Thomas Raich

Mein Fremder, mein Nächster, mein ... ? (1)


- Mr.Lumpi und Thomas Raich arbeiten am neuem Fall -


Jahre waren vergangen, seit er aus der Obhut des Dominikanerpaters Benedikt geflohen war, weil sein Hass gefährlich angestiegen war und er wollte ihn nicht freisetzen, indem er den Pater dem Tod und somit der Hölle überantwortete, wo er auch hingehörte, ... noch nicht!
In diesen Jahren der Ruhelosigkeit und Rastlosigkeit wo er von den Straßen von einer Stadt in die nächste 'herumgereist' war und durch scheinbar die Hand des Teufels von einer extremistischen religiösen Gruppe in die nächste geraten war, hatten sich seine religiösen Ansichten manifestiert. Die letzte Gruppe, in der er gewesen war, war eine muslimische Gruppierung, welche ihm sogar eine 'Ausbildung' in einem Trainingslager in Afghanistan ermöglicht hatte. Perfekt getäuscht, hatten sie ihm abgekauft nach seiner extremen Bekehrung zum Islam, dass er geläutert und zum 'wahren Glauben' konvertiert war.
Jetzt war die Zeit gekommen, dass er sein 'Werk' beginnen sollte, zumindest in der Stadt, in welche die erste Zeit seiner Lebensgeschichte lag: Würzburg!
Erst würde er jene richten und beseitigen, welche ihm Schaden zugefügt hatten und dann würde er sämtliche oder zumindest bedeutende Gotteshäuser dieser Stadt in Schutt und Asche verwandeln wollen... und nicht nur christliche! Auch Moscheen und Synagogen würden der Vernichtung durch Sprengstoff nicht entgehen und rechtsextremistischen Leuten untergeschoben werden.

Er hatte in diesen Jahren des Nomadentums durch Bücher und diabolische Geschicke so viel gelernt, was Wissen über Chemie, Mechanik, Handwerk und alles mögliche anging, so dass er Metall geschickt zu Dietrich und so weiter bearbeiten, pharmazeutisch giftige und explosive Produkte erstellen konnte und weiß Gott noch viel mehr! Er war Mitte 30 und war wieder zurück in der Stadt, die er über alles hasste ... und das aus gutem Grunde. Längere Zeit hatte er recherchieren müssen, bis er gefunden hatte, was er suchte: Den Ort, wo jener lebte, den er über alles liebte und aber auch hasste.

Dieser Mann war für ihn stets ein absolutes Vorbild im Glauben und das absolute Abbild des Bösen geworden. Ein Vorbild wegen der Unnachgiebigkeit den Glauben zu leben und das Abbild des infernalisch Bösen, weil er so einige lasterhafte Dinge im Stillen und Geheimen auslebte, die so verachtenswert waren.
Es war die unheilige Zeit, die damals noch von den Heiden 'All Hallows Eve' genannt wurde und dank der Christen, dann zu einem GUTEN Feiertag - dem Allerheiligenfest - umbenannt worden war. In dieser unchristlichen Nacht, bevor die christliche Zeit beginnen sollte, sollte dieser verhasste und doch so geliebte Geistliche zur Hölle geschickt, gleichzeitig aber auch seine Seele gerettet werden.

Wir waren nicht gerade angesehene Privatermittler, weil wir nicht der 'Norm' entsprachen, wie es die 'Gesellschaft' gerne sieht, aus diesem Grunde zog uns die Polizei auch insgeheim hinzu, aber immer wieder, denn wir waren wirklich gut. Da wir fähig waren unorthodox zu denken und uns besonders gut in die Denkweise von Kriminellen reinversetzen konnten. Aus diesem Grunde wurde uns auch nachgesagt, wir wären selber welche, weil wir auch regen Kontakt mit solchen hielten, aber nicht um Dinger zu drehen, welche an der Legalitätsgrenze lagen, sondern um entweder mögliche Kriminelle davor zu bewahren eine Karriere im Dunkel der Gesellschaft anzustreben oder zu verfolgen oder eben um Kriminelle, die vom rechten Weg abgekommen waren, wieder auf jenen wieder zu bringen.

