Udo Barsuhn

Der Zeuge am Fenster

Peter trat benommen vom Fenster zurück und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Gedanken über das Geschehene schwirrten durch seinen Kopf. Wurde er soeben tatsächlich Zeuge eines Mordes oder litt er an Halluzinationen? Es war erst 1 Uhr 30 mittags und um diese Zeit trank er grundsätzlich keinen Alkohol. Eigentlich trank er nie etwas. Selbst auf Parties, wo man ihn nur sehr selten antraf, hielt er sich zurück. Auch nahm er keine Medikamente oder andere bewusstseinserweiternde Mittel ein. Und dennoch: der Gedanke Zeuge eines Mordes geworden zu sein erschien ihn absurd.
Sowas passiert doch nur in Filmen oder Fernsehen, aber nicht in der Wirklichkeit, versuchte Peter sich einzureden. Es gelang ihn nicht. Zu deutlich erinnerte er sich an kleinste Details: die Silhoulette der Frau am Fenster auf der gegenüberliegenden Strassenseite, die gerade ihr langes Haar föhnte, dann das Paar Hände, das sich von rechts ins Bild schob und schließlich der Fön, der zu Boden fiel, als eben jene Hände sich um den Hals der Frau legten und... den restlichen Anblick hatte er sich erspart. Du willst doch keine Alpträume, die dich ein Leben lang verfolgen, oder Peter?, rechtfertigte er sich gedanklich.
 
                                                                                              *
 
Marianne war eine gutaussehende Frau von etwa dreißig Jahren und stolz auf ihre lange Haarpracht. Sie verbrachte sehr viel Zeit mit der Pflege ihres Kopfschmucks.
Auch an diesen Tag stand sie unter der Dusche und spülte gründlich ihre Haare, die sie zuvor kräftig einshampooniert hatte. Wie immer mit ihrer bevorzugten Haarkur eines bekannten Herstellers.
Triefend stieg sie aus der Dusche und griff nach dem Handtuch, das an einen Haken neben der Dusche gehängt hatte. Der akkubetriebene Haartrockner lag schon bereit auf der Anrichte. Die Frau wickelte geschickt das Handtuch um ihren wohlgeformten Körper und nahm den Fön an sich.
Sie schlenderte zum Wohnzimmerfenster und beobachtete das Treiben auf der Strasse, während sie ihr wallendes Haar föhnte. Hinter einen der Fenster auf der gegenüberliegenden Seite bemerkte sie plötzlich eine Gestalt. Verdammter Spanner, dachte sie noch als sich zwei Hände von hinten um ihren Hals legten. Erschrocken ließ sie den Fön fallen, der krachend auf den Boden aufschlug und in viele Einzelteile zersprang.
Für eine Sekunde herrschte eine unheimliche Stille. Dann vernahm sie ein lautes Lachen, welches Marianne nur all zu gut kannte und sie entspannte sich wieder. "Hast wohl ein schlechtes Gewissen?", scherzte ihr Verlobter und massierte sanft ihre Schultern.
Eine Weile genoss sie die wohltuende Massage. Dann drehte sie sich zu ihm um und gab ihn einen dicken Kuss.
 
Der Spanner von gegenüber war da bereits wieder vom Fenster verschwunden.
 
                                                                                              E N D E

(c) Udo Barsuhn, 2015

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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