Irene Beddies

Rache




Rache
(eine Szene zu Patrick Rabes Quadrolski-Geschichten)
 
 
Quader Quadrolski setzte seine übergroße warme Pudelmütze auf und verließ energiegeladen das Haus. Draußen überfiel ihn die bruttige Sommerhitze mit aller Gewalt und trieb ihm den Schweiß aus den Poren.
Trotzdem musste er die Wollmütze auf dem Kopf behalten, um seine noch kalten Gedankenströme am Leben zu erhalten. Er hatte etwas vor, das heißes Überlegen zur Voraussetzung machte.
Am hellichten Tage wollte er ‚unsichtbar‘ sein und den kaltblütigen Überfall auf Herrn Zappelkrümel begehen. Dieser hatte ihn vor drei Tagen entsetzlich beleidigt, als er Quader Quadrolski einen Lügner genannt hatte, weil der sich als auftrumpfenden Dichter bezeichnet hatte.
Nun war natürlich tätliche Rache angesagt, denn mit noch so wuchtigen Worten konnte man Dietmar Zappelkrümel nicht beikommen.
 
Der zuletzt Genannte hielt sich indes in seiner Stammkneipe auf, um wie jeden Tag seine Flasche Billigfusel in möglichst kurzer Zeit hinter die Binde zu kippen. Da es unerträglich heiß und stickig im Schankraum war, hatte er sich auf den Kloraum  im Keller verzogen, um sich bei der Kühle eines laufenden Wasserhahns sein so nötiges Quäntchen zuzuführen. Den Vorfall vor drei Tagen hatte er in seinem Nebelhirn längst vergessen, dachte stattdessen an Elise Mehlklump, die fette Blonde, die er sich ein für allemal erobern wollte.
 
Als Quader Quadrolski im durchnässten Unterhemd die Kneipe betrat, wollte der Wirt ihn erst gar nicht bedienen, so stark roch er nach Schweiß. Quader aber fächelte sich mit einem 50-Euroschein so viel Kühlung zu, dass er einen winzigen Luftzug auf seiner Nase spürte. Der Wirt, ein fetter Gnom mit Glatze, sagte nun aber doch nichts von wegen Abhauen und Gestank, zapfte vielmehr ein großes Blondes für den Gast mit der Pudelmütze und fing ein Gespräch an. „Ist das die neue Sonnenhutmode?“, fragte er grinsend. „Wieso Sonnenhut?  Das ist meine alte Skimütze…die brauche ich, um  meine Rachegedanken in die richtige Hitze zu bringen.“ „Ich habe dir nichts getan!“, schluckte der Wirt, „ich kenn dich ja gar nicht.“ „Nur keine Angst, dir gilt meine Rache nicht. Ich warte auf einen, der hier immer seine Flasche Fusel trinkt.“
Der Wirt ahnte, wen Quadro Quadrolski meinte, schwieg aber und zuckt nur provokant mit den Schultern. Er wollte keine Schlägerei oder Schlimmeres, denn er hatte schon mehrmals die Polizei auf dem Hals gehabt.
Quadro nahm sein Bier, setzte sich an einen mit einer fettfleckigen Papierdecke bedeckten  Tisch an der Wand und wartete.
 
Unten war der Säufer eingeschlafen. Er lag  bequem und kühl unter den Waschbecken auf den Bodenfliesen. Der Wasserhahn lief noch immer.
Oben wurde Quader Quadrolski  allmählich ungeduldig. Drohend ging er an die Theke: „Wo bleibt der Säufer, denn?“, fragte er und sah den Wirt überaus wütend mit gebleckten Zähnen an. „Oh… der…der war schon längst hier und ist wieder verschwunden.“  Unglücklicherweise  sah er in die Richtung der Treppe, die nach unter führte. Quadrolski fuhr herum und stürzte die Treppe hinunter.  Unter musste er erst einmal seinen außer Atem gekommenen Körper an der gekachelten Wand des Vorraums zur Ruhe zwingen. Da hörte er auch schon ein von Rülpsern unterbrochenes Schnarchen aus dem Waschraum. Leise schlich er zur Tür.
Da lag der Zappelkrümel unter den Waschbecken und hielt seine leere Schnapspulle selig im Arm. Eine schlechte Position so unter den Waschbecken. Quadrolski überlegte, wie er am besten feste Hiebe an den Mann bringen konnte, die ihn augenblicklich außer Gefecht setzen würden. Er entschloss sich für einen gezielten Schlag in den Magen. So wuchtig, wie er gerne gewollt hätte, fiel der Schlag nicht aus mangels Bewegungsfreiheit unter den Becken. Das Ergebnis war, dass Zappeklkrümel  sich heftig in einem großen Schwall erbrach auf Quadrolskis Hosenbeine und Schuhe. Er wurde halbwach und rutschte noch weiter unter die Waschbecken. Quadrolski bückte sich nun tiefer, um einen Fußtritt in die Eier seines Gegners zu platzieren. Dabei rutschte er im Erbrochenen aus und stürzte seinerseits auf den Boden, und zwar auf den Hinterkopf.
Der gnomenhafte Wirt, als er aus dem Keller nichts Auffälliges hörte, stieg vorsichtig die Treppe hinunter und schaute um die Ecke. Da lagen die beiden Kerle: der eine an die Wand gerückt unter den Waschbecken, schlafend und schnarchend, der Neue mitten im Raum in einer Blutlache, die ihm unter der verrutschten Pudelmütze hervor rann. Der Gnom erschrak: war hier ein Mord geschehen? Sollte er die Polizei holen? Die würde ihm ein für alle Mal die verdammte Bude schließen.
Da von keinem der beiden Männer für ihn eine unmittelbare Gefahr ausging, trat er ein paar Schritte vor, nahm einen Eimer und füllte ihn mit Wasser. Er goss es über seinen schlafenden Stammkunden, der daraufhin aufwachte, schrecklich fluchte und nach Elise Mehlklump schrie. Einen zweiten Eimer Wasser goss er über Quader Quadrolski – aber ohne Erfolg. Der rührte sich nicht.
„Was is’n?“, fragte Zappelkrümel benommen, kam schwankend unter den Waschbecken hervor und besah sich den Liegenden mit der Pudelmütze. Er nahm die Kotze wahr: „Äh,Sonnenstich?“  „Nee, der war in Wut und wollte dir was. Ist er tot?“, fragte der Wirt. Zappelkrümel bückte sich und riss Quadrolski die Pudelmütze vom Kopf. „Scheiße, der blutet wie ne abgestochene Sau, der Wichser“, bemerkte er und taumelte die Treppe hoch.
Endlich kam der Wirt zu einer Entscheidung und rief den Rettungswagen. Vielleicht lebte der Mann ja noch. Und wenn nicht, hatte er zumindest keine Schuld, denn die übrigen Herumtreiber in seiner Kaschemme konnten beweisen, dass er die ganze Zeit oben war.
Die Sanitäter brachten Quadrolski ins Krankenhaus. Eine große Platzwunde am Hinterkopf wurde genäht. Dazu kam eine Gehirnerschütterung. Quadrolski sollte zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.
Da kam auch schon die Polizei, um ihn auszufragen. Er konnte sich an nichts erinnern, wollte keine Anzeige erstatten, wollte nur in Ruhe gelassen werden.
Klein und hilflos lag er im Bett… die blutige Pudelmütze auf dem Nachtschränkchen.
 
© I. Beddies



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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