Klaus-Peter Behrens

Artefaktmagie, Teil 46

 
Glyfara fluchte innerlich. Noch immer konnte sie das ungeduldige Schnauben des Pferdes unter sich vernehmen. Vorsichtig spähte sie durch eine schmale Lücke im ansonsten dichten Laub nach unten und erschrak bis ins Mark. Der unheimliche Reiter war gerade im Begriff, von seinem Pferd zu steigen. Glyfaras Herz begann zu rasen. Hatte er sie entdeckt? Vermutlich nicht, denn dann hätte er lautstark Alarm gegeben. Aber er hatte Verdacht geschöpft. Soviel war sicher. Glyfara war überzeugt, ihre Spur gut verborgen zu haben, und doch konnte sie spüren, wie der prüfende Blick des Ulogs  über das dichte Laubwerk der Rotbuche wanderte. In der Hand trug er nun eine kleine, gefährlich wirkende Armbrust, während er vorsichtig an den Baum herantrat. Sein rasselnder Atem war deutlich zu vernehmen, als er direkt unter ihr stand und die Rinde des Baums auf Spuren untersuchte. Glyfara glaubte, das Blut in ihren Ohren rauschen zu hören, während das Adrenalin durch ihre Adern schoß. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und standen damit ihrer Bogensehne in nichts nach. Der tödliche Pfeil wies auf die Stelle, an der sie anhand des rauhen Atmens den Ulog vermutete. Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung entfernte sich der Ulog nach ein paar Sekunden jedoch wieder. Vorsichtig entspannte Glyfara ihren Langbogen und bog das Blätterwerk ein paar Millimeter auseinander, um zu sehen, was sich am Flussufer tat. Ihr Blick erfaßte den Ulog,  der sich gerade mit einer fließenden Bewegung, die seine Masse Lügen strafte, in den Sattel seines Pferdes schwang. Das Tier protestierte schnaubend, als sein düsterer Reiter es rüde herum riß und ein Stück zurück zum Flussufer ritt. Glyfara wollte gerade erleichtert aufatmen, als der Ulog sein Pferd erneut wendete und finster die Stelle der Rotbuche anvisierte, wo sich die Elbin verbarg. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke über die weite Distanz hinweg, dann brach die Hölle los.
 
Michael hatte den Rand des Strauchwerks erreicht und spähte zur Staumauer hinunter. Sein Herz hämmerte in der Brust, während er sich sorgfältig nach einem Anzeichen seines Verfolgers umsah. Zu seiner Beruhigung konnte er nichts entdecken. Aber was sollte er nun tun? Unschlüssig blieb er noch eine Augenblick in seinem Versteck hocken, bevor er zu einer Entscheidung gelangte. Er würde den Damm sprengen. Zwar hatte er keine Ahnung, ob die Armee des Wandlers inzwischen am Flussufer lagerte und die Überquerung vorbereitete, aber das würde er jetzt ohnehin nicht mehr rechtzeitig erfahren. Melzan war vermutlich tot, so daß er keine Möglichkeit hatte, telepatisch mit den Gefährten in Kontakt zu treten. Er mußte sich eben auf seine innere Intuition verlassen, und die sagte ihm, daß er den Damm sprengen müsse. Vorsichtig bog er das Strauchwerk auseinander und trat ins Freie. Der Staudamm lag ein Stück unterhalb von ihm. Das Wasser reflektierte die warmen Sonnenstrahlen und vermittelte das Bild einer friedlichen Idylle. Michael wußte, daß dies nur eine Illusion war. Irgendwo hier im Verborgenen lauerte der Tod in Gestalt seines unheimlichen Verfolgers. Langsam, darum bemüht, kein unnötiges Geräusch zu machen, schlich er zur Staumauer hinunter. Er war gerade unten angekommen, als ihn eine Bewegung auf der Mitte der Staumauer erschrocken innehalten ließ. Eine kleine, gedrungene Gestalt taumelte aus dem Schatten des Wartungshauses ins helle Sonnenlicht.
„Streitaxt!“
Michael stieß einen Freudenschrei aus und verfluchte sich im selben Moment dafür, daß er sich aus Freude über den Anblick des alten Kampfgefährten dazu hatte hinreißen lassen, während er zu seinem Gefährten hinüber rannte. Nun wußte der Feind, wo er war. Die Freude war ohnehin schnell gedämpft, als er erkannte, daß der Zwerg schwer verletzt war. Blut quoll durch die Falten seiner ledernen Weste und färbte seinen Bart rot, als er sich mit schweren Schritten Michael entgegen schleppte.
„Wir sind in eine Falle geraten“, stöhnte er mit röchelnder Stimme, als Michael ihn erreichte.
„Ich weiß, ich hatte bereits das Vergnügen, aber was hat er dir angetan?“, fragte Michael besorgt, als er Streitaxt erreichte und ihn stützen wollte, doch der Zwerg winkte unwillig ab.
„Noch bin ich nicht am Ende“, erwiderte er mit neuem Elan, wobei der Blick seiner Augen seine Worte Lügen strafte. Michael bewunderte ihn dafür. „Er hat mich von hinten überrascht und mir einen langen Dolch so tief in den Rücken gejagt, daß er vorne wieder heraustrat. Ich brach zusammen, unfähig, mich zu wehren. Dann schleppte er mich außer Sicht und ließ mich dort liegen in der Annahme, ich würde dort elend zugrunde gehen. Aber er kennt uns Zwerge nicht. Wir sind zäher als jeder Mensch. Als ich wieder zu mir kam, sah ich dich im Wald verschwinden, verfolgt von Melzan, der plötzlich eine frappante Ähnlichkeit mit dir aufwies. Ich denke, wir haben es hier mit dem Verräter aus der Burg zu tun. Was wir jetzt brauchen ist ein guter Plan, sonst können wir einpacken. Hast du irgendwelche Vorschläge?“
Michael nickte, während Streitaxt vor Schmerzen aufstöhnte.
„Ich habe da schon so eine Idee“, erwiderte er grimmig.
 
