Fritz Rubin

Honig im Kopf

~~Honig im Kopf

Dieser Film von Til Schweiger über einen an Alzheimer erkrankten Menschen hat mich sehr berührt und betroffen gemacht. Als Tragikkomödie vereint er Lachen und Weinen, Freude und Traurigkeit, Hoffnung und Nachdenklichkeit in einem ganz besonderen Maße. Die Besetzung dieses Films ist absolut gelungen, die Charaktere überzeugen durch die Bank.
 Didi Hallervorden spielt den kranken Amadeus Rosenbach absolut genial, feinfühlig und unter die Haut gehend, dazu Emma Schweiger als Tilda Rosenbach mit einer unglaublichen Intensität, die ihre große Liebe zu ihrem Großvater widerspiegelt und ihn deshalb so sehenswert macht.
 Dieser Filmtitel spukt mir nun schon seit Monaten im Kopf herum, eben „Honig im Kopf“, süß und klebrig,
 „Alzheimer“, eine Krankheit, an der bei uns 1, 4 Millionen  und weltweit 44 Millionen Menschen leiden.
 Til Schweiger hat da ein Thema aufgegriffen, dass uns alle angeht und uns jederzeit treffen kann. Der Film bewegt, stimmt sehr nachdenklich und ist ob seiner Feinfühligkeit ungeheuer menschlich. Er hat mich gepackt und lässt mich nicht los, ich mache mir Gedanken, wie es wohl bei mir sein würde, wenn erste Anzeichen dieser Krankheit auftreten. Niemand von uns kann sich davon frei machen, obwohl nicht jeder davon betroffen wird.

Was sind denn die ersten Anzeichen?
Wie erkenne ich sie?
Wie und wann beginnt eigentlich dieser schleichende Prozess?
Merken das meine Familie, meine Freunde, meine Nachbarn, mein Umfeld?
Wie reagieren sie?

 Es gibt da schon Momente, die mich grübeln lassen, wie es in meinem Kopf aussieht? Läuft da alles so regelgerecht ab? Oder gibt es da kleinere Aussetzer?
 Ich habe schon seit einiger Zeit festgestellt, dass mir bei unverhofften Begegnungen mit Menschen aus meinem Umfeld entweder der Vorname oder der Nachname nicht einfallen.
 Mit der Zeit habe ich einen Dreh gefunden, diese Unsicherheit zu überspielen, indem ich die Begrüßung mit einem besonders fröhlichen: „Wie geht es dir, mein  Lieber bzw. meine Liebe?“ beginne. Bei Menschen, die ich „Sieze“, folgt eben das förmliche „Ihnen“.  Während des Gesprächs rattert es dann in meinem Kopf, ich suche in den Schubfächern meines Gehirns nach dem Vor- oder Nachnamen meines Gesprächspartners, meistens glückt dann auch dieses „Brain-storming“.
  Ich gehe dann im Gedanken das Alphabet durch und bleibe dann an einem Anfangsbuchstaben hängen, dann ist der nächste Gedanke der richtige, bislang jedenfalls konnte ich immer über diese Eselsbrücke“ gehen.
 Ein Vorfall vor einigen Wochen bei einem Konzert mit Chris Barber hat mich nun aber sehr stutzig werden lassen. Da entdecke im Auditorium einen Besucher, den ich schon seit langer Zeit kenne, wir duzen uns.
 Und da ich ihn lange nicht gesehen habe, gehe ich auf ihn zu und begrüße ihn herzlich mit den Worten: „Hallo, Ernst, wie geht es dir denn? Ich freue mich, dich zu sehen!“  Eben das Übliche bei einer Begrüßung. Mein Gegenüber begrüßt mich ebenso freudig erregt: „Hallo, Heinz, schön dich zu sehen!“
 Nun, mein Erstaunen springt auch auf „Ernst“ über, der nicht so heißt, sondern „Dieter“, der im gleichen Moment feststellt, dass ich „Fritz“ bin.
 „Ich glaube, wir werden älter“, stellen wir unisono fest  - mit lächelnder Erkenntnis. Für mich ist das eine große Erleichterung, denn es geht anderen Mitmenschen offensichtlich genauso wie mir. Wie gesagt, eine kleine Episode so am Rande, aber sie ist mir dennoch aufgefallen.
 Die Schwierigkeit, mir Namen zu merken, begleitet mich schon seit Jahren, ohne dass ich mir darüber große Gedanken gemacht habe. Andererseits habe ich keine Probleme mit Zahlen, wie z.B. die Telefonnummer aus meinem engsten Umfeld. Da benötige ich keinen elektronischen Assistenten, meistens jedenfalls, zumal ich ob der kleinen Tastatur meines Handys Schwierigkeiten mit dem „Handling“ habe. Allerdings kommt es auch vor, dass ich bei Kartenzahlungen die PIN - Nummern vertausche, aber dann kommen rechtzeitig die Stoppsignale aus den grauen Zellen.
 Sind das alles nur Zufälle? Oder sind das die ersten Anzeichen dieser Volkskrankheit?
 Allerdings lässt ja im Laufe des Lebens die Merkfähigkeit nach, eine alte Binsenweisheit, die ich gerne für mich als „Rechtfertigung“ heranziehe.
 
Til Schweiger hat damit ein Tabu-Thema aufgegriffen und es zu einem Meisterwerk umgesetzt, dank einer brillanten Besetzung.

© Fritz Rubin, Liebenburg-Othfresen, 11. Mai 2015

 

 

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