Peter Vyskovsky
Wien 2015 - Musik-Mekka im Mai
Wien 2015: Musik- Mekka im Mai
Musik ist in Wien immer ein wichtiges Thema, im Mai 2015 aber besonders. Mit etwas Glück kommt man sogar mit einem Zug hier an, der Mozart, Strauss, Haydn oder ähnlich heißt. Wo ? Das ist seit heuer eine spannende Frage, weil es aus Deutschland sowohl Züge zum klassischen Westbahnhof gibt, als auch den ICE, der den neuen Hauptbahnhof ansteuert und sogar als Flughafen-Verbindung zählt.
Vom neuen Hauptbahnhof, mit dem charakteristischen Rautendach, kann man in alle vier Windrichtungen umsteigen bzw. reisen. Innerhalb von 15 min nach ICE-Ankunft fahren hier Züge nach Polen, Ungarn, die Slowakei, Slowenien und Italien ab, oft braucht man nur auf die gegenüberliegende Seite des Bahnsteigs zu sprinten. 70 Shops und ein Foodcourt sorgen für internationalen Flair von Istrien bis Indien.
Die ehrwürdige Wiener Stadthalle, Austragungsort des heurigen 60. Eurovision- Songcontest, liegt wiederum fast fußläufig zum Westbahnhof oder eine Station mit der Tram oder U6 entfernt. Ja, Wien soll ein grüner Event werden, Parkplätze sind eher rar bei der Stadthalle. Häufig ist die lokale Straßenbahn in den Songcontest- Farben geschmückt. Ein findiger Eventmanager hat sogar sechs „singende Kanaldeckel“ auf ESC- Hits gestimmt. Oder man hört U-Bahn-Weisheiten, gesprochen von Conchita Wurst und gesponsert von den Wiener Linien. Sie sagt nicht wie Udo Linderberg & Co. in Berlin Stationsnamen durch, man erfährt vielmehr Lebensweisheiten wie „Geht einmal eine Tür zu, so geht gewiss woanders gerade eine auf ....“. Naja, hoffentlich nicht während der Fahrt.
Songcontest von Austria bis Australien
Genau 41 Nationen werden heuer zum europäischen SängerInnen-Wettstreit antreten. Viele Teams sind gerade beim Eintreffen und Einsingen, einer der Hauptstützpunkte ist das Park Royal Palace Hotel zwischen Schloss Schönbrunn und dem Technischen Museum, dem drittgrößten Haus dieser Art in Europa. Rund 800 Volunteers stehen zur Betreuung der Länder-Delegationen bereit. Ab 12.5.2015 gibt es die ersten Empfänge in den diversen Botschaften, um die Einheimischen und Branchen-Insider mit den Künstlern bekannt zu machen und die Medien darüber berichten zu lassen. Wieder einmal gibt es Gelegenheit Austria mit Australien zu verwechseln. Den „Aussies“, die große Songcontest Fans sind, wurde ausnahms-weise ein Fixplatz im 60.Jubiläums-Grandprix zugestanden.
Auch die Wiener Ringstraße, die heuer 150 jähriges Jubiläum feiert, hat viel mit Musik zu tun. Immerhin war die neu erbaute Staatsoper seinerzeit das erste Gebäude an der Prachtstraße, dem später die Universität, das Rathaus, das Burgtheater, das Parlament, große Museen und viele weitere Baudenkmäler folgen sollten. Viele Gebäude entstanden bautechnisch im Top-Stand der damaligen Entwicklung, allerdings im historisierenden Stil und das wohl überlegt: das Parlament verbeugt sich vor der griechischen Demokratie, das Rathaus ahmt die bürgerliche Gotik aus Flandern nach, die Universität erinnert an die Renaissance und die Karlskirche in Opernnähe strahlt voll barocker Pracht. Ebenfalls am Karlsplatz (U1, U2, U4) gelegen ist das „goldene“ Musikvereinsgebäude, der alljährliche Schauplatz des globalen Walzer-Konzerts im TV zum Jahresbeginn.
Amadeus, Ludwig, Schani und Udo – 12 points !
Wenn schon in Wien, sollte man natürlich dem Haus der Musik in der Innenstadt einen Besuch abstatten und vielleicht probieren, mal selbst ein Orchester zu dirigieren. Nicht weit davon lohnt sich im Stadtpark am Wienfluss (U4) ein geruhsamer Spaziergang und eine Verbeugung vor dem Denkmal des Walzerfürsten Johann Strauss. Im Kursalon an der Ringstraße wird fast jeden Abend Walzermusik zum Tanz angeboten, im Sommer auch unter den majestätischen Kastanienbäumen des Parks.