Das plötzliche Hochreißen der gespannten Armbrust ließ Glyfara keine Chance. Unter anderen Umständen hätte sie die militärische Präzision und Schnelligkeit, mit der der Ulog reagiert hatte, sicherlich bewundert. So aber war sie nur dankbar, daß der tödliche Bolzen, der problemlos jede Panzerung durchschlagen konnte, sie – wenn auch nur knapp – verfehlte und sich wirkungslos keine zwei Zentimeter neben ihrem Kopf ins Holz der Rotbuche bohrte. Sofort riß sie Ihrerseits den Bogen hoch, doch der Ulog hatte inzwischen schon lautstark einen Befehl gebellt, worauf wütendes Gebrüll erscholl. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Glyfara ließ sich eine Sekunde Zeit zum Zielen, bevor sie die Sehne losließ. Der stahlbewehrte Pfeil durchschlug den Hals des Ulogs,  der daraufhin rückwärts von  seinem Pferd kippte. Zugleich drangen von beiden Seiten die anderen Gegner im wilden Galopp heran, ohne zu ahnen, daß sie bereits dem Tode geweiht waren. Aus den unterschiedlichsten Verstecken heraus sirrten plötzlich Pfeile, die mit tödlicher Präzisen ihr Ziel fanden. Teilweise von mehreren Pfeilen getroffen, fielen die Ulogs  bei vollem Galopp von ihren Pferden. Binnen weniger Sekunden war das Blutbad zuende, aber es war nicht unbemerkt geblieben. Ein vielstimmiges Gebrüll erscholl, als den Dämonen jenseits des Flusses gewahr wurde, daß ihr Spähtrupp in einen Hinterhalt geraten war. Hilflos mußte Glyfara mit ansehen, wie auf der anderen Flussseite nun hektische Befehle gebrüllt wurden, sich Kämpfer in die Sättel ihrer Schlachtrößer schwangen und Fußsoldaten zu ihren Waffen griffen. Einer lebenden Flutwelle gleich strömten die dämonischen Krieger zum Flussufer hinunter. Zugleich drang der herrische Befehlston Wengors an Glyfaras Ohr, der seine Soldaten anwies, solange abzuwarten, bis sie sicher sein konnten, den Feind auch wirklich tödlich zu treffen. Sie konnten es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen Pfeil zu vergeuden.
Aber was sollte ihnen das nützen?
Glyfara war angesichts der Übermacht, die auf sie zurollte, nahezu paralysiert. Auf jeden ihrer Kampfgefährten kamen mindestens vierzig Gegner. Ungleicher konnte ein Kampf kaum ausfallen. Der einzige Vorteil lag im Augenblick noch darin, daß das Wasser den Vormarsch der Krieger behinderte und sie stark verlangsamte. Außerdem hatten sie kaum eine Möglichkeit, von ihren Armbrüsten und Kurzbögen Gebrauch zu machen, solange sie sich noch im Flußbett befanden. Entschlossen zog Glyfara einen neuen Pfeil aus ihrem Köcher und schüttelte ihre Benommenheit ab. Neunundvierzig Pfeile standen ihr noch zur Verfügung, und die würde sie nutzen, selbst wenn es das letzte sein sollte, das sie in ihrem Leben tat. Ein entschlossener Zug erschien auf ihrem Gesicht, als sie sich in Schußposition begab und einen Ulog anvisierte, der vor allen anderen bereits hoch zu Pferd die Mitte des Flußbettes erreicht hatte. Dann ließ sie die Sehne los. 
 
Grimmbarts Ruhelosigkeit war der inneren Anspannung vor dem bevorstehenden Kampf gewichen. Das Kampfgeschrei war selbst bis in diesen entlegenen Winkel noch gut zu verstehen. Es klang, als sei das ganze Heer im Begriff anzugreifen. Aber Grimmbart verdrängte diesen erschreckenden Gedanken, wußte er doch, daß sich das kriegerische Zorngebrüll in wenigen Augenblicken in Entsetzensgeschrei verwandeln würde, wenn die Gegner erst einmal erkennen würden, in welche Falle man sie gelockt hatte. Zum wohl hundertsten Mal glitt sein Blick über die gut getarnte Fallgrube während er in Gedanken alle möglichen Optionen der bevorstehenden Flucht durchging.
 