Da wir uns auch im Religiösen recht gut auskannten, waren wir heute abend, am Abend vor Allerheiligen hinzugezogen worden, zu einem seltsamen Mord.
Während wir noch zur Residenz fuhren, wo die Leiche lag, verdeckt hinter dem Brunnen auf den Stufen, telefonierte mein Partner mit dem Pseudonym 'Mr. Lumpi' mit dem für uns zuständigen Inspektor in der 'Freisprechfunktion', so dass ich mithören konnte.


- Thomas Raich untersucht die Leiche an der Residenz -


"Die Leiche ist mittlerweile zugedeckt, doch ich kann euch die Bilder der Spurensicherung zeigen! Wirklich sehr merkwürdig, denn auf seiner Brust war ein Kreuz eingeritzt, die 'angeheftete' Nachricht zeige ich euch dann, wenn ihr hier seid! Es ist ein sehr beliebter Geistlicher, den ihr vielleicht noch aus eurer Arbeit als Sozialarbeiter kennt! ... Alles weitere später!"

Was noch dazu zu sagen war, erfuhren wir nachdem noch einige Minuten verstrichen waren, bevor wir schließlich am Tatort eintrafen.
"Also! Dieser Geistliche arbeitet mit Sozialarbeitern zusammen..."

Ich schaute kurz unter den Mantel, mit dem die Leiche zugedeckt war und war nicht sonderlich begeistert, als ich in dem toten Geistlichen jenen erkannte, der auf der einen Seite sehr konservativ und extrem gläubig und -seiner Ansicht nach- christlich und vorbildlich war in seiner Auslebungsform, von dem wir beide aber auch wussten, dass er so einige krumme Dinger drehte und nichts Lasterhaftes ausließ, sei es der sexuelle oder aber auch der gewalttätige Bereich, ... alles unter dem 'Schutzmantel' des Glaubens. Als der Inspektor mir den Zettel reichte, der dabeigelegen war, erschrak ich im ersten Moment, da ich meinen Namen auf dem Zettel lesen konnte: Raich! Kurz trafen sich die Blicke vom Inspektor und mir, worin es mir schien, dass ich etwas Misstrauisches erkennen konnte, bevor ich die Nachricht las: "Raich soll und wird kommen, mein ist Raich und muss es sein!"

Mir war klar, dass dies eine besondere Bedeutung haben musste, doch ich schaffte es nicht, dem Inspektor vorerst den Ratlosen vorzuspielen, um mehr Zeit für meinen Partner und mich zu gewinnen. "Was hat ihr Name darauf verloren!"
"Vielleicht einfach ein Schreibfehler?!"
"Gleich zweimal! Das war Absicht! Seien sie offen und ehrlich zu mir! Ich weiß, dass sie stets auf ihr Bauchgefühl hören, was ihnen eine erschreckend hohe Erfolgsquote in der Vergangenheit eingebracht hat... und das will ich jetzt erfahren, was es ist: ihr Bauchgefühl bei dem Ganzen!"

Ich atmete tief durch und sprach schließlich aus, was ich dachte: "Ich fürchte, er wollte tatsächlich auf mich hinweisen. Mir ist aber noch nicht klar, warum! Vielleicht, WEIL wir mit diesem Geistlichen in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben oder besser gesagt mussten."
"...Aber vielleicht hat das auch etwas mit dem Geistlichen zu tun?!" warf mein Partner Mr. Lumpi ein und nahm sich vor unverzüglich mit seinem Klapprechner und durch Telefonate schnellstmöglichst alles zu erfahren, was über den Geistlichen bekannt war.