Die große Ballsaison Wiens ist eigentlich schon im Karneval gelaufen. Der Globale Ballroom im Mai ist allerdings seit einigen Jahren das Wiener Rathaus mit dem einflussreichen, schrillen LifeBall- Event, das heuer genau eine Woche vor dem Soncontest- Finale stattfindet. Im Kunsthistorischen Museum (U2) hat man eine eigene Führung für Songcontest- Fans entwickelt und matcht barocke Bilder mit ESC-Gewinnern der letzten 20 Jahre. Einer dieser ESC-Gewinner fand vor kurzem am Wiener Zentralfriedhof seine letzte Ruhe. Mit der Tram 71 ist es vom Ring nur ein kurzer Weg zu Udo und seinem mit einem weißen Klavier verzierten Ehrengrab der Stadt Wien. Der beliebte Komponist und Sänger Udo Jürgens war der erste österreichische Gewinner des Eurovision- Songcontests und hat eine Karriere hingelegt, die man anderen Siegern nur wünschen würde.
Wolfgang Amadeus Mozart hat sein eigenes vielbesuchtes Haus gleich hinter dem Stephansdom, es war einst das Wohnhaus seiner Familie. Bei Ludwig van Beethoven ist das nicht so einfach, weil er sehr häufig Logis gewechselt hat. Fast 20 Wohnstätten sind bekannt, besuchenswert sind vor allem das Eroica-Haus in Döbling (S45), wo die berühmte Sinfonie entstanden ist und seine Wohnung in der Probusgasse im gleichen Bezirk. Nicht ohne Grund ist die Gasse dem seinerzeit hier verweilenden römischen Kaiser gewidmet, der Wien auch den Wein bescherte und Döbling Schritt für Schritt zum klassischen Wiener Bezirk der Heurigenschenken machte.
Schubert, Haydn, Weck und andere Sängerknaben
Erholsame Spaziergänge zwischen Weinkulturen, wie sie einst Beethoven am Fuße des Kahlenberges vornahm, lassen hier heute noch Wiens Reputation als lebendiger Weinort miterleben. Döbling begrüßt auch die Donau als erster nördlicher Bezirk in Wien, sodass wir hier eigentlich alle Zutaten haben, die man für gute Wiener Lieder braucht - ein weiterer wichtiger Mosaikstein in der Musikgeschichte der Stadt und eine Liedgattung, der sich auch Hans Moser, Peter Alexander, zahlreiche Opernsänger, aber vor allem die Schrammel-Brüder gewidmet haben. Zwischen Döbling und der Innenstadt liegt der Bezirk Alsergrund (U4), in dem es besonders viele Franz Schubert-Gedenkstätten gibt. Im Haus „Zum schwarzen Rössel“ in der Säulengasse 3 lebte Schubert fast 17 Jahre und komponierte einige Sinfonien sowie den „Erlkönig“. Geselligkeit, Wein und seine künstlerischen Freunde bildeten entscheidende Impulse für sein Liedschaffen.
Die schönsten Bäume blühen wohl die Donau weiter abwärts. Im Prater, wie Operetten-Komponist Robert Stolz überzeugend schilderte. Nicht weit davon entfernt sind seit 1948 die Wiener Sängerknaben im Palais Augarten (U2) untergebracht. Zu Chormitgliedern, die später Promis wurden, zählt die schon 1498 gegründete Institution u.a. Joseph Haydn, Franz Schubert, den Operettenkomponisten Carl Zeller, die Schauspieler Fritz Karl und Peter Weck und .... den Songcontest- Teilnehmer Thomas Forstner.
Peter Weck wirkte einige Jahre lang als erfolgreicher Theaterintendant in Wien und festigte dabei den Ruf Wien als Musicalstadt, indem er u.a. Andrew Lloyd Webbers „Cats“ und „Phantom“ erstmals auf die Bühne brachte. Gegenwärtig verzaubert „Mary Poppins“ Kinder und Erwachsene im Ronacher beim Stadtpark und „Mamma mia“ rockt im Raimund Theater beim Westbahnhof. Im Herbst kehrt das Mozart!- Musical in einer Neufassung mit Thomas Borchert nach Wien zurück. Dass auch das Udo Jürgens Musical „Ich war noch niemals in New York“ großen Beifall fand, versteht sich wohl von selbst. Hier pflegt man eben internationale und eigene Musikertradition.
Klassik, Lieder und große Oper, Wiener Volksmusik, Walzer, Operette, Pop, Chansons und Musical. Es gibt so vieles, was hier aufeinander trifft und sich wechselseitige Impulse liefert. Wien war stets ein guter Boden für Musiker-Karrieren. Möge diese Musik-Magie auch für die Zukunft des heurigen Gewinner-Teams im EBU- Songcontest ein Pluspunkt sein.
Peter Vyskovsky
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.05.2015.
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