Michael war sich zwar überhaupt nicht sicher, daß sein Plan aufgehen würde, aber daß wollte er sich auf keinen Fall anmerken lassen. Zwar hatte er immer noch vor den Damm zu sprengen, aber zuvor galt es, sich ihres unliebsamen Gegners zu entledigen. Wenn Michael ihn richtig einschätzte, würde er alles tun, um die Sprengung zu verhindern. Vermutlich hatte er schon vorher auf eine Chance gelauert, doch die Gelegenheit war eben erst zu einem Zeitpunkt eingetreten, als die Ladung bereits angebracht war. Angesichts der Tatsache, daß sie im Begriff waren, den Damm zu sprengen, hatte Michael keinen Zweifel daran, daß der Dämon auftauchen und versuchen würde, sie daran zu hindern. Und darin lag der aberwitzige Plan. Sie würden ihm eine Falle stellen. Sobald ihr Gegner am Waldrand auftauchen und auf sie losstürmen würde, würde Michael die Lunte anzünden. Er glaubte nicht, daß ihr Feind auf diese Distanz erkennen konnte, was sie taten und im Übrigen nicht annehmen würde, daß sie zu einer derart aberwitzigen Aktion fähig wären. Michael hatte versucht auszurechnen, wieviel Zeit zwischen dem Anzünden der Lunte und der Explosion liegen würde und hatte einen kleinen Sicherheitszuschlag hinzu gerechnet. Fünfzig Sekunden blieben ihnen nach seiner Berechnung bis zur Zerstörung des Damms. Fünfundzwanzig Sekunden, um die andere Seite des Damms zu erreichen und sich in Sicherheit zu bringen. Damit verblieben weitere fünfundzwanzig Sekunden Wartezeit, binnen deren sie den Feind dazu bringen mußten, die Staumauer zu betreten, um sie anzugreifen. Michael schwitzte, wenn er sich all die Haken und Ösen dieses Plans in Erinnerung rief. Woher sollte er wissen, daß die Zeit nicht zu lang oder zu kurz bemessen war? Würde der Feind die Falle wittern, oder würde er sie schneller erreichen, als sie es für möglich hielten? Letztlich lag der Erfolg in einen wenigen Sekunden Zeitunterschied. Der Plan sah vor, wegzurennen, sobald der Wandler die Staumauer erreichen würde. Vorausgesetzt, er würde sie tatsächlich verfolgen, hätte er gerade die halbe Strecke geschafft, wenn der Damm in die Luft fliegen würde. In der Theorie klang das alles ganz gut, aber wie würde die Praxis aussehen? Sollten sie nicht doch lieber kämpfen? Sein Blick glitt unauffällig zu Streitaxt hinüber, der schwer atmend an der Staumauer lehnte und angesichts des Blutverlustes zunehmend blasser wurde. Innerlich schüttelte Michael den Kopf. Der Zwerg wäre in seinem Zustand kaum in der Lage, einen Kampf zu bestehen, zumal sie nicht wissen konnten, über welche Kräfte ihr Gegner verfügte. Zwar hatte er sich des Körpers des alten Melzans bemächtigt, was aber nicht bedeuten mußte, daß er auch nur über die beschränkten Kräfte des alten Mannes verfügte. Nein, es blieb ihnen nichts anderes übrig, als den tollkühnen Plan zuende auszuführen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, daß sie dabei ums Leben kommen sollten, erschreckend hoch war. Energisch verdrängte er jeden Gedanken an ein Mißlingen des Plans und prüfte statt dessen lieber noch einmal die Funktionsfähigkeit seines selbst gebastelten Sturmfeuerzeugs, dann wandte er sich wieder dem düsteren Waldrand zu. Jetzt hieß es abwarten.
 
Glyfaras Pfeil schleuderte den Ulog rückwärts aus dem Sattel. Als wäre dies das Signal zum Angriff gewesen, hob sich plötzlich Wengors befehlsgewohnte Stimme über den Lärm der angreifenden Dämonen ab. Präzise und knapp teilte er seine Soldaten ein und gab dann den Befehl zum Feuern. Im gleichen Moment sirrten die Pfeile der Kampfgefährten um Glyfara herum und fanden ihr Ziel in den dichtgedrängten Reihen der Angreifer. Überall fielen plötzlich die muskulösen Gestalten der Ulogs  aus ihren Sätteln, versanken schwer gepanzerte Soldaten im Wasser und ertranken jämmerlich, da sie das Gewicht ihrer Rüstungen unbarmherzig nach unten zog. Pfeile spickten die  Lederrüstungen der Angreifer der ersten Reihe, doch wer zusammenbrach, wurde einfach von den nachfolgenden Kriegern überrannt. Glyfara erkannte schnell, daß sie den Vormarsch zwar ins Wanken, ihn aber nicht zum Stoppen bringen konnten. Sobald ihnen die Pfeile ausgehen würden, würde der Feind in kürzester Zeit das andere Ufer erreichen, und dann wäre es um sie alle geschehen. Aber soweit würde es ja gar nicht erst kommen. Angesichts der neuen Situation hatte Borur mit Sicherheit den Befehl gegeben, den Damm zu sprengen. Glyfara überlegte, wie lange es wohl dauern würde, bis das Wasser sie erreichen würde, während der Beschuß aus Pfeilen unablässig um sie herum surrte. Fast schon mechanisch legte sie Pfeil um Pfeil auf die Sehne und sendete ihre tödlichen Willkommensgrüße in die wogende Masse der Angreifer. Der Fluß hatte sich dank des erbitterten Widerstands der Kampfgefährten inzwischen an vielen Stellen rot gefärbt, doch noch immer drangen die Feinde weiter vor und hatten inzwischen trotz des massiven Beschusses zwei Drittel des Flusses erobert. Ein besorgter Blick auf ihren Köcher bestätigte ihr, daß sie sich nicht mehr lange würde halten können. Der Pfeilvorrat war um mehr als die Hälfte geschrumpft. Allmählich mußte sie an den Rückzug denken.
 
