Aus der Zeit meines Praktikums auf einem Bauernhof 1994/95
Dreihundert Schweine wurden hier gemästet, aufgeteilt in drei Stallgebäuden. Hier ging es noch recht bäuerlich zu, nicht wie heute, wo tausende von Tieren in vollautomatisierten Mastställen möglichst billig und schnell ihr Schlachtgewicht erreichen müssen. Sicher, auch hier gab es schon Spaltböden, aber nicht überall. Die jüngeren Schweine hatten einen großen Stall ohne Boxen und mit Einstreu. Die Fütterung erfolgte schon automatisch, jeden falls dort, wo sie nicht gerade kaputt war und man dann eben doch Schubkarrenweise Futter heran karren musste.
Ein besonderes Ereignis war es jedes mal, wenn ein Transport zum Schlachthof anstand. Frühmorgens, noch im Dunkeln ging es los. Henning öffnete die Stalltür. Der Stall hatte einen langen Hauptgang an dem rechts die einzelnen Boxen lagen. In jeder Box befanden sich etwa 10 Schweine. „Pst! Sei leise, die Schweine sind noch ganz ruhig, dann ist es einfacher!“ raunte er mir zu. „Schau, ich habe die, die zum Schlachthof sollen mit Sprühfarbe gekennzeichnet. Wir lassen sie in den Gang, aber pass auf, dass die anderen in ihren Boxen bleiben!“ Jeder von uns beiden hatte nun einen großen Holzschild mit zwei Haltegriffen an der Rückseite, mit dessen Hilfe die markierten Schweine auf den Gang gedrängt werden sollten. An der ersten Box ging es los. Ich sollte an der Boxentür stehen und nur die markierten Tiere durchlassen, während Henning dieselben eben dorthin treiben wollte. So war der Plan. Dann folgte die Realität. Schon das erste Schwein dachte gar nicht daran in Richtung Tür zu gehen, da halfen weder Tritte noch Schläge. Besagtes Schwein zog sich in den hinteren Teil der Box zurück. „Sch......, dann nehmen wir eben das da vorne an der Tür!“ Tatsächlich gelang es Henning, ein nahe der Tür befindliches Schwein auf den Gang zu drängen. Dummerweise folgte gleich ein zweites hinterher. „Das nicht, das ist nicht schwer genug!“ rief er mir zu. Mit vereinten Kräften und unter Fluchen, die ich hier nicht wiedergeben will, gelang es uns das fehlgeleitete Schwein wieder in seine Box zurückzudrängen. Mittlerweile war der komplette Stall in Aufruhr, lautstarkes Quieken und Grunzen erfüllte das Gebäude. Die eben noch ruhigen Schweine liefen wild in ihren Boxen umher. In der zweiten Box waren gleich mehrere Schweine markiert. Auch hier waren die Schweine wenig kooperativ. Zwar gelang es uns ein markiertes Tier auf den Gang zu drängen, dem letztendlich zwei unmarkierte folgten. Ähnliches spielte sich an den anderen Boxen ab. Es kam sogar noch toller. Henning hatte eine Boxentür nicht richtig verriegelt, so dass nun einige Schweine aus dieser Box auf den Gang ausbrachen. Da konnte man jemanden fluchen hören! Als wir nach etwa einer halben Stunde eine passende Anzahl, leider meist nicht markierter Tiere auf dem Gang hatten, hatte Henning die Schnauze voll. „Ach naja, sind ja alle eigentlich fett genug, die jetzt auf dem Gang sind nehmen wir und gut!“
Jetzt folgte Teil zwei. Der Transporthänger wurde rückwärts an die Stalltür gefahren und die Klappe heruntergeklappt, über die die Schweine den Hänger betreten sollten. Henning streute die Klappe mit Stroh aus, damit die Schweine besseren Auftritt finden. Seitlich wurde die Klappe nun mit alten Gitterrahmen begrenzt, die jedoch nicht fest verankert wurden, nein ich und Hennings Vater mussten diese festhalten, während Henning die Viecher in den Hänger trieb. Natürlich versuchten die Tiere unsere Absperrungen zu durchbrechen und wir hatten unsere liebe Not damit dies zu verhindern. Warum, so dachte ich , baut er sich denn bloß kein Gatter, das man fest verankern kann? Das wissen wohl allein die Götter! Unter unsäglichen Flüchen, Tritten und Hieben gelang es dem nun sichtlich entnervten Bauern dann doch, die Schweine in den Hänger zu treiben.
