arbeite für eine Firma, die Hologramme entwickelt. Hologramme kennen Sie als Bilder, sich dich ebenfalls bewegen, wenn der Betrachter davor eine andere Stellung einnimmt. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, wie das funktioniert – ich habe das selbst nie verstanden.
 
Unsere Technologie funktioniert jedenfalls simpel. Auf der Arbeit, während einer Unterhaltung oder bei einem Notfall auf der Straße benutzt man ein bestimmtes Code-Wort. Sobald der mitgeführte Computer das Wort wahrnimmt, fragt er: „Befehlt ausführen?“ Wird das Code-Wort wiederholt oder mit einem „Ja!“ geantwortet, springt der Materialisierungscomputer an und läßt das gewünschte Ding, je nach Ausführung auch ein Lebewesen, vor Ort in Sekundenschnelle entstehen.
 
Man kann auf diese Art und Weise Notärzte herbeiholen, aber auch Haushaltshilfe, Köche, Chauffeure oder auch Hilfskräfte im Betrieb. Werden Sie nicht mehr gebraucht, sagt man einfach nur: „Programm Ende.“
 
Meine Frau hilft mir zuhause. Sie testet routinemäßig viele Programme auf ihre Wirksamkeit hin. Geht ein Programm vollständig? Ist es zeitgemäß gestaltet? Gibt es irgendwelche Unstimmigkeiten?
 
Momentan arbeiten wir an einem Damenbegleitprogramm. Wir haben als Unternehmen festgestellt, daß es viele beruflich erfolgreiche Damen gibt, die keine passende Begleitung für gesellschaftliche Ereignisse haben. Entweder ist ihr Mann selbst beruflich erfolgreich und damit in gesellschaftlichen Verpflichtungen eingespannt. Oder er ist klein, fett, häßlich, mit Warzen im Gesicht und einer Halbglatze versehen und mit einem vulgären Benehmen ausgestattet.
 
Dem kann und muß natürlich abgeholfen werden. Unter Programm stellt jeder Frau den passenden Begleiter zur Verfügung. Sollte er zumindest – so unter Ansatz.
 
Die Kundin gibt es ein paar Parameter an, wie sie sich ihre Wunschbegleitung vorstellt: Größe, Gewicht, Haar- und Augenfarbe, Brille sind Beispiele dafür. Dann wird über eher sekundäre Merkmale wie Muskelmasse, Intelligenzquotient, Gesichtszüge, Sportlichkeit und ähnliches gesprochen.
 
Dann setzen sich die Programmierer hin und machen sich an die Arbeit. Sie gestalten die Wunschperson so wunschgetreu wie möglich. Gedankenlesen oder gar Gedankenübertragung können wir leider noch nicht. Wir müssen uns also immer auf die mündlichen Angaben der Frauen verlassen.
 
Und das kann dann zum Problem werden, wenn die Kundin sich nicht entscheiden kann, sich nicht festlegen will und deswegen ungenaue Angaben macht. Dann müssen unsere Programmierer oft nachjustieren. Die Zeitverzögerung kostet die Kundin dann viel Geld – ihr Problem.
 
Meine Frau ärgert sich immer noch mit dem Standardprogramm Willibald herum. Willibald entspricht so gar nicht ihren Vorstellungen. „Er wirkt ungepflegt.“ - „Ihm fehlt das Eau de Toilette, dieser männlich-herbe Duft nach Kraft, Schweiß und Arbeit.“ - „Er hat schlechte Manieren.“ - „Sein Händedruck ist nicht kräftig genug.“
 
Meine Frau hatte so viele Gegenargumente, da0 ich mich manchmal schon gefragt habe, warum sie mich persönlich überhaupt als Ehemann genommen hat. Aber egal.
 
Ein wenig eifersüchtig war ich schon, als ich feststellte, daß sie sich hier ihren eigenen Wunschpartner für ihre eigenen langen, einsamen Stunden schaffen wollte. War ihr etwa langweilig? „Ja. Ich suche jemanden, an den ich mich kuscheln kann und der mir ab und zu auch ein bißchen im Haushalt hilft.“ Naja, für diese Hilfe im Haushalt haben wir doch die Haushaltshilfenhologramme. „Aber die können mich doch nicht befriedigen. Die haben doch keine Männlichkeit, die hart, sinnlich und fordernd in mich eindringt.“ Dafür gibt es doch Dildos. Also bitte, Frau.
 
So – das Problem mit meiner Frau ist gelöst. Es gibt jetzt auch mich als emotionales Notfallhologramm. Immer, wenn ihr danach ist, kann sie mich aufrufen und sich an mir erfreuen. Ich kann jetzt – auch wieder mit ihrer Hilfe – ungestört meiner Arbeit nachgehen.
 
Ob man das Programm auch umdrehen kann? Sind unserer Programmierer wohl in der Lage, ein Hologramm meiner Frau zu erstellen, so daß ich ein wenig Begleitung habe, wenn ich unterwegs bin? Nein, dieses Faß mache ich jetzt nicht auf. Nicht, daß mir am Ende ein boshaftes, quängelndes Wesen zur Seite steht.
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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