Borur hatte inzwischen seine Bemühungen resigniert eingestellt und Wengor aufgesucht, der angesichts der niederschmetternden Nachricht ungewohnt blaß wurde.
„Dann ist also alles verloren“, flüsterte er niedergeschlagen. „Wir führen hier einen aussichtslosen Kampf.“
Borur nickte bedrückt.
„Laßt davon aber nichts verlauten, sonst verzagen sie vollends“, bat er mit bebender Stimme, „und befehlt den Rückzug. Wir können hier nichts mehr ausrichten.“
 
Das vereinbarte Rückzugssignal war deutlich über das kriegerische Gebrüll der angreifenden Gegner zu vernehmen. Glyfara verschoß einen letzten Pfeil und holte damit einen weit vorgedrungenen, besonders wütend aussehenden Ulog von seinem Pferd, dann glitt sie in Windeseile den Baumstamm hinunter. Unten angekommen hastete sie um Deckung bemüht zu dem im verborgenen lauernden Troll hinüber, doch der weigerte sich, mitzukommen.
„Ich komme nach“, verkündete er mit grimmiger Miene. Aber erst, wenn ich diesen Bestien einen angemessenen Willkommensgruß geschickt habe.“
„Wie du willst“, sagte sie beeindruckt von dem Mut des Trolls. „Aber laß dich auf kein Risiko ein, du wirst noch gebraucht.“
„Danke für deine Anteilnahme, aber ich hatte nicht die Absicht, mich von der Flutwelle wegspülen zu lassen.“
„Seltsam, daß wir nichts von der Explosion gehört haben. Ich habe ein ungutes Gefühl, und das trügt mich selten.“ Glyfara nagte nervös an ihrer Unterlippe, während ihr Blick über den Fluß glitt. Sollte die Flutwelle ausbleiben, wären sie alle verloren. Dieser Übermacht hatten sie außer List und Tücke einfach nichts entgegenzusetzen. Sie hoffte inständig, daß der Plan aufging, denn angesichts der Tatsache, daß der Beschuß eingestellt worden war, preschten die Gegner nun mit neuem Elan vorwärts. Glyfara schätze ihre Anzahl auf mehrere hundert Mann. Angesichts der gewaltigen Übermacht konnte sie nicht umhin, den Troll für seine Kaltblütigkeit zu bewundern.
„Jetzt verschwinde, und freue dich nicht zu früh. Ich habe schließlich noch die Absicht, meinen Lohn für diesen Wahnsinn einzukassieren.“
Ein Grinsen trat auf Glyfaras Gesicht. „Was anderes habe ich auch nicht erwartet. Viel Glück, wir sehen uns.“
„Wenn nicht hier, dann in einer besseren Welt“, brummte der Troll, doch Glyfara war bereits im dichten Unterholz verschwunden. Keine Sekunde zu früh, wie Grüneich zugeben mußte, denn in diesem Moment erreichte die erste Reihe der gegnerischen Krieger das sumpfige Ufer. Irritiert darüber, daß ihnen keine massive Gegenwehr mehr entgegen schlug, dauerte es ein paar Sekunden, bis ihnen dämmerte, daß der Feind auf der Flucht war. Sofort trommelte ein besonders grimmig wirkender Ulog einen Stoßtrupp von gut achtzig berittenen Kriegern zusammen, während die Fußsoldaten in den Wald eindrangen, um die verhaßten Bogenschützen zu verfolgen. Der Krieger auf seinem stämmigen, schwarzen Pferd bezweifelte keinen Moment, wohin sich der Gegner zur Flucht gewandt hatte. Laut hallten seine Befehle über das Wasser, während er den Felseinschnitt, der sich keine Meile von ihnen entfernt düster in den Himmel reckte, in Augenschein nahm. Angesichts der Tatsache, daß der Feind auf der Flucht war, nahm der Krieger zurecht an, daß sie ihm zahlenmäßig weit überlegen waren. Durch den Wald würden sie deutlich länger brauchen, als unten am Fluß entlang. Ein siegessicherer Zug trat auf sein Gesicht, als er den ungeduldig wartenden Kriegern den Befehl gab, ihm dem Flussverlauf nach zu folgen.
 
