Petra Zeugner-Schünke

Kleine große Welt

Kleine große Welt
Eines Abends, ich saß auf der Terrasse und die Sonne ging gerade rotgolden am Horizont unter, merkte ich wie still es doch war. Kein Laut war zu hören, obwohl ich den Wind auf meiner Haut spürte und sah wie sich die Gräser, Büsche und Bäume im schwindenden Licht wiegten. Gerade als ich mich noch wunderte, veränderte sich das Licht am Himmel – und plötzlich stand alles still. Es wirkte gespenstisch und ich wollte schon ins Haus gehen, aber da sah ich zwischen zwei Bäumen, die am Rande der großen Wiese vor dem Haus standen, dass sich etwas bewegte. Etwas ganz Kleines hüpfte ständig hin und her. Ich schaute mir das eine Weile an, doch es kam mir komisch vor und so entschloss ich mich, mir die Sache mal näher anzusehen. Es war immer noch absolut still und außer dem hüpfenden Etwas bewegte sich rundherum nichts. Als ich darauf zuging, bemerkte ich, dass sich zwischen den Bäumen ein großer Torbogen wölbte. Das kleine Etwas entpuppte sich als winzig kleiner Vogel, der sich auf einem Ast nieder ließ und mich freundlich anschaute. „Willkommen, tritt ein und schau dich ruhig um“, sagte er und schwupps – bevor ich fragen konnte, warum er denn sprechen kann, flog er davon. Langsam ging ich den schmalen gewundenen Weg entlang, der gesäumt war von Blumen, Gräsern und bunt blühenden Sträuchern. Hier schien die Sonne und ein lauer Wind zerzauste mir das Haar. Ein betörender Duft verwöhnte meine Sinne. Ich verschwendete nicht einen einzigen Gedanken daran wo ich hier bin, ich genoss einfach die Schönheit dieses Ortes und folgte einem leisen Plätschern welches ich in der Ferne vernahm. Der kleine Vogel war die ganze Zeit in meiner Nähe und weil meine Schritte recht zögerlich waren, sagte er: „Gehe ruhig wohin du magst“. So folgte ich dem leisen Plätschern und kam an einen Bach mit einem Wehr. Ich ließ mich im Ufergras nieder und lauschte dem Spiel des Wassers, welches langsam zu einer wunderschönen Melodie wurde. Ich schloss die Augen und fühlte die Melodie. Ja, ich hörte sie nicht nur, ich fühlte sie, mit meiner Haut, meinem Kopf, meinem Mund, meinem Herzen, ja, mit meinem ganzen Körper, als hielte ich sie wie ein Kind in meinen Armen. Und auch den würzigen Duft der Luft und der Blumen nahm ich mit all meinen Sinnen und dem Herzen auf. So saß ich ganz still und lauschte dem was ich fühlte. Mir kamen ganz eigenartige Gedanken, zB. wurde mir jetzt erst bewusst mit wieviel Kraft ich meinen Alltag bewältigen muss, wie kaputt und müde ich am Abend heim komme und dann doch nicht schlafen kann, am Morgen völlig kraftlos und innerlich stumpf an mein Tagwerk gehe. Manchmal mag ich gar nicht aufstehen, möchte mich verstecken, unsichtbar sein. Ich finde keine Ruhe. Auch kann ich keine Freude mehr empfinden. In mir ist alles so kalt und ich fühle mich manchmal so leer. Meine Gedanken drehen sich wie ein Karussell ständig im Kreis. Sie machen mir Angst und überschatten all die Erinnerungen an schöne Erlebnisse die ich durchaus einmal hatte. Hier fielen sie mir wieder ein und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ach ist das schön und so friedlich hier. Der kleine Vogel saß ruhig neben mir auf einem tiefhängenden Ast. „Wie fühlst du dich jetzt?“ fragte er mich. Ich schaute ihn nur an… „Oh ja, sagte er, ich kann deine Gedanken hören und auch sehen. „Wer bist du?“ fragte ich den kleinen Vogel. „Ich, sagte der kleine Vogel, ich bin dein Freund, dein Helfer, dein Berater, dein Begleiter, Beschützer und noch viel mehr. Ich bin alles was du willst und was du gerade brauchst und ich werde dich nie verlassen, denn ich bin auch du. Ich weis was du fühlst, was du dir wünschst und ich sage dir: Du kannst vor deinen Problemen nicht davonlaufen, das hilft dir gar nichts. Versuche dich ihnen zu stellen. Ich weis, es ist viel Arbeit, sie wird dir viel – nein, sie wird dir alles abverlangen, du wirst dich so manches Mal fühlen wie durch den Wolf gedreht. Du wirst Angst haben, große Angst. Schlechte Träume werden dich quälen, aber du musst herausfinden worin all deine Probleme und Ängste begründet sind, sie analysieren und abarbeiten, Stück für Stück. Es wird Momente geben, wo du alles hinschmeißen und nichts hören und sehen willst. Für solche Momente ist dieser Ort, bin ich da. Hier kannst du dich fallen lassen, ausruhen, alles noch einmal überdenken und dann überlässt du dein Problem dem kleinen Bach, er wird es mit sich nehmen und forttragen. Du wirst merken, dass du dich dann schon etwas leichter fühlst.“ „Wo bin ich denn hier, und wie kann ich wieder herkommen?“ fragte ich ganz benommen. „Das alles hier was du siehst, hörst, riechst und fühlst bist du, das sind deine Gedanken, deine Wünsche und Träume, deine Sehnsucht vom Augenblick deiner Entstehung. Das Tor ist immer für dich da, wenn du es brauchst, du musst nur daran denken. Dieser Ort gehört dir, denn das alles hier ist die Quelle deiner Lebenskraft, deine eigene kleine Welt, die Heimat deiner Seele.“ © Petra Zeugner-Schünke 2013

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