Auf ging es zum Schlachthof nach Braunschweig. Als wir mit Ausladen an der Reihe waren, wurden wir sogleich von einer Veterinärin, der man ansah, dass ihr die Mentalität der Bauern unbekannt war, barsch zurückgewiesen. „Ihr Transport ist ja gar nicht verplombt! Sie wissen doch, dass wegen der Schweinepest alle Schweinetransporte verplombt werden müssen! So dürfen sie ihre Schweine hier nicht abladen!“ Henning, eigentlich ein eher ruhiger Vertreter, war inzwischen vor Wut hochrot angelaufen. „Nein, das weiß ich eben nicht! Und nun sind die Viecher einmal hier!“ Die Veterinärin blieb unerbittlich. „Für sie ist die Außenstelle der Saatzucht Flettmar bei Hillerse zuständig, also fahren sie gefälligst dorthin und lassen sie ihren Transport verplomben!“
Das hieß für uns, die armen Viecher mussten noch einmal 20 km zu besagter Außenstelle der Saatzucht gefahren werden und die gleiche Strecke wieder retour. Nebenbei erwähnt war diese „Verplombungsstation“ ebenfalls 20 km von Hennings Hof entfernt. Der Sinn dieser Maßnahme wurde uns nicht ersichtlich, hätten wir die Schweine doch theoretisch unterwegs gegen andere austauschen können, die nicht die entsprechenden Papiere besaßen.
An der Außenstelle der Saatzucht angekommen, befestigte dann ein Mitarbeiter derselben die vorgeschriebenen Plomben am Hänger, ohne auch nur einen Blick in dessen Inneres zu werfen, ebenfalls Verwünschungen über die verfluchten Bürokraten zum Besten gebend.
Zurück am Schlachthof dann wieder die Veterinärin. „Na also, warum nicht gleich so!“ Henning, dem schon wieder die Zornesröte aufstieg sagte nach den Abladen zu mir: „Lass uns bloß hier abhauen, sonst explodiere ich!“ Henning wendete den Wagen, als schon wieder laut keifend die Veterinärin heran preschte. Wo wollen sie hin, sie müssen den Hänger hier waschen, die Waschanlage ist in die andere Richtung!“ „Ich habe auch Wasser und Hochdruckreiniger zu Hause!“ schnaubte Henning! „Das ist jetzt Vorschrift, wegen der Schweinepest!“ entgegnete die Veterinärin barsch. Also, wenden, Hänger waschen und nebenbei, zum Dampf ablassen, mit den anderen ebenfalls entnervten Berufskollegen Verwünschungen gegen diese verfluchte, arrogante F........ ausstoßen.
Auf der Rückfahrt dann Henning: „Die glaubt doch nicht wirklich, dass ich die Viecher jedes mal nach Hillerse zum Verplomben gondele?“ „Musst Du wohl!“ entgegnete ich. Henning griff in seine Tasche und präsentierte mir zwei Plomben. „Guck mal, die kriege ich da auch allein fest!“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.04.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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von Maria Pfanzelt
Die Nähe zu den Menschen und die Auseinandersetzung mit dem Mensch-Sein geben meinen Gedanken eine Stimme.
Die Hinwendung zum Ich und der innere Dialog haben meine Gefühle zum Klingen gebracht.
Der Poesie gelingen die Worte, den vielen Facetten, den Höhen und Tiefen unseres Seins Ausdruck zu verleihen.
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