Grüneich lag noch immer fast am Ende der Furt verborgen in seinem Versteck. Auf breiter Front hatte der Gegner inzwischen unmittelbar vor ihm die Uferlinie erreicht und ließ den Troll allmählich nervös werden. Rechts und links von ihm waren die furchteinflößenden Krieger im Unterholz verschwunden, doch bisher hatte ihn noch keiner entdeckt. Grüneich war sich im klaren darüber, daß dies nur eine Frage der Zeit war. Außerdem konnte jeden Moment die Flutwelle hier sein. Am meisten beunruhigte ihn allerdings eine Gruppe von gut achtzig berittenen Kriegern, die sich plötzlich in Bewegung setzte und das Flussufer entlang im Galopp auf ihn zuhielt. Offensichtlich beabsichtigten sie, seinen Gefährten den Weg an der Schlucht abzuschneiden. Dies war der Moment, auf den er gewartet hatte. Eine geradezu stoische Ruhe überkam ihn, als er die Armbrust auf die heran preschende Reitergruppe ausrichtete. Er bezweifelte, daß er diesen Kampf überleben würde, aber zur Flucht war es ohnehin zu spät. Seine Augen nahmen jedes Detail dieser unwirklichen Szene auf, das Wehen der schwarzen Schabracken der Pferde, den aufspritzenden Schlamm unter den donnernden Hufen und das Blitzen der Waffen im Sonnenlicht. Er wartete geduldig, bis er bereits das Weiße in den Augen der Pferde erkennen konnte, dann zog er mit einer beinahe schon liebevollen Bewegung den Abzug seiner Tötzwanzig durch.
 
Zweige peitschten Glyfara ins Gesicht, als sie in atemberaubenden Tempo durch den Wald eilte, dorthin, wo sie die Pferde zurückgelassen hatten. Das Gebrüll ihrer Verfolger hallte in ihren Ohren, und hin und wieder konnte sie links oder rechts von sich einen Soldaten der Bruderschaft durch den Wald hetzen sehen. Zum ersten Mal konnte Glyfara sich vorstellen, wie sich Wild auf der Treibjagd fühlen mußte. Es war alles andere als ein erbauliches Gefühl, und noch immer war keine Rettung in Sicht. Kein dumpfes Grollen in der  Ferne, das das Nahen der Flutwelle ankündigte.
Was war bloß schief gegangen?
Erschrocken zog sie den Kopf ein und schlug einen Haken, als ein Bolzen plötzlich wie eine zornige Hornisse an ihrem Kopf vorbei schwirrte und mit einem dumpfen Geräusch in einen Baumstamm einschlug. Daß dies kein bloßer Irrläufer war, bestätigte ein weiterer Bolzen, der sie um gut zwei Meter verfehlte und irgendwo im Unterholz verschwand. Jemand war ihr gezielt auf den Fersen. Glyfara kam sich plötzlich wie eine lebende Zielscheibe vor. Ein weiterer Bolzen verfehlte sie so knapp, daß sie sich einbildete, den Lufthauch gespürt zu haben, als er vorbei flog. Der Schütze hinter ihr schoß sich allmählich ein. Sie mußte jetzt handeln, oder sie würde sterben. Hinter einem besonders dicken Stamm einer alten Eiche hielt sie abrupt an, riß ihren Bogen von der Schulter, legte in Windeseile einen ihrer letzten drei Pfeile ein und sprang aus ihrer Deckung heraus, den Bogen im Anschlag. Das alles hatte keine zwei Sekunden gedauert und ihre Verfolger vollkommen überrascht. Aber auch Glyfara hatte die Situation falsch eingeschätzt. Statt mit einem Verfolger, hatte sie es mit mindestens vier zu tun, die sich in einer weiten Linie durch das dichte Strauchwerk kämpften. Keine zwanzig Meter entfernt riß der Verfolger, der ihr am dichtesten auf den Fersen war im gleichen Moment, in dem Glyfara die Sehne losließ, seine Armbrust hoch, doch die Reaktion kam zu spät. Der Langbogenpfeil drang zielsicher in die Brust des Dämonen ein und katapultierte ihn von den Füßen. Glyfara bekam dies jedoch schon gar nicht mehr mit, da ihre Bogensehne bereits zum zweiten Mal sirrte, als sie ihre nächste tödliche Botschaft verschickte. Auch dieser Pfeil traf ins Ziel. Dann zwang sie der Beschuß der verbliebenen Armbrüste, eilig in Deckung zu gehen. Zwei Gegner waren noch übrig, aber Glyfara war sich im klaren darüber, daß diesen beiden mindestens hundert weitere folgten, denn selbst der Troll konnte mit seiner Tötzwanzig nicht all ihre Verfolger ausschalten. Sie mußte hier weg.
 
Zweihundert Meter weiter rechts kämpfte sich Borur an der Seite von Wengor durch das dichte Strauchwerk. Immer wieder fragte er sich, was bloß schief gegangen war. Der gut durchdachte Plan war zu einer völlig unkoordinierten Flucht verkommen, und es war nicht auszuschließen, daß keiner von ihnen diesen Tag überleben würde. Die vereinzelten Schreie der Soldaten machten deutlich, daß der Feind ihnen dicht auf der Spur war. So war das nicht geplant gewesen. Sein Blick streifte Wengor, der ihn mit finsterer Miene zur Eile antrieb. Borur war sich im klaren darüber, daß der Hauptmann ihm die Schuld an diesem Desaster gab, auch wenn er es sich nicht traute, das offen auszusprechen. Und dabei konnte er gar nichts dafür. Melzan mußte tot sein. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber warum war er gestorben und was sollten sie jetzt tun? Borur zermarterte sich den Kopf, während er weiter durch das Dickicht hastete, aber so sehr er auch nachdachte, er kam immer wieder zu dem gleichen, niederschmetternden Ergebnis: Sie würden alle heute sterben.
 
