Christiane Mielck-Retzdorff

Sachen gibt's



 
Helene Freifrau vom Hasenberge schritt mit ihrem äußerst selbstbewussten Chihuahua durch den Park. Sie hätte ihn natürlich auch in ihrem Garten laufen lassen können, aber er sollte wenigstens einmal am Tag den Duft der großen, weiten Welt schnuppern. Doch sie mied die üblichen Zeiten der Spaziergänger mit ihren Hunden, sonst hätte sie sich höflicherweise über Würmer, Flöhe und Zecken unterhalten müssen. Das entsprach nun wirklich nicht ihrem Niveau.
Trotzdem kam ihr unvermittelt ein Fremder in Begleitung eines Hundes undefinierbarer Rasse mit dümmlichem Gesicht, aber mächtiger Schnauze entgegen. Es war Heinz Schmidt, der seinen Lebensunterhalt als Akkordschlachter verdiente. Von weitem rief dieser schon:
„Er tut nichts.“
Ein Satz, der für die Freifrau so unbedeutend war wie das Rascheln der Blätter. Beide Hunde liefen frei und sogleich aufeinander zu. Bald standen sie Nase an Nase, wobei nur der Große mit dem Schwanz wedelte.
„Ist das nicht niedlich“, bemerkte der Schlachter lächelnd.
Doch dann öffnete sein Hund das riesiges Maul und verschlag den Chihuahua in einem Stück. Während der Mann ungläubig aus der Wäsche guckte, griff die Freifrau in die Tasche ihres Trenchcoats, holte eine kleine Pistole hervor, schoss und traf den offensichtlich über seine Tat selbst erschrockenen Übeltäter zielsicher zwischen den Augen. Sie steckte die Waffe wieder ein und sagte ruhig:
 „Es tut mir leid.“
„Mir auch“, antwortete der mit dem Geschehen völlig überforderte Akkordschlachter.
„Was passiert nun mit der Leiche“, frage die Freifrau ungerührt.
Daraufhin packte der Mann den toten Hund an den Hinterläufen und schleuderte den Leichnam über seine rechte Schulter, sodass der Kopf auf seinem Rücken baumelte. Als der Körper dort aufschlug, löste sich ein Würgereflex. Der Chihuahua landete von Speichel besuhlt und nach Luft ringend wieder auf dem Boden. Mühsam erhob er sich, reckte sein Köpfen empor und stolperte noch etwas unsicher auf den dünnen Beinchen zu seinem Frauchen. Diese blickte angeekelt auf das verklebte Fell und sagte dann:
„Zuhause werden wir dich erstmal baden.“
Nun drehte sich auch der unter dem Gewicht seines toten Hundes schwitzende Schlachter um und starrte ungläubig auf den auferstandenen Chihuahua. Kopfschüttelnd murmelte er:
„Sachen gibt’s.“
Drehte sich um und ging.
 

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Trug und Wahrhaftigkeit: Eine Liebesgeschichte von Christiane Mielck-Retzdorff



Zum wiederholten Mal muss sich die Gymnasiastin Lisa-Marie in einer neuen Schule zurechtfinden. Dabei fällt sie allein durch ihre bescheidene Kleidung und Zurückhaltung auf. Schon bei der ersten Begegnung fühlt sie sich zu ihrem jungen, attraktiven Lehrer, Hendrik von Auental, der einem alten Adelsgeschlecht entstammt, hingezogen. Aber das geht nicht ihr allein so.
Die junge Frau muss gegen Ablehnung und Misstrauen kämpfen. Doch auch der Lehrer sieht sich plötzlich einer bösartigen Anschuldigung ausgesetzt. Trotzdem kommt es zwischen beiden zu einer zarten Annäherung. Dann treibt ein Schicksalsschlag den Mann zurück auf das elterliche Gut, wo ihn nicht nur neue Aufgaben erwarten sondern auch Familientraditionen, die ihn in Ketten legen.

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