Kaum, dass er sein 'Werk' vollbracht hatte, hörte er Polizeisirenen. Ihm war klar, dass es wohl etwas anderes geben musste, weswegen sie gleich an der Residenz vorbeirasen würden, doch lieber wollte er sich aus dem Staub machen, bevor man ihn hier bei der Leiche sehen würde. Just als er in Richtung des Parks am Rennweger Ring oder besser noch die Michaelskirche flüchten wollte, mussten verblödete Leute sich entschließen, den Residenzplatz überqueren zu wollen. So blieb ihm gar keine andere Möglichkeit, als die linke Einfahrt am linken Flügel der Residenz zu nutzen. 'Na toll!' dachte er sich, 'Eine Sackgasse!' Es dauerte keine zwei Minuten und schon hörte er einen Schrei, der von der Richtung Residenzbrunnen kommen musste. Viel zu schnell war die Leiche entdeckt worden. Aber glücklicherweise hatte ihn niemand gesehen. Er stellte sich versteckt an die Säule des Eingangs und beobachtete die Szenerie. Richtig sehen konnte er nichts, außer dass nach einer viertel Stunde zwei Polizeiwägen und zwei, drei Polizisten in Zivil dort waren.
Längere Zeit wartete er und dann hoben sich seine zwei Mundwinkel:
Genau diese beiden, wo er wollte, dass sie hinzugezogen werden sollten, standen dort, aufgrund der mysteriösen und womöglich religiösen Art, wie die Leiche ermordert und zugerichtet war. Er wollte ihnen 'Wegweiser' legen, um allen klar zu machen, was er für eine Botschaft in die Welt senden wollte: eine sehr blutige, aber doch wichtige Botschaft! Nur eine gewaltige und blutige Erschütterung konnte die Gesellschaft im Glauben wieder stärken und er wollte und sollte der Vorbereiter dafür sein und schließlich jener, welcher das Zepter grausam an sich reißen würde, vom kommenden heiligen Reich!

Erschöpft von der massiven Brutalität des Mordes und dass mein Name gleich zweimal auf dem Zettel gestanden hatte, saß ich mit meinem Partner bei einem heißen Kaffeegetränk, bevor wir schließlich beschlossen hatten, aufzubrechen. Also eigentlich war es eher mein Vorschlag gewesen! Ich wollte hoch zum Käppele. Heilige Orte des nachts aufsuchen hatte irgendetwas Mysteriöses und Interessantes an sich, was ich nicht erklären konnte, doch ich brauchte es einfach gelegentlich. Stillschweigend liefen wir gemächlich um die Kirche herum, als wir an den Gräbern Geistlicher -rechts liegend vom Aufgang des Kreuzwegs- eine merkwürdige Szenerie mitbekamen:

Ein dunkel gekleideter junger Mann in matschgrauer Jacke und schwarzem Hut kniete vor diesen Gräbern oder besser gesagt vor dem Denkmal des auferstandenen Jesus und schien zu beten. Das tat er aber nicht etwa leise, sondern laut! Als würde er um die Hilfe des Gottessohnes bitten oder ihn anrufen.
Ich gab meinem Partner ein Zeichen und er schlich die Treppen des Kreuzweges hinunter, um auf der anderen Seite, sich wieder hochzuschleichen. Deutlich konnten wir seine Worte verstehen und erkannten sofort: Das musste der seltene Fall eines religiösen Extremisten sein, der klar und verständlich um göttliche Hilfe bat:

"Hilf mir Sohn Gottes! Der auch du das Böse bezwungen und bekämpft hast! Du hast nicht gemordet, doch die Zeiten sind schlimmer und dunkler geworden! Dunkle Kreaturen des Bösen haben sich eingeschlichen in die Gesellschaft und hüllen sich in den Mantel der Geistlichkeit! Ich werde Diejenigen liquidieren, beseitigen, welche eure Arbeit besudeln und werde ein Reich schaffen, welches es wert und vorbereitet sein wird, dass ihr wiederkommen könnt, um dann zu richten! Den Ersten, welcher ein glühender Verehrer und Vertreter des wahren Glaubens war habe ich bereits der göttlichen Gerichtbarkeit zugeführt, wozu ich bestimmt bin! ICH, der von ihm im Glauben gelehrt, aber auch darin unterrichtet wurde wie abgrundtief das Böse sein kann! Spüren hat er mich immer und immer wieder lassen, wie ekelerregend es sein kann. Wie dankbar muss ich ihm sein, dass er Glauben und Liebe und Abneigung und Hass in mir genährt hat! Vater, Sohn und heiliger Geist! In Eurem Namen werde ich der erste neue Kreuzritter einer kommenden göttlichen Zeit!"

Wir nahmen uns vor, ihn zu beschatten und bereiteten uns vor, im Falle, dass er gehen würde, nicht entdeckt zu werden. Ich hatte mich zu meinem Partner vorgeschlichen und blieb glücklicherweise unentdeckt, als dieser Mann wieder von dannen ging, vorbei an uns beiden ohne uns zu sehen, vollkommen in Gedanken. 'Was war das jetzt?' Wir blieben ihm auf den Fersen, denn durch einen dummen Zufall, das sagte mir irgendwie mein Bauchgefühl hatten wir den Ort aufgesucht, den auch der Mörder aufgesucht hatte, ohne es auch nur im entferntesten zu ahnen. Wir verfolgten seine Spur und konnten zumindest feststellen, dass er am Mainufer am alten Kranen wohnen musste, wo wir ihn leider wieder verloren haben.

Er war aus dem Auto ausgestiegen und sah gerade noch, wie ein Auto langsam in die Straße einbog, wo er gerade hereingelaufen war. Verdammt! Sie waren ihm bereits zu dicht auf der Spur! Zwar wollte er, dass sie ihm folgen sollten, doch wenn sie ihm schon so dicht auf den Fersen waren, lief er Gefahr geschnappt zu werden. Also lief er schneller und verbarg sich in in einer der Seitengassen. Gott sei Dank! Sie fuhren vorbei. Zwar stiegen sie aus und suchten nach ihm, doch offensichtlich hatten sie die Spur verloren. Gerade noch einmal davongekommen. Nun wollte er sich doch lieber schon vorbereiten auf sein 'Werk' für nächste Nacht!

Die Auserwählte sollte diesmal die Hure des Geistlichen sein. Wie auch anders; sie war eine Nonne, die Gott immer gedient hatte mit dem Makel, ihr Leben lang in der Schwierigkeit, dass nicht nur Gott alleine ihr Herz gehörte, sondern besagtem Geistlichen. Als dieser Geistliche das herausgefunden hatte, hatte er dies natürlich ausgenutzt und sie dazu gebracht, Dinge mit sich machen zu lassen, die absolut sündhaft waren und -nach Ansicht von dem 'Racheengel Gottes', wie er sich selber nannte- vom Glauben abgefallen war. Auch sie war somit auserwählt zur Hölle geschickt zu werden, damit ihre Seele wieder bereinigt werden könnte. Ihr lasterhafter Körper sollte in Stücke gerissen und der Vergänglichkeit der Verwesung überantwortet werden.

Allerheiligen! Fast alle Leute, welche ich auf der Straße sah, waren in 'feierlicher' Stimmung, ob sie auf dem Weg in die Kirche beziehungsweise dem Friedhof oder eben in die Disco waren. Meinem Partner und mir war allerdings ganz anders zumute. Gerade hatten wir eine erschütternde Entdeckung gemacht!
Wir hatten ihm bei Einbruch der Abenddämmerung aufgelauert und hatten ihn aber kurze Zeit später wieder verloren. Es war Nacht geworden und wir lungerten am Vierröhrenbrunnen herum, verzweifelt darüber, was wir wohl tun sollten; wir waren uns absolut sicher: Er würde wieder morden!


- Die Ermittler am Vierröhrenbrunnen -


Zuvor hatten wir noch die Gegend um den Main herum abgesucht, seine Spur aber nicht wieder aufnehmen können.
Dann hatten wir auf einmal Schritte gehört, eilige Schritte, als würde jemand versuchen, schnellstmöglichst unerkannt und vielleicht sogar unendeckt davonzukommen. "Das kam doch von dort drüben!" meinte mein Partner zu mir und deutete in Richtung Rathaus. Also beeilten wir uns, in den Innenhof des Rathauses zu kommen. Nichts Auffälliges war zu sehen. Dann schaute ich eher einfach so durch das eiserne Tor, welches einen weiteren Bereich des Innenhofes abriegelt und machte eine entsetzliche Entdeckung. "Was ist?" fragte mein Partner mich verständnislos. "Sieh doch selber einmal rein!" entgegnete ich ihm zornig. Wutentbrannt kickte ich einen Stein dort weg, der einfach so da lag. Moment, das war kein Stein! Es war eine kleine Dose, die blutverschmiert war und durch meinen Tritt sich geöffnet hatte. In dieser Dose, welche mit christlichen Symbolen verziert war, lag ein Zettel:

"Die Hure des lasterhaften Gottesmannes, welchen ich zur Hölle geschickt und somit seine Seele befreit habe ist nun ebenfalls ins Reich der Schatten und des schwarzen Engels eingegangen. Ihre Seele hingegen kann nun von Gott geläutert werden und gen Himmel aufsteigen! Nur noch des Geistlichen Novizen werde ich dem Himmel überantworten, denn er kann sich rühmen, mit keinerlei Sünde bisher belastet zu sein!"

Ich war außer mir! Zwar war der Innenhof des Rathauses des nachts eigentlich abgesperrt, doch irgendwie musste der Mörder es geschafft haben reinzukommen ... und nicht nur das! Er hatte offensichtlich eine arme alte Nonne mit sich geschleppt und sie in Stücke gerissen. Mein Partner hatte wie immer das Handy dabei und telefonierte unverzüglich mit dem Inspektor. Danach riet ich ihm zur Eile: "Komm! Er muss noch in der Nähe sein! Jetzt kriegen wir ihn!" Uns war es egal, wie laut wir waren, wir rannten, als wäre der Teufel persönlich hinter uns her ... oder doch vor uns?

Wie schon beim ersten Opfer hatte er auch beim zweiten Opfer Einweg-Schutzkleidung angezogen, welche er problemlos im nächsten Mülleimer entsorgen konnte, damit an seine Kleidung kein Blut kam. Gerade hatte er so lautlos wie es ihm möglich war, das Tor wieder verschlossen, welches er mit einem geschickten Handgriff und einem passenden Dietrich dazu ohne Probleme geöffnet hatte. Da beschlich ihn ein seltsames Gefühl.
Allerheiligen! Er hatte nicht bedacht, dass gerade um diese Uhrzeit womöglich viele Leute auf der Straße sein würde ... und womöglich auch die beiden!
Er ging noch einmal in das Nebenzimmer, welches zum Andenken an die Bombadierung Würzburgs erinnerte. ... Bevor er sein 'Werk' in diesem Garten vollzogen hatte, war er -wie des öfteren- hierhergekommen; warum konnte er sich nicht genau erklären.

Gerade jetzt in dem Augenblick, wo er lieber jetzt als später aufbrechen sollte, dass er nicht geschnappt würde, fiel sein Blick auf die drei Bomben. Drei! Die Trinität! ... Das war es! ... Nach diesem Allerheiligenfest, welches mit dem morgigen Allerseelen enden würde, würde er in aller Ruhe seine Rache an der katholischen Kirche vorbereiten! Er wollte sämtliche Kirchen sprengen, welche doch nur mit dem Blut unschuldiger Versklavter aus dem Ganzen Volke im Auftrag der Herrschenden gebaut worden waren, die sich damit rühmen wollten und tatsächlich dies geschafft hatten: Sie würden niemals vergessen werden, Diejenigen, welche die Bauten geschaffen hatten hingegen schon. Einen Augenblick verharrte er noch, bevor er die Bombe küssend sich zur Flucht bereitmachte.

Verdammt! Da waren sie schon wieder! So leise als möglich versuchte er sich davonzumachen. Jetzt war es ihm egal, ob sie etwas bemerkt hatten. Nur noch ein paar hundert Meter zu seinem Zu Hause. Laut hallten die Schritte wider von seinen Verfolgern, die ihm dicht auf den Fersen waren.
Es wäre Schwachsinn, jetzt nach Hause zu laufen, damit würde er ihnen nur in die Hände spielen! Er entschloss sich dazu, lieber irgendwo am Mainufer am alten Kranen sich zu verstecken und abzuwarten. Aber gerade als er die Stufen hochlief welche zum Kiesweg vom Biergarten der Gaststätte führten, hörte er etwas hinter sich. Vor Schreck erstarrte er fast zur Salzsäule, denn dieser kräftig gebaute Mr. Lumpi schien doch mehr und eine bessere Kondition zu haben, als er dachte; er war nur noch einen Katzensprung von ihm entfernt. Vergeblich versuchte er zu spurten, was ihm nur noch einen Zeitrahmen von wenigen Minuten einbrachte, denn kaum dass er am Mainufer entlang, die Pflasterstraße vorlief, da erwischte ihn der kräftige Ermittler und ließ ihn nicht mehr los.
Es gab ein heftiges Gerangel am Geländer, vergeblich versuchte er zu entkommen und fiel über die Bank.


- Mr.Lumpi beim Gerangel mit dem Bösen -


Kurz ließ er nach, damit sich der Ermittler in Sicherheit wiegen und glauben sollte, er ergäbe sich. Dann aber trat er ihm mit aller Gewalt zwischen die Beine und konnte fliehen. Hoffentlich nicht das letzte Mal! Ich hatte doch eine schlechtere Kondition als mein Kumpan Mr. Lumpi. Er war dem Täter weiterhin gefolgt. Aus welchen Gründen auch immer, ich brauchte an der Treppe, wo ein kleines gelbangestrichenes Rondell stand, eine Verschnaufpause. Ihnen nachschauend, wie sie an der Gaststätte vorbeirannten holte ich erst einmal Luft. Es dauerte -wie mir schien, keine fünf Minuten, da hörte ich einen stöhnenden Aufschrei und jemanden weglaufen. Kurze Zeit später sah ich, wie mein Partner auf sehr merkwürdige Weise auf mich zugelaufen kam. "Dieser mistige kleine Scheißer!" fluchte er gequält, bevor er mir erzählte, dass er ihm nochmals entwischt war, weil diese 'miese kleine Ratte' ihm zwischen die Beine getreten hatte.
Wir verschnauften erst einmal und überlegten die ganze Zeit. Sein Gesicht war uns von Anfang an so bekannt vorgekommen, vor allen Dingen, weil er ganz bestimmte Plätze aussuchte für seine Opfer, um zur Ruhe zu kommen und so weiter. Auf einmal stellte sich mein Partner an die Brüstung bei der Treppe, blickte zur Festung und zum Käppele und tat einen Aufschrei!
"Warum bin ich nicht längst draufgekommen!?"
Er erzählte mir von dem einen Jugendlichen, welchen wir damals zu unseren Sozialarbeiterzeiten betreut hatten, der mit dem Geistlichen sehr innig war, weil beide sie so viel verband.
"Jetzt weiß ich auch, ... er hat doch so etwas geäußert auf dem Zettel von wegen den Novizen des Geistlichen..."
"...Ja?!"
"Ich weiß, wo er seinen nächsten Mord begehen wird!" rief er aus und deutete einfach nur zur Festung. Jetzt ging mir auch ein ganzes Lichtermeer auf:
Natürlich! Der Lieblingsort vom Geistlichen sowie von diesem Täter war stets die Festung Marienberg gewesen. Diese ganze Stätte der Geschichte hatten sie geliebt, besonders den Vorplatz vom Museum, welchen sie als 'Vorplatz zum Wissen, zur Geschichte, Vergangenheit und allem' sahen.

Während wir eiligst hochfuhren, gingen wir gedanklich noch einmal alles durch:
Wir hatten ihn in unserer Sozialarbeit damals als Zehnjährigen kennengelernt. Er war äußerst klug, aber auch sehr schüchtern und zurückhaltend. Wie gerne sich der Geistliche Pater Benedikt vom Dominikanerorden seiner annahm, konnte der ehemalige Dominikanermönch und jetzige 'Missionar' gar nicht in Worte fassen. Allerdings war mir der Pater schon damals etwas verdächtig oder zumindest merkwürdig vorgekommen. Es war auch eigenartig, denn ab dem Zeitpunkt verband die beiden -Lucius und Benedikt, sein künftiger Mentor- eine Art Hassliebe, wie mir schien:

Einmal waren sie wie Herz und Seele und waren überaus freundlich zueinander. Ein anderes Mal lag eine Strenge in des Paters Blick, wenn er mit Lucius zu tun hatte und Lucius Augen bargen eine Angst und fast noch mehr als Demut in sich, dass es fast erschreckte. Dieses merkwürdige Verhältnis schien immer impulsiver zu werden, bis Lucius schließlich aus der Obhut und der Reichweite des Paters verschwand, um -wie wir erfuhren- in einen besonders strengen Orden oder eine besonders strenge gläubige Gemeinschaft einzutreten. Gestern war er wieder zurückgekommen!

Wir telefonierten mit dem Inspektor und der Polizei, um sie zur Festung anzufordern. Die Informationen, welche sie für uns hatten, waren auch äußerst interessant: Der Pater war damals aus dem Dominikanerorden förmlich rausgeschmissen worden, weil er sich an Kindern, die in seine Obhut gegeben worden waren, vergangen hatte, meistens brave Jungen im Alter von 10 - 12 Jahren, die man noch 'beeinflussen' konnte. Außerdem war ihm ein Verhältnis mit einer Schwester nachgesagt worden, die aufgrund der Gerüchte aus ihrem Orden entlassen worden war. Als sie ihn um Hilfe bat, war er auf beiden Ohren taub.
Hier in Würzburg hatte er einen Bruder, welcher ihn aufgenommen hatte, von dem die Polizei erfuhr, dass Bruder Benedikt nach seinem Ausscheiden aus dem Orden vorgehabt hatte, nach Afrika auf 'Missionierung' zu gehen. Da es aber in keinster Weise geklappt hatte, beschränkte sich der 'gottesfürchtige' Pater darauf in der Bahnhofs-'Mission' den Missionar zu spielen. Dort war er auch durch Zufall an Akten über Lucius herangekommen. Jetzt musste es schnell gehen! Die Ermittler waren sehr knapp hinterher.

Den armen Novizen Stephan von Pater Benedikt, hatte er durch Äther betäubt und auf die Rückbank seines Kleinwagens gelegt.
Nun musste er mit seinem 'Werk' schnell machen und es vollenden, bevor er erst wieder untertauchen würde, um schließlich einen Anschlag auf sämtliche Kirchen zu machen. Das konnte nicht sein!

Erst hatte ich ein fast fruchtloses Gespräch mit der Polizei, welches ich an Mr. Lumpi weitergab, weil sie nicht so recht mir glauben wollten, warum es so wichtig sei, unverzüglich zur Festung zu kommen mit mehreren Einsatzwägen. Als nächstes raste an uns ein Wagen vorbei und schoss uns tatsächlich durch das offenstehende Fenster der Beifahrertür die Reifen platt. Eine halbe Stunde dauerte es, bis endlich zwei Einsatzwägen der Polizei kamen, die mit uns zur Festung hochfuhren. Erschreckt stellten wir fest, dass der dunkle Wagen, aus dem ein Unbekannter auf unsere Reifen geschossen hatte, hier oben stand. Wie konnte das sein, dass wir schneller zur Festung auf dem Weg waren als der Mörder, der in diesem Wagen gewesen sein muss? Er musste also noch hier sein und der einzige Fluchtweg war durch die Polizei versperrt! Endlich würde er uns in die Falle gehen! Mit blitzenden Pistolen folgte uns die Polizisten in Zivil in unserem Schatten.
Wir fanden an der Seite zum Aufgang des Museums die Leiche des Novizen; darum sollte sich die Polizei kümmern.


- Die Leiche des Novizen am Aufgang zum Museum -


Langsam und leise schlichen wir mit eigenen Handfeuerwaffen weiter. Auf einmal stand der Mörder uns gegenüber!
Unschlüssig, ob er sich jetzt irgendwo verstecken sollte oder versuchen sollte doch noch zu fliehen, versteckte er sich erst im Dunkel, ... doch dann bekam er Panik und versuchte doch ein besseres Versteck zu finden. Er sprang in die Einfahrt... und dort standen die beiden Ermittler, versperrten ihm den Weg! Kurz blieb er stehen und dann versuchte er an beiden vorbeizurasen, doch der dicke Mr. Lumpi packte ihn -diesmal noch viel fester als das letzte Mal- und stellte sich so weit von ihm weg, dass es aussichtslos war, ihn noch einmal peinlich zu treffen. Das Spiel war vorbei!

Schließlich hatte sein Geständnis einen lückenlosen Bericht ergeben... und eine böse unangenehme Überraschung für mich!
Er war mein Halbbruder, von meinem Vater durch ein außereheliches Verhältnis gezeugt und nicht anerkannt worden und in einer streng konservativen und autoritären Familie gelandet, welche Pater Benedikt verehrt und Lucius in dessen Obhut gegeben hatten!
Der Fall war abgeschlossen und doch konnte ich ich nicht lassen -wie jedes Mal übrigens- nochmals über den Fall und den Täter -in diesem Falle meinen Halbbruder- nachzudenken:
Was mir besonders im Kopf geblieben war: Die Situation des nachts vor der Apotheke! Erst jetzt, wo ich innerhalb von nur wenigen Tagen so viel in Erfahrung hatte bringen können und schließlich beim Verhör dabeigewesen war, erkannte ich, dass ich eine gewisse Hochachtung vor meinem Halbbruder hatte: Er muss unglaublich intelligent und handwerklich geschickt gewesen sein: die Werkzeuge, die er selber sich gefertigt hatte, das chemische Wissen mit dem er einen erfahrenen Apotheker hätte neidisch machen können und die Art und Weise, wie er es begonnen hatte. Nur sein Extrem zu glauben und sich genötigt zu fühlen, wie ein Racheengel Gottes durch die Welt ziehen zu wollen, hatte ihn zu Fall gebracht.

Nochmals lief die Szene vor meinem geistigen Auge ab, als wir ihm bereits auf der Spur waren und in dieser Nacht herausfanden, WIE er wohl seine Opfer tötete:
Er war auf dem Wege zu einer Apotheke, in besagter Nacht jene neben der Adalbero-Kirche. Blitzschnell öffnete er mit dem Dietrich die Tür und war nach wenigen Minuten wieder draußen.Die Utensilien oder Medikamente, welche er brauchte, hatte er offensichtlich in seine Jacke eingepackt.
Während wir bei der Adalberokirche auf den Stufen und verbargen, sahen wir, wie er über den Zebrastreifen floh und im nächsten Augenblick schon im Dunkel der Nacht verschwunden war.


- Die Ermittler beim Beobachten der Apotheke -


Uns blieb nichts anderes übrig als den Einsatz in dieser Nacht zu beenden und noch gemeinsam eine letzte Zigarette zu rauchen. Nur wenige Minuten später saß ich im Auto und mein Partner war auf dem Weg nach Hause. Ich war gerade über den Ring gefahren in Richtung Fichtestraße, als ich von Zivilpolizisten angehalten wurde. Es war schwer zu erklären, was ich so spät in der Nacht hier noch zu machen hätte, außerdem war der stille Alarm ausgelöst worden. Auf der Wache in der Neubaustraße ankommend, sah ich meinen Partner dort sitzen mit einem betretenen Lächeln. Es dauerte etwas mehr als eine Stunde, bis sie schließlich den besagten Inspektor erreichten. Mit einem stöhnenden Aufatmen kam er herein und bestätigte leicht kopfschüttelnd, dass wir Privatermittler waren. Es dauerte noch etwas, bis wir schließlich gehen konnten. Den Beamten sah man an, dass sie sichtlich enttäuscht waren:

Sie hatten gedacht, endlich hätten sie Denjenigen oder Diejenigen geschnappt, welche immer wieder Arzneien beziehungsweise Medikamente aus den Apotheken gestohlen hätten, was die letzten zwei Tage angefangen hatte vorzukommen. Besonders als sie das erbleichte Gesicht meines Partners gesehen hatten, waren sie ihrer Sache sicher, doch das lag nur daran, dass mein Partner sich unschuldig etwas eingefangen hatte, was seinen Kreislauf vollkommen durcheinanderbrachte. Danach durften wir seine Spur weiterverfolgen und wussten nun auch, womit der Geistliche ermordet worden war. Der Rest der Geschichte ist ja bekannt. Irgendwie verharrte ich in meinen Gedanken noch bei meinem Halbbruder, der mir wie der dunkle Teil meiner Seele schien, denn auch mir stößt es immer wieder auf, wie falsch die Art und Weise ist, wie die sogenannte richtige Kirche den Glauben praktiziert. Zu so drastischen Maßnahmen hätte ich jedoch nie gegriffen. Weiß Gott, was aus meinem Halbbruder hätte werden können, wäre er in einem besseren Umfeld aufgewachsen, aber so? Wie würde seine Zukunft wohl aussehen? Sein restliches Dasein fristend in der Psychatrie, da er für die Gesellschaft aufgrund seiner extremen Ausprägung vom Glauben zu gefährlich wäre?

Hier gehts zum 2.Fall : Illuminati --> https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?39462

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.03.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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