Michaels Adrenalinspiegel stieg zum zweiten Mal an diesem Tag sprunghaft an. Am Waldrand war Melzan erschienen, oder jedenfalls das, was Melzan einst gewesen war, auch wenn sich die Ähnlichkeit nur noch auf die Kleidung des Magiers beschränkte. Das Trugbild war verschwunden, und der Dämon präsentierte sich ihnen in seiner wahren Gestalt. Klauenbewehrte Hände zuckten in der sicheren Erwartung, die Feinde zu töten.
„Meine Güte, bist du häßlich!“, flüsterte Michael entsetzt. Selbst auf diese Weise flößte ihm der haßerfüllte Blick der tiefroten Augen und das vernarbte, mit Schuppen bedeckte Gesicht des Feindes Furcht ein. Gegen diesen Gegner hatte weder der geschwächte Zwerg noch er eine Chance. Sollte ihr Plan fehlschlagen, konnten sie sich genauso gut gleich in die Tiefe stürzen. Michaels Hände wurden feucht, als sein Daumen über das Rad des Feuerzeugs glitt. Noch stand der Dämon zwar unbewegt am Waldrand und versuchte, die Situation einzuschätzen. Aber Michael war überzeugt davon, daß er zu dem Ergebnis gelangen würde, ein leichtes Spiel zu haben.
„Bist du bereit? Er wird jeden Moment angreifen“, fragte Streitaxt, wobei er sich bemühte, seine Stimme vor Schmerzen nicht zu sehr zittern zu lassen. Der stetige Blutverlust machte ihm immer mehr zu schaffen.
„Kann losgehen“, bestätigte Michael, dessen Augen unablässig zwischen der düsteren Gestalt am Waldrand und der Zündschnur hin und her wanderten. Sein Herz begann zu rasen, als er sah, wie sich der Dämon beinahe schon gemächlich in Bewegung setzte. Sofort ließ Michael seinen Daumen über das Rad streichen und atmete erleichtert auf, als eine kleine, flackernde Flamme aus dem provisorisch zusammen gezimmerten Feuerzeug aufleuchtete. Ohne zu zögern zündete er die Lunte an, die mit einem Fauchen und in erschreckend schnellem Tempo abbrannte. Mit einem Mal war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er die Zeit, die ihnen verblieb, nicht doch zu großzügig bemessen hatte. Er fing an zu zählen, 1, 2, 3...
Der Dämon hatte inzwischen mit gemessenen Schritten den Weg hinunter zum Staudamm zurückgelegt. Er war ein wenig verwundert, daß seine Gegner bei seinem Anblick nicht flohen. Was hatten sie vor? Der Dämon bezweifelte, daß sie sich selbst töten würden, indem sie den Damm in die Luft sprengten. Wenn er eines während seiner Zeit  bei den Menschen gelernt hatte, dann, daß nur wenige bereit wären, bedingungslos ihr Leben für eine Sache hinzugeben, und er war sicher, daß der Junge auf keinen Fall dazu gehörte. Er war schließlich noch ein halbes Kind und hing am Leben. Der Zwerg hingegen war ein anderes Kaliber, auch wenn er durch seine Verwundung geschwächt war. Innerlich verfluchte sich der Dämon dafür, daß er ihm nicht gleich den Rest gegeben hatte. Das würde er nun nachholen. Er bezweifelte, daß der Zwerg bei aller Entschlossenheit den Tod des Jungen in Kauf nehmen und den Damm sprengen würde, zumal er nicht wissen konnte, ob dies der richtige Zeitpunkt war. Vermutlich gab er sich der Illusion hin, ihn im Kampf besiegen und dann anschließend über die Sprengung des Damm in aller Ruhe entscheiden zu können. Die Klauen des Dämon zuckten in freudiger Vorerwartung. Er würde ihn eines Besseren belehren, und dann würde er sich den Jungen vornehmen. In seiner Gestalt konnte er mit Sicherheit im bevorstehenden Kampf für seinen Meister Sand ins Getriebe ihrer Feinde streuen.
„Mach dich bereit. Der Tanz geht los!“ Streitaxts Stimme klang ungewohnt gepreßt. Michael vermutete zurecht, daß auch die Nerven des Zwerges angesichts der nahezu aussichtslosen Lage zum Zerreißen gespannt waren, zumal irgendwo unterhalb von ihnen die Zündschnur gnadenlos abbrannte.  Sie mußten sich jetzt jeden Moment fliehen, oder sie würden bei der Explosion sterben. In Gedanken zählte Michael weiter, 15, 16, 17 .... Entgegen ihrer Erwartung blieb der Dämon jedoch am Übergang zur Staumauer stehen und hob witternd den Kopf, als würde er die Falle riechen. Michael und Streitaxt begannen zu schwitzen. Sollte der Dämon nicht angreifen, würde sich ihr schöner Plan im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auflösen. Ihnen mußte jetzt dringend etwas einfallen. Mit einem Ruck riß der Zwerg daraufhin seine Waffe aus der ledernen Halterung, schwang sie hoch über seinem Kopf und warf dem Gegner sämtliche Schmähungen an den Kopf, die ihm in den Sinn kamen. Das brachte das erhoffte Ergebnis, allerdings auf eine Weise, die die Gefährten so nicht vorhergesehen hatten.
„Lauf“, befahl Streitaxt mit drängender Stimme beim Anblick des Dämonen, der nun plötzlich mit übernatürlicher Geschwindigkeit auf sie zu gerannt kam. Bei dem Tempo hatten sie keine Chance, ihm zu entkommen. „Ich halte ihn auf, dann hat wenigstens einer von uns eine Chance, dies zu überleben.“
„Ich bleibe“, widersprach Michael mit bebender Stimme, worauf er von Streitaxt einen derben Schubs bekam.
„Die anderen brauchen dich, also lauf, ich komme nach.“
Michael kam nicht mehr dazu, hierauf zu antworten, da der vor Wut kreischende Dämon sie in diesem Moment erreicht hatte. Sofort entbrannte ein heftiger Kampf zwischen dem geschwächten, aber kampferfahrenen Zwerg und dem wütenden Dämonen. Michael zögerte noch eine Sekunde lang, dann siegte der Überlebenswille. Seine Füße trommelten ein heftiges Stakkato auf den steinernen Boden des Dammes, als er im Höchsttempo zur östlichen Seite des Canyons hinüber rannte, während er befürchtete, daß der Boden jeden Moment unter ihm wegbrechen könnte, denn schon längst hatte er keine Vorstellung mehr davon, wieviel Zeit ihnen noch bis zur Explosion blieb.
 
Die Wirkung der Tötzwanzig war verheerend. Mühelos durchdrangen die stählernen Bolzen auf die kurze Distanz Rüstung und Gewebe, katapultierten Reiter aus ihren Sätteln, die tot waren, bevor sie auf dem Boden aufschlugen, brachten Pferde ins Straucheln und sorgten für eine heillose Verwirrung, da keiner mitbekommen hatte, woher der Angriff gekommen war. Derweil nutzte der Troll das Durcheinander und machte sich mit der Präzision einer Maschine daran, die Tötzwanzig für einen weiteren Schuß zu laden. Erneut hielt die grausame Waffe reiche Ernte, doch diesmal blieb der Troll nicht unentdeckt. Eisern zwang er sich, die Schar der heranpreschenden Krieger, die nichts anderes im Sinn hatten, als ihn in seine Bestandteile zu zerlegen, zu ignorieren und konzentrierte sich darauf, die Tötzwanzig vermutlich das letzte Mal in seinem Leben zu laden.
 
Glyfara war wieder auf der Flucht. Die Bolzen ihrer Verfolger pfiffen wie wild gewordene Bienen rings um sie herum durch den Wald und machten ihr deutlich, daß ihr Heil nur in der Flucht liegen konnte. Die Übermacht war einfach zu groß. In ihrem Gefolge befanden sich Wengor und Borur, auf die sie bei ihrer Flucht gestoßen war, sowie neunzehn der Bogenschützen, die den Angriff überlebt hatten. Allen war bewußt, daß sie nur eine Chance hatten, wenn sie die Pferde vor ihren Verfolgern erreichen und sich in die Sicherheit jenseits der Schlucht flüchten konnten. Andererseits würden sie entweder von der Flut oder den Verfolgern getötet werden. Glyfara war aufgefallen, daß sowohl Borur als auch Wengor ungewöhnlich blaß wirkten. Allerdings war sie zu sehr damit beschäftigt, den Kopf unten zu halten und auf ihre Deckung zu achten, als sich hierüber Gedanken zu machen, auch wenn ihr Gefühl ihr sagte, daß irgend etwas gewaltig schief gelaufen war.
 
Die dröhnenden Hufe der heranpreschenden Reiter und das wütende Brüllen der Ulogs  gellte in den Ohren des Trolls, der mit höchster Konzentration damit beschäftigt war, die Tötzwanzig zu laden. Endlich rastete der Verschluß klickend ein. Mit einem diabolischen Grinsen sprang der Troll daraufhin wie der Teufel aus der Kiste aus seinem Versteck hervor. Breitbeinig, die Waffe im Anschlag haltend, brüllte er den Feinden, die ihn jeden Moment zu überrollen drohten, seine Verachtung entgegen.
Dann zog er den Abzug durch.
Der vernichtende Beschuß sorgte dafür, daß Reiter und Pferde der ersten Reihe gleichermaßen zu Boden gingen und damit die Nachfolgenden ebenfalls ins Straucheln gerieten.
Die kurze Zeitspanne nutzte Grüneich, um sich die Tötzwanzig umzuhängen und statt dessen seine geliebte Keule zur Hand zu nehmen. Grimmig erwartete er den ersten Angriff.
Er würde heute hier sterben. Das war ihm jetzt bewußt. Aber er würde dies sicherlich nicht allein tun.
Geschickt duckte er sich unter dem Schwerthieb des ersten Angreifers weg und schlug mit der Keule nach den Beinen des Streitrosses, das daraufhin zu Fall kam und seinen Reiter unter sich begrub.
Einer weniger, registrierte Grüneich zufrieden. Aber es waren immer noch mehr als genug übrig, und die ließen sich nicht lange bitten. Zwei weiteren Angriffen entging er nur aufgrund seiner seit Jahren antrainierten Reflexe, wobei es ihm gelang, wenigstens einen der Angreifer mit einem präzisen Keulenschlag von seinem Pferd zu befördern.
Dann jedoch verließ ihn das Glück.
Einen Sekundenbruchteil zu spät bemerkte er die angelegte Armbrust eines Gegners, dann traf ihn bereits ein Bolzen derart heftig in die linke Schulter, daß er rückwärts zu Boden ging. Sterne tanzten vor seinen Augen. Wie durch einen Schleier sah er die wirbelnden, schwer beschlagenen Hufe eines gepanzerten Streitrosses über sich. Verzweifelt wälzte er sich zur Seite, als sie herunterfuhren, um ihn zu zerquetschen. Schlamm spritzte auf, als die schweren Hufe dort auftrafen, wo er soeben noch gelegen hatte. Ihm war klar, daß dies nur einen winzigen Aufschub vor dem Ende bedeutete, aber er war einfach nicht bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben. Solange noch Leben in ihm war, würde er kämpfen. Bis zum bitteren Schluß.
Wie durch ein Wunder kam er stolpernd auf die Füße, um nur um Haaresbreite einem sauber geführten Lanzenstich eines weiteren Reiters zu entgehen. Lange würde er sich nicht mehr halten können, das war ihm bewußt. Seine Schulter schmerzte bestialisch, und seine Keule war ihm zu allem Überfluß auch noch abhanden gekommen. Er brauchte jetzt dringend ein Wunder, sonst war er erledigt. Sein Blick fiel auf ein herrenloses Pferd, das ein Stück weiter reiterlos unruhig hin und her tänzelte.
Ohne zu zögern rannte er los, denn eines war ihm inzwischen klar geworden: Sollte er überhaupt noch eine Chance haben, diesem Angriff zu entgehen, dann nur zu Pferd. Aber schon im nächsten Moment wurde diese letzte Hoffnung von zwei gepanzerten Reitern zunichte gemacht, die ihm den Weg abschnitten und in perfekter Choreographie ihre Lanzen senkten. Unter anderen Umständen hätte Grüneich diese kämpferische Glanzleistung bewundert, jetzt jedoch ließ sie ihn nur verzweifelt erkennen, daß er endgültig geliefert war. Dann sprengten die Krieger auch schon zum Angriff los.
 
Michael erreichte unbeschadet die andere Seite des Staudamms. Sofort fuhr er außer Atem herum. Erschrocken stellte er fest, daß Streitaxt ihm nicht gefolgt war, sondern sich noch immer einen gnadenlosen Kampf mit dem Dämon lieferte. Michael wollte ihn gerade zurufen, sich zu beeilen, als der Zwerg einen Angriff des Dämons unterlief und seine Streitaxt tief in die Brust seines Widersachers vergrub. Der Dämon ging zu Boden, als habe man ein paar unsichtbare Fäden durchtrennt, an denen er bisher wie eine Marionette gehangen hatte.
Schwer atmend wandte sich der angeschlagene Zwerg Michael zu. Er hatte keinen Zweifel daran, daß er selbst im unverletzten, ausgeruhten Zustand die Distanz vor der Explosion unter keinen Umständen mehr schaffen würde. Überhaupt war es ein Wunder, daß die Zündschnur noch immer nicht abgebrannt war. Aber das konnte sich jede Sekunde ändern. Ihre Blicke trafen sich über die Distanz, und Michael wurde plötzlich klar, daß er den treuen Gefährten für immer verlieren würde.
„Neiiiiinnnn!“
Der verzweifelte Angstschrei Michaels hallte über das Wasser, als er sah, wie der Zwerg mit einem Ruck seine geliebte Waffe aus dem Kadaver des Dämons heraus riß und sie ein letztes Mal stolz zum Kriegergruß hoch über seinen Kopf hob, wobei er Michaels Blick gefangen hielt.
Dann explodierte der Damm.
 
Wird fortgesetzt....

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Klaus-Peter Behrens).
Der Beitrag wurde von Klaus-Peter Behrens auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Klaus-Peter Behrens als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Sex für Motorradfahrer von Klaus-D. Heid



Warum kann 69 bei 200 gefährlich sein? Was ist der Unterschied zwischen Kawasaki und Kamasutra? Wie kommt man am besten auf 18000 Touren? Was hat ein überfälliger Orgasmus mit kostenlosen Ersatzteilen für eine BMW zu tun? Die Welt der heißen Öfen steckt voller Fragen, auf die Ihnen Klaus-D. Heid und Cartoonistin Regina Vetter amüsant erotische Antworten geben.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Fantasy" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Klaus-Peter Behrens

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Artefaktmagie, Teil 38 von Klaus-Peter Behrens (Fantasy)
Eternal Love - Band 1 von Tim Klostermann (Fantasy)
Befriedigte Neugier von Norbert Wittke (Glossen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen