Meike Schäfer

Alvarez-Der Schwur-15.Kapitel-Ein ereignisreicher Tag-261-297

Ich stand am nächsten Morgen mit gemischten Gefühlen auf. Einerseits war ich mehr als froh, dass es mir wieder besser ging. Andererseits begegnete ich heute in der Schule Emma, und das zum ersten Mal nach dem Unfall.
Als ich die Treppe herunterkam, sprang mich Victoria schon sofort mit etwas, wie sie es nannte, sehr wichtigem, an.
„Katrin, ich hoffe, dass du es mir nicht übel nehmen wirst aber gestern, als du schon geschlafen hast, hat mich Emma angerufen.“
Wie bitte? Das war nicht nur sehr wichtig, das war lebenswichtig!
„Und? Was hat sie gesagt!“, sprang ich sie ebenso an und drückte die Daumen, dass es ihr zumindest wieder etwas gutging.
„Sie hat mir versichert, dass es ihr gutgeht und du dir bitte keinen Kopf darüber zerbrechen sollst. Sie ist gestern auch zuhause geblieben.“
„Na Gott sei Dank! Und was ist mit Ralph und Julie Langer? Sie war doch beim Arzt, oder?“
„Nicht direkt. Sie hat es auf ihre Haselnussunverträglichkeit geschoben. Julie hat es als kleinen Ausschlag gesehen und eine Salbe gekauft, die dagegen helfen soll. Ach und nebenbei erwähnt, ist Sam gestern vorbeigekommen und hat dir Blätter gegeben und die restlichen Aufgaben. Er hat auch erwähnt, dass er erst nach der vierten Stunde in die Schule kommt, weil er einen wichtigen Termin hat und er hat einen Zettel mit der Entschuldigung dagelassen, die du heute bitte Mr. Bates gibst. Ich habe ihm übrigens gesagt, dass es dir nicht gutgeht.“
„Danke!“
Mit diesem kurzen Dialog war mein Tag ansatzweise gerettet. Ich musste mir keine Sorgen um die Hintergedanken von Emmas Eltern machen, wusste, dass es ihr ansatzweise gutging und musste mir für Sam keinen Grund ausdenken, warum ich gestern zuhause geblieben war, beziehungsweise bei den Cabots. Es freute mich, dass Emma noch angerufen hatte. Denn die Schule war sowieso kein guter Ort um sich darüber zu unterhalten und mein schlechtes Gewissen und die Unwissenheit um ihr Wohlergehen, hätten mich wahnsinnig gemacht. Und das hätte wohl geheißen, einen weiteren Schultag ohne Konzentration fürs Wesentliche zu haben.
Das erste was ich machte, als ich die Schule betrat war, Emma, die einen dicken kuscheligen Schal um den Hals gewickelt hatte, nochmal zu hinterfragen, ob wirklich alles in Ordnung sei.
„Ja, ja, ja, ja, ja! Alles bestens“, versicherte sie mir.
Erleichert ging ich mit ihr zu Geschichte und entschuldigte Sam sofort bei Mr. Bates. Danach hieß es nur noch abwarten, bis die vierte Stunde vorbei war und panisch auf Sam zu warten, der sicherlich auch eine Erklärung für Emmas gestriges Fehlen haben wollte. Ich angespannt, sie ruhig, setzten wir uns in der Cafeteria nebeneinander und warteten auf ihn. Chris hatte sich für diese Pause verabschiedet. Er rauchte wieder mit seinen Freunden. Gott! Wie konnte man nur rauchen! Dass es lebensgefährlich war, schien niemanden zu interessieren! Aber es war ja sein Leben.
Wir entschieden uns etwas zu essen. Da wir so lange gewartet hatten, waren die Theken Schülerfrei. Jeder nahm sich eine Kleinigkeit, ehe wir uns wieder setzten und anfingen zu essen. Mir war es sehr wichtig, dass ich zu Ende gegessen hatte, wenn Sam kam. Dann wäre ich nämlich bestimmt nicht in der Lage gewesen, auch nur ans Essen zu denken. Deshalb drehte ich meinen Kopf immer im Zehnsekundentakt zu der Eingangstür. Ein dutzendmal vergeblich, bis ich ihn auf einmal kommen sah. Zuerst sah er sich im Raum um, bis er uns fand und geradewegs auf uns zusteuerte. Sofort, als sich unsere Blicke trafen, lächelte er mir zu. Dieses Lächeln hätte ich liebend gerne geteilt, aber dafür war ich zu angespannt.
Im Sekundentakt ließ ich meinen Arm an Emmas abprallen, damit sie wusste, dass etwas im Gange war, genauerer, dass Sam im Gange war. Das tat ich so lange bis sie mich mit ihrem Handgelenk unter meinem packte und es festhielt.
„Ich sehe ihn!“, gab sie mir zu verstehen.
Dann drehte ich mich zu ihr. „Was wirst du ihm sagen?“
Sie zuckte die Schultern. „Was soll ich ihm denn schon sagen? Natürlich die Wahrheit. Deine beste Freundin hat dich die ganze Zeit angelogen und verschwiegen, dass sie genau wie ihre Mom eine Zauberin ist. Nur dumm, dass Katrin ihre Kräfte verstecken wollte und ich das Ergebnis dafür abgekriegt habe.“
Fassungslos schaute ich sie an. Was sie sagte stimmte zwar nicht mehr ganz, aber es wäre trotzdem Hochverrat gewesen, wenn sie es ihm gesagt hätte.
„Das ist nicht dein Ernst, richtig?“
Sie nickte. „Richtig.“
Das war schon mal schön zu hören aber ich wusste, dass es Sam sofort auffallen würde. Es musste ihm auffallen. Natürlich war ich seine beste Freundin und als diese wusste ich so etwas. Das dumme war, dass ich somit auch seine Reaktion vorhersehen konnte. Alles bei mir drehte sich jetzt um ihn. Im Moment reagierte mein Hirn auf ihn wie bei einem Film, den man in Zeitlupe abspielt. Nur, dass ich nichts von ihm wollte, wirklich nichts! Noch nicht einmal, dass er sich über Emma Gedanken machte, was unumgänglich war. Hoffentlich half der Schal, die Wunden etwas harmloser aussehen zu lassen - nicht dass sie der Weltuntergang waren, aber auch nicht schön anzusehen.
Als er sich gegenüber von uns setzte, begannen die schwersten Sekunden, die ich je mit ihm verbracht hatte.
„Hi Ladies, und? Was macht ihr … wow.“
Ich hatte es geahnt. Es würde nicht fünf Sekunden dauern, bis Sam Emmas Verletzung bemerkte. Dabei trug sie nur selten einen Schal. Ob das schon alles verriet?
Er musterte die herausragende rötliche Haut und tippte mit zwei Fingern vorsichtig an den gleichen Stellen seines Halses herum.
„Was hast du denn da gemacht?“
Emma zögerte nicht lange für die Erklärung. Ich hoffte sehr, sie würde wieder die Ausrede benutzten, die auch bei ihren Eltern funktioniert hatte.
Hoffe ich, dass ich mich nicht täusche.
Dabei war es eigentlich zu viel von ihr verlangt, dass sie einen guten Freund nur wegen mir anlog. Aber darüber hatte ich kein Sagen mehr. Es lag jetzt an ihr, auf welche Seite sie sich stellte.
„Es ist nicht so schlimm wie es aussieht. Ich habe wegen meiner Allergie einen kleinen Ausschlag bekommen.“
Misstrauisch musterte er sie. Dann kam er zu einem Ergebnis.
„Na dann hoffe ich mal, du bist ihn bald los.“
So wie es aussah, war damit das Thema für ihn wohl erledigt. Dankend blickte ich zu Emma, die etwas an ihrem Schal fummelte. Dass Sam so leichtgläubig war, war mir neu, aber Hauptsache er kannte nicht die eigentlichen Hintergründe.
„Aber das sieht echt bitter aus, also das was ich sehen kann. Sogar noch bitterer wie die Wunden, die ich von meinem neuen Haustier habe. Und ich dachte schon, ich wäre der Einzige, der hier attackiert die Schule betreten würde.“
Emma und ich machten große Augen. Sam und ein Haustier? Er konnte sich ja noch nicht einmal vor seinem Bruder schützen, wie wollte er sich da um ein eigenes Tier kümmern. „Seit wann?“, wollte ich wissen.
„Zwei Tagen. Ihr müsst euch das mal vorstellen. Ich tue alles für den Kleinen und was bekomme ich dafür?!“
Er zog seine Jacke am linken Arm bis zum Ellenbogen hoch. Zum Vorschein kamen kleinere Kratzer und Bisswunden von zwei kleinen Zähnen. Der Anblick lud nicht gerade zum Essen ein.
„Das sieht noch ekliger aus als Chris´ Kunstschleim!“
Emma sah leicht angewidert aus.
„Na vielen Dank. Wetten das, wenn er dich sieht bestimmt denkt, dass es Messerstiche waren und er dann derjenige ist, der den Rest des Jahres an deinem Rockzipfel hängt“, sagte Sam verärgert.
Aber mit dem was er sagte konnte er recht haben. Bei Chris war alles möglich, wenn es um Wunden ging.
„Wenn dann aber nur, weil sie es überlebt hat“, verbesserte ich ihn.
„Und jetzt noch ein bisschen genauer Mrs. Bell.“
Es amüsierte mich immer wieder vor ihm als Besserwisser da zustehen.
„Bei einem oder mehreren Messerstichen in den Hals ist die Chance sehr groß, an den Verletzungen oder hohem Blutverlust zu sterben. Es kommt darauf an, wo man einsticht und wie tief. Wenn man zum Beispiel die Hauptschlagader trifft, führt es sofort zum Tod.“
Sein überfordertes gelangweiltes Gesicht war immer das Beste an allem.
„Das wissen Sie woher.“
„Aus knapp sechzehn Jahren Lebenserfahrung und einigermaßen logischem Denken.“
Er tat beeindruckt. „Interessant.“
Jetzt war aber Schluss mit lustig. Nachher kam das Tier noch aus einem anderen Land und hatte ihn mit Tollwut angesteckt.
„Mal im Ernst, hast du das schon desinfizieren lassen?“
Er nickte. „Man tut was man kann.“
„Vom welchem Tier ist das, einem Reptil?“, fragte Emma mit einem Grinsen auf den Lippen.
„Etwas weicher und zerbrechlicher.“
Das war ja ein toller Tipp. Bei Sam konnte das alles sein.
„Ich frage mich, wer von euch beiden zerbrechlicher ist“, warf ich ein.
„Sag schon.“ Emma beugte sich gespannt vor.
„Es ist ein Hamster“, verkündete Sam.
In diesem Moment konnte ich mein Lachen nicht mehr zurückhalten, Emma ging es genauso. Sam musste das einfach verstehen.
„Hast du dem kein Rad in den Käfig gestellt? Wenn ja ist es kein Wunder, da  er etwas braucht um sich abzuregen und auszutoben.“
Emma musste schlucken, als sie ihren Apfelsaft trank.
„Sehr witzig und nur zu deiner Beruhigung, er hat ein Rad und er hat mir beim Füttern und Tragen die Wunden zugefügt.“
Das war mal eine plausible Erklärung.
„Das beruhigt mich echt!“ Emma sah sich nochmal die Bisse an.
„Hat er schon einen Namen?“
Auf den ersten schönen Moment mit dem Hamster hoffend, erklärte er mir den Ursprung. „Natürlich. Als ich den Namen meiner Mom gesagt habe, hat sie mich gefragt, wieso ich ihn nicht Lachs nennen würde. Ihr kennt ja das Gericht, wofür ich sterben könnte. Sushi. Ich weiß aber nicht was an Schnitzel so schlimm ist.“
„Ist Schnitzel dein neues Leibgericht?“
Es hätte mich gewundert, wenn ich mal den Tag erleben würde, an dem Sushi nicht sein Leben bestimmte.
„Das ist der Name von meinem Hamster.“
Dieses Mal lachte ich in meinen Pullover hinein. Ich lachte so sehr, dass sich in meinen Augen Tränen bildeten. Wenn ich mir einen Hamster platt vor mir vorstellte und das Fell Fleisch wäre … Ich konnte gar nicht daran denken. Bonny oder Schnuffel wäre perfekt gewesen, je nach Geschlecht, aber Schnitzel! Schnitzel machte man höchstens aus so einem Kleinen.
„Der Arme!“ Emma faltete ihre Hände so, als ob sie für den Kleinen beten würde, dass er mit seinem Leben mehr Glück haben würde als mit seinem Namen. „So einen Namen zu bekommen ist auch ein Grund für eine derartige Bestrafung und dieses Verbrechen ist sogar berechtigt“, setzte sie sich für den Kleinen ein.
„Es fehlt noch, dass Chris sich eine Katze kauft und diese Freddy nennt.“
Als ich das sagte, musste auch Sam lachen.
Eine Katze namens Freddy, Haustier von Chris! Das wäre die einzige Katze weltweit vor der ich Angst hätte.
„Kommt schon. So schlimm ist es doch nicht! Ich meine, ich weiß, dass sich das am Anfang verrückt und unzutreffend anhört aber wenn man ihn erst mal sieht, passt der Name zu ihm.“
Davon konnte man nur ausgehen. Oh Gott, die Freddy-Katze ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
„Ich hoffe mit dir, dass du recht hast, sonst komme ich in der Nacht zu dir und übernehme für ihn das Sorgerecht.“
Ich wollte eigentlich noch mehr mit Sam reden aber durch die ganze Sache mit ihm und Schnitzel hatten wir nicht mitgekriegt, wie sich Simon Thorpe, Chris‘ sogenanntes Idol und neben ihm Frauenaufreißer Nummer eins, unserem Tisch genähert hatte. Ich hasste solche Typen. Ich flehte nur, dass er nur so einen Blick auf den leeren Platz neben Sam geworfen hatte, aber vergebens. Emma verdrehte schon die Augen, als er neben Sam stehenblieb, der seinen Ärmel wieder heruntergezogen hatte.
„Hey Leute.“
„Hi Simon“, sagten wir im Chor.
Sam brachte eine gewisse Langeweile in die Worte. Dadurch klang es gleich viel besser. Sofort nahm er neben ihm Platz und warf ihm den Arm um die Schulter. Sam reagierte nicht.
„Was ist los Sam? Bist du mit den Mädchen überfordert?“
Ihm eine richtige Abfuhr zu erteilen hatte sich zwar noch niemand der Mädchen getraut, aber eine musste es ja mal machen. Gerade wenn er Sam auch noch mit einbezog.
„Es scheint so, er schafft es nämlich nicht uns loszuwerden, aber mit deiner Hilfe, bin ich mir sicher, kriegt er das hin.“
Er grinste mich schief an. Man konnte sich damit schnell von ihm einschüchtern lassen. „Ich liebe es, wenn du deine Ironie an mir auslässt.“
Hatte er sie noch alle? Mir reichte es jetzt. Ich nahm meine Jacke und Tasche und stand auf.
„Und wieder habe ich recht. Du hast ihm geholfen uns loszuwerden, zumindest mich.“ Gerade war ich einen Schritt nach hinten gegangen, da kam er wieder mit seinen Sprüchen. „Habe ich dir jemals gesagt-.“
Sofort drehte ich mich zu ihm um. Wutendbrand. Ich bemühte mich nicht zu schreien. Ich wollte nicht, dass alle Augen der Cafeteria auf mich gerichtet sind.
„Egal was du mir jetzt sagen wirst, ich bin mir auch hier sicher, dass du es mindestens einmal gesagt hast.“
„Tatsächlich?“
Ich war so kurz davor ihm an die Gurgel zu gehen.
„Tatsächlich!“
Er schob seinen Stuhl etwas nach hinten und sah mich an. Sein Grinsen war verschwunden. „Da bin ich aber einer ganz anderen Meinung.“
Er konnte diese blöden Sätze einfach nicht mehr ertragen. Ich stützte meine Hand auf Emma Stuhl und sagte ihm, was ich von ihm hielt.
„Hör zu Simon. Mir ist egal, bei wem du dein Glück mit billigen Sprüchen versuchst. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass sie bei normalen Mädchen ankommen, aber es gibt immer Leute, die es nötig haben. Was ich dir damit sagen will ist, versuch es bei anderen aber lass mich damit in Ruhe!“
Plötzlich stand er auf. Sam folgte ihm mit seinem Blick, aus Angst er könnte mir gegenüber handgreiflich werden. Ich blickte hinter ihn und sah, dass alle Augen auf uns gerichtet waren. Jetzt hatte er seinen großen Auftritt. Warum aber musste es immer mich treffen. „Erinnerst du dich noch an den Kampf zwischen Chris und mir vor fünf Jahren?“
Wie konnte ich den nur vergessen. Chris hatte sich dabei fast ein Bein gebrochen.
„Was soll das Simon!“ Ich war gespannt was jetzt kam.
Jetzt hatte er seine Bühne und ich war wirklich gespannt für was er sie nutzte und vor allem, warum ich damit rein gewickelt war. Außer vor dem Kampf ein paar Sätze gewechselt, hatten wir nichts miteinander zu tun.
„Ich war eifersüchtig auf Chris, weil er mit dir zusammen war“, gestand er. Ich glaubte ich hörte nicht richtig. „Ich dachte du stehst auf solche Macker wie er. Selbst als ihr euch getrennt habt, dachte ich das noch und deshalb habe ich mich verändert. Ich habe mir unzählige Bücher mit Flirtsprüchen und Beziehungstipps durchgelesen und sie an allen weiblichen Personen, die mir in die Quere kamen, ausprobiert. Es hat mich gefreut, wenn ich hin und wieder bei Frauen punkten konnte, aber am meisten haben mich deine ständig abweisenden Reaktionen verletzt. Gerade wenn ich sehe, dass du immer noch mit Chris rumhängst, obwohl ich schon seit fünf Jahren versuche, seinen Charakter zu kopieren. Was ich dir sagen wollte ist, dass ich, seit ich dich kenne in dich verliebt bin. Hast du das schon einmal von mir gehört?“
In der ganzen Schule herrschte absolute Totenstille. Alle starrten nur uns zwei an. Es hatte niemand damit gerechnet, dass der größte Macho der Schule nicht so war wie er zu sein schien und das nur für mich tat. Dabei wurde ich noch nicht einmal als etwas Besonderes in der Schule betrachtet. Ruhig versuchte ich auf sein Geständnis einzugehen. Das fiel mir sehr schwer.
„So leid es mir auch tut, obwohl das nicht stimmt. Wenn du versuchst dich zu verändern, nur um mir zu gefallen, ist es für mich noch ein Grund mehr, weshalb ich dich auch in Zukunft abweisen werde. Ich danke dir aber über das Wissen, wieso ich dich seit damals nicht mehr leiden kann.“
Als ich mich umdrehen wollte um endgültig zu gehen, was mir das liebste wäre, schickte er mich mit seinen Worten wieder zurück.
„Das war es oder wie?“
„Was willst du hören?“
Er kam einen Schritt in meine Richtung. Langsam bekam ich vor ihm wirklich Angst.
„Ich spiele mich vor der gesamten Schule auf, nur um vielleicht einmal deine Aufmerksamkeit zu bekommen und du gehst mir noch mehr aus dem Weg!“
„Es tut mir leid Simon“, versuchte ich ihn zu beruhigen, aber er machte weiter.
„Das sagtest du schon und auch, dass das nicht stimmt. Du solltest besser aufpassen was du sagst.“
Als er auf mich losging stand Sam blitzartig auf und stellte sich ihm in den Weg.
„Soll das etwa eine Drohung sein?“
„Ich weiß nicht wie es bei dir aussieht, aber ich glaube du hast mich eben nicht verstanden.“
Er versuchte Sam von sich wegzudrücken.
„Dann mach es Katrin doch nach und sag es erneut.“
Emma bekam langsam Angst um ihn. „Sam, es ist besser wenn du ...“
Aber er unterbrach sie nur. „Ich brauche deine Hilfe nicht Emma, aber ich glaube Katrin.“ Simon gab ein knappes Lachen von sich.
„Das glaube ich nicht, denn hättest du mir eben zugehört, wüsstest du auch, dass ich in sie verliebt bin und jemandem, den man liebt, tut man nichts an. Außerdem denke ich nicht, dass du weisst was gut für sie ist.“
Jetzt zog er auch noch Sam mit hinein. Es reichte ja schon, dass er mich benutzte, ganz gleich ob das was er sagte der Wahrheit entsprach oder nicht. Sam hatte damit aber so gut wie überhaupt nichts zu tun. Wieso musste er denn auch Unschuldige mit reinziehen? Etwa damit seine Bühne größer wurde?
„Ach nein?“ Sams Muskeln spannten sich an.
Ich wusste nicht um wen ich im Moment mehr Angst hatte. Sam oder mich.
„Richtig, ich bin in sie verliebt und du bist nur ihr Freund oder besser gesagt, ein Freund“, als Simon schon so anfing, hätte ich mir am liebsten wirklich ein Messer geholt und es in seinem Herz versenkt. Irgendetwas getan, damit er zu reden aufhörte, denn das was aus seinem Mund kam, entsprach zwar auch zum Teil der Wahrheit, allerdings hatten Sam und ich uns noch nicht einmal im geringsten Gedanken darüber gemacht.
Es folgten weitere Augenblicke, die ganz allein Simon gehörten.
„Natürlich liebst du sie auch aber du wirst sie nie so sehr lieben, dass du mit ihr zusammen sein kannst und ich glaube auch nicht, dass sie diese Liebe erwidern wird. Ihr werdet beide für immer nur Freunde sein und du wirst nie erfahren wie es ist, hier an meiner Stelle zu stehen und sich das gleiche von einem langweiligen armseligen niemals geliebten Idioten anzuhören.“
Sam ging einen großen Schritt auf ihn zu. Ich dachte in diesem Moment wirklich, dass er Simon eine klatschen könnte. Hier und jetzt hätte ich alles von ihm geglaubt.
„Du hast Glück, dass ich Anstand habe, aber auch Pech, weil sich Katrin nie in dich verlieben wird, und wenn du so weitermachst, bist du es noch nicht einmal Wert ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, und das weiß ich, weil ich nur ihr Freund bin.“
Da hatte Sam ein Machtwort gesprochen. Dass er mich so sehr verteidigte, war mir noch nie vorgekommen, aber es versuchte mich ja auch noch nie ein liebeskranker Macho dazu zu zwingen, mit ihm zusammen zu sein.
„Klingt als sprichst du aus Erfahrung.“
Jetzt reichte es. Er hatte mich lange genug verteidigt. Es wurde Zeit, dass ich auch noch mal ein Wörtchen mit Simon wechselte.
„Ja, das tut er“, sagte ich, innerlich bebend. Dabei ging ich langsam auf ihn zu. „Aus der Erfahrung mein bester Freund zu sein und alles, was er über mich sagt stimmt. Auch, dass du meine Aufmerksamkeit nicht kriegen wirst. Ich will dich nie mehr sehen!“
Mit dem letzten Satz machte ich kehrt und ging mit schnellen Schritten zum Ausgang. Seine Worte brachten mich auch nicht mehr zurück.
„Katrin, ich bin noch nicht fertig!“, schrie er.
Bei diesem Gebrüll durchfuhr mich wieder eine Art Angst aber trotz allem war es jetzt besser, ihn alleinzulassen. Obwohl ihm sicherlich nicht mehr viele Frauen blieben, da jetzt alle wussten, dass sein Herz für mich schlug. Bei einer Person, mit der ich mir gut habe vorstellen können, als wir uns damals kennenlernten, einmal befreundet zu sein.
„Sie aber mit dir“, hörte ich noch Sam rufen.
„Fass mich nicht an!“, zischte Simon zurück.
Ich hatte gerade die Tür erreicht, als mich Simons laute Schreie wieder herumrissen. Aber nicht wegen mir, sondern nur aus Angst um Sam.
„Dann hör auf sie zu belästigen.“
Simon hatte nach ein paar Bewegungen und Schubsereien Sams Arm in einem bestimmten Griff. Zuerst musste ich genau überlegen woher ich ihn kannte, aber als ich genau hinsah traf mich der Schlag. Nur eine falsche Bewegung von ihm oder Sam und seine Schulter war ausgekugelt. Aus Entsetzen schrie ich kurz auf und rannte dann den beiden entgegen um schlimmeres zu verhindern.
„Du hast mir gar nichts zu sagen“, hauchte Simon ihm ins Ohr.
Langsam streckte er den Arm noch ein bisschen, indem er ihn nach hinten schob. An Sams Gesicht spielten sich schon Qualen ab. Er kniff die Augen zusammen und bemühte sich nicht zu schreien. Jetzt kam es auf jeden Millimeter an. Schon die Vorstellung, man würde gleich dieses eine Knacken hören und er würde auf dem Boden rumkauern und sein Arm neben ihm liegen und ihm nicht gehorchen, ließ mir im Nullkommanichts Tränen in die Augen fließen. Ich hielt beide Hände vor die Augen und war schon auf einen gewaltigen Schrei gefasst, aber dann hörte ich eine Stimme hinter mir rufen.
Sie war direkt an Simon gerichtet.
„Ich nehme aber mal an der Direktor.“
Kyran kam rein und hielt kurz vor den beiden. Sofort bei seinem Anblick ließ Simon Sam los, welcher sich sofort aufrappelte. Als er zu mir blickte war sein Gesicht rot und auch in seinen Augen hatten sich Tränen gebildet. Ich hielt immer noch die Hand vor den Mund vor Schock. Kyran reichte Sam brüderlich die Hand, welcher sich wieder zurück auf seinen Platz begab.
„Lass gut sein Sam“, ermutigte ihn Kyran. „Er wird damit nie aufhören. Lass ihn erst mal sich selbst wiederfinden.“
Nachdem ich davon ausgehen konnte, dass Sam und sein Arm erst mal in Sicherheit waren und der Direktor auch jeden Moment kommen musste, machte ich mir nicht mehr so große Sorgen um Kyran. Immerhin hatte Simon seine ganze Kraft an Sam verbraucht. Den intensiven feindseligen Blickkontakt zwischen ihm und Kyran nutzte ich aus, um mich wieder einige Schritte zu entfernen. Nach nicht mal drei Schritten, wanderten Simons Augen aber wieder blitzartig zu mir.
„Wenn du jetzt gehst Katrin, wird es dir noch leidtun und das ist ernst gemeint!“
Simon kam auf mich zu. Sollte das jetzt alles etwa von vorn losgehen? Aber Kyran stellte sich ihm, genau wie Sam, direkt in den Weg. Hoffentlich war das kein Fehler.
„Das glaube ich nicht.“
Seine giftgrünen Augen ruhten wieder auf Kyrans. „Was willst du denn hier Cabot? Oder noch viel wichtiger, was willst du von ihr?“
Er zögerte etwas und schaute sich in der Menge kurz um, dessen Aufmerksamkeit immer noch uns vieren galt. Emma hatte auf Sam gehört und sich da rausgehalten. Besorgt sah sie zuerst mich, dann Sam und dann Kyran und Simon an.
„Dasselbe wie du würde ich sagen“, brachte er leicht rüber. „Nur netter und mit besseren Absichten. Mr. Raycolme ist übrigens auf dem Weg.“
Als Simon keinen Ton mehr von sich gab und ihn nur noch vernichtend anstarrte, entfernte sich Kyran von ihm und ging an mir vorbei.
„Komm mit“, murmelte er im vorbeigehen zu mir.
Ich blickte zu Emma. „Emma?“
Sofort drehte sie sich zu mir und stand auf, als sie verstand, dass sie mit mir kommen sollte.
„Natürlich.“
Während sie ihre Jacke anzog und ihre Sachen nahm, sah ich Sam besorgt an. Heute Nachmittag würde ich ihn anrufen und mich für seine Verteidigung bedanken und mich für die Schmerzen entschuldigen. Als Emma fertig war und neben mich trat, blickte sie noch einmal Simon an, der sich bereits hingesetzt hatte.
„Du bist das Allerletzte“, fauchte sie und ich musste innerlich lachen, weil ich es lustig fand, welche unterschiedlichen Methoden jeder Mensch hatte. Sie hielt sich meistens heraus, um dann am Ende etwas beizutragen, wobei sie immer alles auf den Punkt brachte und ich das einfach nur süß von ihr fand. Sie konnte zwar nichts physisch bewirken aber dafür mit ihren Worten. Obwohl sie in meiner Gegenwart nie zickig war. Nur wenn es gerade passte oder die Leute es verdient hatten.
Nachdem Simon außer Reichweite war, ging ich beruhigt hinter Kyran her. Einige Male blickte ich zurück, ob Emma uns auch noch folgte. Kyran ging geradeaus in die Eingangshalle, drehte dann aber nach rechts und blieb auf halbem Weg im Flur stehen, um auf mich und Emma zu warten.
Kaum war ich neben ihm, fing er auch schon an. „Katrin Bell, wie kommt es, dass alle Jungen verrückt nach dir sind?“
Alle Jungen? Er sollte mal nicht übertreiben. Obwohl mir alle Jungen wesentlich lieber gewesen wären, als einer, der meinen besten Freund aus scheinbarer Eifersucht fast die Schulter auskugelte.
„Es wundert mich, dass sich überhaupt einer dieser Draufgänger in mich verliebt hat. Schließlich gebe ich nicht Unmengen für Kleider aus, wie die, die sich toll fühlen, nur weil sie sich verbünden und über andere reden, damit sie das Gefühl haben, beachtet zu werden.“
„Es kommt eben auf die inneren Werte an.“
Kyran und ich drehten uns zu Emma, die gerade bei uns angelangt war.
„Wieso bist du dann noch nicht mit Sam zusammen“, konfrontierte ich sie. „Gerade wo er beides besitzt?“
Ich wusste, dass die Frage nichts damit zu tun hatte, aber das musste ich an dieser Stelle auch mal raus lassen. Würde sie was von Kyran wollen, wäre sie uns nie im Leben so zügig gefolgt.
„Das könnte ich dich auch fragen“, entgegnete sie.
Damit hatte sie zwar Recht aber durch Simons Rede wurde ungewollt alles zum Thema Beziehungsverlauf mit Sam geklärt.
„Die Antwort hast du vorhin schon von Simon gehört.“
„Aber warum Simon? Der Macho der Schule ist in dich verliebt!“
Es war mir klar, dass sie das selbst erst mal verstehen musste, ich ja auch, aber ich musste es verstehen und wollte es nicht.
„Das weiß ich Emma“, sagte ich zappelig.
„Jetzt gibt es ein Problem.“
Verwundert sah ich sie an und warf auch Kyran einen Blick zu, dass er vielleicht wusste, was sie damit meinte aber er hielt sich aus unserem Gespräch heraus.
„Ich hasse Probleme.“ Ich wartete, bis sie mir ihr Problem erläuterte.
„Wie willst du vermeiden, dass du ihn jeden Tag siehst?“
In solchen Momenten war sie ein richtiger Schatz. Dies war ihr Gebiet, mit dem sie sich am meisten auskannte, und in dem ich immer die meisten Sachen übersah. Zu dumm für mich, dass sie damit wirklich Recht hatte und ich dieses kleine Loch bei meinem Versprechen an Simon übersehen hatte. Jemandem bestimmten in der Schule über den Weg zu laufen war gang und gäbe. Aber diesem Jemandem nicht über den Weg zu laufen und dazu noch zu wissen, wann und wo er sich befand und zu versuchen ihm aus dem Weg zu gehen, war leider nahezu unmöglich.
„Für den Anfang ist es nur eine Redewendung.“
„Und danach?“
Jetzt brachte sich Kyran wieder ein. „Es wird kein danach geben müssen.“
Ich glaubte, er hatte die Lage noch nicht ganz verstanden. „Kyran, Emma hat recht. Ich sehe ihn jeden Tag in der Cafeteria, auf dem Schulhof oder auf dem Flur. Wie soll das gehen?“
Er schüttelte den Kopf. „Das sage ich dir später. Muss ja nicht jeder mitkriegen.“
Nicht jeder? Obwohl Pause war, war es hier still. Als ob uns jemand belauschen würde! „Kyran, wir sind hier zu dritt!“
Er wandte sich zu Emma und ging einen Schritt auf sie zu. Ich fragte mich, was jetzt wohl kommen konnte.
„Emma, es ist nichts gegen deine Person. Ich mag dich auch, aber du hast damit nichts zu tun.“
Sprachlos blickte sie Kyran an. „Soll das ein Witz sein? Sie ist meine beste Freundin seit wir uns kennen!“
Arme Emma. Spätestens jetzt hatte sie allen Grund sich Sorgen zu machen. Hoffentlich konnte Kyran da noch etwas machen. Wenn es um Sachen ging, die ihr sehr wichtig waren, wurde sie nahezu unausstehlich und da ich ihre beste Freundin war, sollte das hier auch der Fall sein.
„Wie schon gesagt, es ist nichts gegen dich und ich kann verstehen, dass du deiner Freundin beistehen willst aber es ist besser, ich spreche mit Katrin allein.“
Verdutzt starrte sie ihn an.
„Kommst du damit klar?“
Ich hoffte sie würde es verstehen. Aber ihr jetziger Anblick gefiel mir nicht. So wie es ihr, Sam und mir untereinander nicht gefiel, einen von uns nicht glücklich zu sehen. Wir waren glücklich, wenn der andere glücklich war.
„Ich will nur dein Bestes.“
Emma versuchte zu lächeln aber konnte es nicht richtig. Ich konnte sie verstehen, ich hätte das selbst nicht gekonnt.
„Das wollen wir alle“, brachte Kyran ein.
Beide schauten mich jetzt an. Ein entschlossenes Gesicht und ein bedrücktes.
„Die Pause ist gleich vorbei“, versuchte ich die Stimmung ein bisschen zu heben. „Machen wir uns schnell auf den Weg, sonst laufe ich Simon schon jetzt über den Weg.“
„Gute Idee“, stimmte mir Emma zu.
Als wir uns zu dritt auf den Weg zu Mathe machen wollten, stoppte mich, und damit uns drei, eine Stimme von hinten.
„Mrs. Bell.“
Ich drehte mich um und sah Mr. Raycolme auf uns zugehen.
„Ja?“
Er räusperte sich. „Ich habe Mr. Thorpe und Mr. Coleman wegen des Vorfalls entlassen. Und es sind ja sowieso nur noch zwei Stunden. Da Sie anscheinend, wenn auch ungewollt, der Auslöser für diesen Konflikt waren, dürfen Sie auch gehen.“
Sprachlos und mit offenem Mund starrte ich ihn an. „Ist das Ihr ernst?“
„Natürlich nur wenn Sie wollen. Mr. Cabot wird Sie dann begleiten.“
Mr. Raycolme und ich warfen einen Blick auf Kyran.
„Es wäre mir ein Vergnügen“, schmunzelte Kyran. „Immerhin keine Schule.“
„Freuen Sie sich nicht zu früh Mr. Cabot“, sagte Mr. Raycolme ernst.
Es sollte sicherlich nicht ernst rüberkommen aber wenn man schon die Ehre hatte, einmal früher nach Hause zu können, dann nicht ohne Konsequenzen.
„Sobald Sie Mrs. Bell zu Hause abgesetzt haben, erwarte ich von Ihnen einen Anruf und um auf Nummer sicher zu gehen, bestehe ich auch auf einen Anruf von ihrer Mutter.“ „Verstehen Sie mich bitte nicht falsch Sir, aber was hat meine Mom mit der Sache zu tun?“ Das fragte ich mich auch.
„Nicht Ihre Mutter! Mrs. Bells Sorgeberechtigte“, ergänzte er Kyran.
Meine Sorgeberechtigte! Dieses Wort hörte sich schlimm an. Da würde es mir ja noch weniger ausmachen, Victoria Mom zu nennen.
 „War ja nur eine Frage … Selbstverständlich Sir.“
Mr. Raycolme wandte sich zu mir, um auch meinerseits eine Bestätigung zu erhalten.
„Natürlich Sir.“
„Und Mrs. Langer“, verwundert darüber, dass Emma auch ins Spiel kam, wechselte ich den Blick zu ihr. „Die Pause ist in drei Minuten vorbei. Ich schlage Ihnen vor schon zu Mathe vorzugehen.“
Sie nickte. „Ich mache mich sofort auf den Weg.“
„Dann wünsche ich Ihnen noch einen guten Tag“, winkte er ab und wandte sich von uns ab.
„Danke Sir“, sagten wir drei im Chor, um ihn zu verabschieden.
„Mrs. Bell.“ Er drehte sich zügig noch einmal zu uns um. „Ehe ich es vergesse. Es geht mich zwar nichts sonderlich an, aber Mrs. Furth-Borange hat mir erzählt, dass sie beobachtet hätte, dass es ihnen in letzter Zeit nicht sehr gut ging -.“
Wie bitte? Wer war diese Frau? Wieso hatte ich noch nie etwas von ihr gehört, obwohl sie hier unterrichtete? Wieso beobachtete sie ausgerechnet mich und sagte es dann dem Direktor? Und wieso bekam ich von alledem nichts mit?
„Jedenfalls“, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, „habe ich einen guten Freund, den ich Ihnen empfehlen würde aufzusuchen, nach dem, was mir geschildert wurde. Dr. Mitch Kennock, er ist Psychologe. Ich gebe Ihnen mal seine Visitenkarte. Er kann Ihnen sicher helfen.“
Hatte Mr. Raycolme etwa einen Knall? Wenn jemand einen Psychologen brauchte, dann Simon. Er übergab mir ein kleines weißes Visitenkärtchen mit blauen Wellenlinien oben und unten. Sein Freund wohnte in Bellingfield. Bellingfield lag minimal eine Stunde von Warden Springs entfernt. Um ihn zu besuchen müsste ich dort schon übernachten, damit sich der Weg lohnte.
Zum Glück war ich aber nicht auf ihn angewiesen.
„Ich überlege es mir“, sagte ich zögernd.
„Aber nicht zu lange! Er hat einen vollen Terminkalender“, wies er mich darauf hin.
Dann ging er wieder und verschwand in seinem Büro. Wir gingen zum Ausgang aber es war seltsam. Normalerweise ging Sam an Kyrans Stelle mit uns. Dies war das erste Mal, dass Kyran sich überhaupt mit uns so lange beschäftigte. Als wir sichergehen konnten, das Mr. Raycolme uns garantiert nicht mehr hören konnte, brach aus Emma endlich wieder ein Funke Freude. Sie fing an zu kichern.
„Was sollte das denn?“
„Er setzt sich für seine Schule ein und für jeden einzelnen Schüler. Ganz nach dem Schulmotto“, versuchte Kyran eine logische Antwort zu finden. Als wir die Tür erreicht hatten, verabschiedete sich Kyran schon mal von Emma und joggte zu seinem Auto.
„Viel Spaß bei Mathe“, wünschte ich ihr.
Ich wollte sie umarmen aber sie bremste ab.
„Du weißt, dass ich Mathe für einen anderen Planeten halte, auf dem es den Menschen nicht gut geht.“
Ja, das wusste ich. Mathe war für sie wirklich wie eine andere Welt. Sobald sie den Raum betrat, ging sie in die Hölle und wenn der Unterricht aus war, fand sie so langsam wieder den Weg ins richtige Leben. Also so wie es mir immer in Physik ging. Dass der Satz aus Ironie bestand, schien sie wohl nicht gehört zu haben.
„Sobald du wieder auf der Erde angekommen bist, empfange ich dich mit einem Lächeln und Schokokeksen.“
„Falls du das ernst meinst, bin ich nicht mehr sauer auf dich.“
Natürlich meinte ich das erst. Jetzt musste ich nur noch einen Weg finden bis morgen an Schokokekse zu kommen. Und bereits das zweite Mal an diesem Tag hatte ich etwas gesagt, was ich nicht halten konnte.
„Habe ich dir gegenüber schon mal was Unernstes gesagt? Außerdem ist Chris auch noch da.“
„Der lässt mich auch garantiert nie im Stich.“
„Das tue ich ab morgen auch nie mehr.“
Ich wollte es ihr eigentlich versprechen, aber ich hatte ein merkwürdiges Gefühl bei Kyran. „Na dann. Schönen Aufenthalt beim Psychologen“, lachte sie.
„Nur in deinen Träumen.“
Mit diesem Satz klingelte es und Emma machte sich hastig auf den Weg zu Mathe. Ich wiederum war froh, dass ich heute keine Schule mehr haben musste, dass es Wochenende war und das Kyran mich begleitete. Natürlich würden wir nicht zu Victoria fahren sondern zu seiner Familie. Ich lief zu seinem Auto und stieg ein. Er wartete noch bis alle Schüler das Gebäude betreten hatten. Dann fuhr er los. Mit einem letzten Blick auf die Schule fragte ich mich, wie es Sam wohl jetzt ging. So konnte er auf keinen Fall Auto fahren. Am besten sollte er in das Krankenzimmer geschickt werden, damit man seinen Arm und seine Schulter untersuchen konnte. Und Simon sollte sich ein paar Tage Urlaub nehmen. Obwohl ich auch freiwillig die Schule schwänzen würde, nur damit ich ihm nicht über den Weg lief. Aber mir, die es am wenigsten getroffen hatte, einen Psychologen zu empfehlen, konnte ich absolut nicht nachvollziehen.
„Was zum Teufel bildet sich Raycolme ein!“
„Er will dir helfen. Auf seine Weise.“
„Mit einem Psychologen nach dem Kindertheater von Simon?“
„Vielleicht macht er sich Sorgen“, meinte Kyran.
Diese Mrs. Furth-Borange macht sich bestimmt noch mehr sorgen!
„Ich habe mit meinem privaten Leben schon viel zu kämpfen. Wenn es sich auch noch auf die Schule überträgt, raste ich aus!“
Er hielt die Hand hoch, als Zeichen dafür, dass jetzt sein Part war. „Darüber muss ich mit dir sprechen.“
Ich überlegte kurz, dann erinnerte ich mich, dass er Emma ausgeschlossen hatte. Fragte sich nur warum?
„Ach ja, die Aktion von eben. Warum hast du Emma so abgewiesen?“
„Weil ich denke, dass du sie über uns und Tyrece noch nicht informiert hast.“
Das war ein gutes Argument.
„Ich halte dann mal meine Klappe.“
„Sparst du dir die Energie für deine Mom auf?“
Anscheinend erzählte Matt nicht viele Sachen, die ich ihm erzählte, die sich bei uns abspielten, weiter.
„Wir haben uns schon lange wieder vertragen.“
„Gut“, sagte er erleichtert. „Dann ist das Problem aus der Welt geschafft.“
Als wir an der Kreuzung ankamen, an der ich das erste Mal so verwundert gewesen war, dass Matt einfach weiter geradeaus fuhr anstatt nach links abzubiegen (was mich sowieso gewundert hätte, da es ein riesen Umweg gewesen wäre), wollte ich mich noch einmal absichern.
„Wo bringst du mich hin?“
„Zu meinem Bruder. Matt erklärt dir alles. Ich rufe Victoria an, wenn ich dich bei uns abgesetzt habe.“
Es schien, als hätte er wieder einmal alles gut durchgeplant, wie es in seiner Familie so üblich war.
„Kann ich dich noch etwas fragen?“
„Das tust du sowieso immer.“ Da hatte er recht.
„Was hältst du von Simons Aktion?“
Er zuckte die Achseln. „Für den Fall, dass du seine erste Liebe bist, hat das was er gemacht hat Sinn.“
Vielleicht in gewisser Weise sein Vortrag, aber das, was er mit Sam gemacht hatte, war unverzeihlich und auch nicht nachvollziehbar.
„Fandest du das zu übertrieben?“
„Für seine erste Liebeserklärung überhaupt nicht. Also das mit Sam ist natürlich übertrieben. Ich meine, er hätte ihn verletzten können.“
„Er hätte ihn auch verletzt, wärst du nicht gekommen. Aber ich bin nicht dazwischen gegangen, weil ich unter Schock stand. Glaubst du das war richtig?“
„Du hast das getan, was du für richtig gehalten hast.“
Dummerweise war fast alles, was ich für richtig hielt und tat, falsch. Auf jeden Fall das wichtigste.
Als wir um die Ecke in ihre Straße bogen und ich schon die ersten Bäume der Allee sehen konnte, kam mir Matt in die Gedanken. Sollte er das heute erfahren?
„Soll ich Matt davon erzählen?“
„Wenn es für dich wichtig ist, dass er es erfährt, mach es.“
Also erzählte ich es ihm wohl. Aber nicht, dass er im Nachhinein noch denken würde, Simon wäre genauso eine Gefahr für mich wie Tyrece. Aus irgendeinem Grund kam ich im Moment im Zusammenhang mit Tyrece zum zweiten Mal auf Emma. In der Kategorie absolutes Gegenteil würde das einen Sinn ergeben, aber dass ich durch Emma auch noch auf Mr. Raycolme kam, machte mir Sorgen, ob mein Gehirn noch normal arbeitete. Etwas Positives hatte es jedenfalls. Eine Frage, die ich Kyran, noch während er den Satz aussprach, stellen wollte aber sie wieder vergaß, bis jetzt.
„Was sollte eigentlich das mit dem Schulleiter? Immerhin keine Schule?“
„Ich muss mich zumindest etwas deinen Schülern anpassen, sonst denkt man noch, ich wäre unnormal.“
Wenn man mit ihm zusammen war und verhindern wollte, dass er dachte, dass jeder Satz den er ausspricht irre komisch war, musste man den Spruch, sich totlachen, wörtlich nehmen.
„Lieber unnormal sein als ein Arschloch.“
Verärgert schaute er mich an. „In letzter Zeit fluchst du mir aber zu viel.“
Mich wunderte es, dass ihm so etwas sofort auffiel, während er in jeder Art und Weise versuchte, die Welt mit Humor zu nehmen. Und zwar Humor der nicht gespielt war und so auch bei seinen Mitmenschen, insbesondere mir, ankam.
„Das ist zwar nicht schön und auch nicht meine Art, aber …“
Er streckte wieder seine Hand hoch. „Kein aber. Und zum hunderttausendsten Mal, du wirst nichts an der Situation ändern können, in der du gerade steckst.“
Besser gesagt, wir waren schon praktisch da.
„Aber ...“
Bevor ich überhaupt noch etwas sagen konnte, hielt er mir schon den Mund mit seiner Hand zu. Aber nur für einen kurzen Moment, da er das Auto auf Dauer nicht mit nur einer Hand lenken konnte und als er sie wieder löste, blieb ich automatisch stumm.
„Wie gesagt. Kein aber. Wenn es in der Form Probleme gibt, besprich sie mit Matt und nicht mit mir und halte dich bis wir da sind an den Satz, den du vorhin so großzügig sagtest und halte mal deine Klappe!“
Bis wir da waren, waren es zwar nur noch ein paar Meter aber Matt lehnte schon an der Haustür und wartete auf uns.
Als Kyrans Auto still stand, nahm ich meine Schultasche, sprang aus dem Auto und rannte auf Matt zu, der mich mit einem Lächeln, wie immer, empfing.
„Katrin.“
Ich wusste nicht was ich in diesem Moment tat, es war eine Kurzschlussreaktion. Ich rannte auf ihn zu und viel ihm um den Hals. Falls er darüber verwundert war, konnte ich das nachvollziehen. Um ehrlich zu sein, würde ich mit anderen Reaktionen überhaupt nicht rechnen.
„Ist mit dir alles ok?“
Ja, mit mir war alles ok, bis auf, dass ich erfahren hatte, dass Simon Thorpe, der größte Macho den ich kannte, in mich verliebt war und dies durch die ganze Cafeteria posaunte und, dass er meinem besten Freund Sam, nur weil dieser mich vor ihm beschützen wollte, beinahe die Schulter ausgekugelt hatte, wäre Kyran auch nur eine Sekunde später gekommen.
„Ja, ich habe dich nur vermisst.“
Ich löste mich von ihm und er sah mich verwirrt an. Vielleicht löste die Bezeichnung vermisst andere Gedanken aus als erwartet. Obwohl es für diese Bezeichnung keine falschen Gedanken gab. Ich meinte das ja auch ernst aber aus dem Grund, dass ich mich an seiner Seite, und im Allgemeinen bei seiner Familie wohler fühlte, und dass ich nach dem ganzen Stress in der Schule, der ausnahmsweise mal nichts mit der Schule an sich zu tun hatte, froh war in guten Händen zu sein.
„Ok? Und was ist mit dir los?“ Er sah an mir vorbei zu Kyran, der leicht angespannt an uns vorbeiging.
„Mir geht ihr Meckern über ihre Person und jetzige Lage so auf die Nerven! Ich bin froh, dass du derjenige bist, dem sie alles erzählen kann und nicht ich! Es tut mir leid aber für heute bin ich mit ihr fertig!“
Ich war von seiner Reaktion wahrhaftig schockiert. So rasend hatte ich ihn noch nie erlebt. So eine Seite war ich von ihm gar nicht gewöhnt.
„Was hast du ihm angetan, damit er so eine Laune bekommt“, wollte Matt wissen.
„Ist es wirklich so schlimm?“, versuchte ich mich noch rauszureden und erhoffte, dass es nicht so schlimm war, wie ich dachte.
„Keine Ahnung aber so verärgert habe ich ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.“
Das konnte ich mir sehr gut vorstellen. Es verwunderte mich nur, dass Kyran auf einmal für so kleine Dinge schon keine Nerven mehr hatte.
„Ich weiß nicht wie ich es dir erzählen soll“, fing ich zögernd an.
Er unterbrach mich aber, indem er mich ins Haus wies. Und ehrlich gesagt war ich darüber auch sehr froh.
„Komm erst mal rein. Es sind noch Pancakes mit Schokosauce übrig.“
Zu gerne würde ich etwas essen aber seitdem Simon fast Sams Schulter ausgekugelt hatte, hörte ich immer dieses Knacken im Hintergrund, welches ich eben auch erwartet hatte. Auch nur beim Gedanken daran, wurde mir schlecht.
„Sorry, aber mir ist in den letzen Stunden der Appetit vergangen.“
Als wir ins Haus gingen, schloss er die Tür und ging bis zur Küche vor.
„Gibst du mir deine Tasche.“
Ich gab sie ihm und er legte sie auf dem Stuhl unterhalb der Treppe ab. Dann wies er mich mit einer Handbewegung in die Küche.
Auf dem Tisch waren die Pancakes und eine Tube mit Schokosauce. Schon bei dem Duft der Pancakes, der im ganzen Raum verbreitet war, lief mir das Wasser im Mund zusammen aber ich wartete noch etwas. Vielleicht ging es mir ja besser, wenn ich Matts Meinung zu diesem Vorfall hörte.
„Danke. Ich habe Bedenken, wie du darauf reagieren wirst.“
„Hat Salomé dich im Traum überrascht?“
Haha. An den Traum wollte ich gar nicht erst denken aber aus irgendeinem Grund brachte er mich damit zum Lächeln.
„Das ist nicht witzig!“
Natürlich klangen diese Worte durch meinen lachenden Mund nicht wie sie sollten. Was mich am meisten verärgerte, aber was wollte man machen.
Wir setzten uns an den Tisch. Ich genau da, wo ich das letzte Mal neben Shaynia gesessen hatte und Matt genau da, wo Shaynia saß. Mit dem Unterschied, dass er sich zu mir gewandt hingesetzt hatte und nicht zum Tisch.
„Das ist mir klar, aber es bringt dich in eine bessere Stimmung und ich mag es, wenn du lächelst.“
Sofort verfinsterte ich meinen Blick. „Ich meine das ernst!“
„Was?“
„Das ich dein Lächeln mag.“
Je länger ich mein Gesicht nicht bewegte, desto mehr Freude machte es ihm.
„Soll ich etwa jeden Tag nur lächeln.“
Eigentlich würde das klappen. Kyran war ja immer anwesend, wenn ich hierhin kam. „Nein! Dann müsstest du dich ja verstellen.“
Gerade noch rechtzeitig aufgefallen, zumindest fiel ihm so etwas auf. Dabei musste ich mich in diesem Sinne nicht vor Kyran verstellen aber davon ganz abgesehen, würde ich mich nie für einen Menschen verstellen. Nicht so wie Simon.
„Apropos verstellen. Das macht Simon.“
Matt überlegte, kam aber doch nicht drauf. „Welcher Simon?“
„Simon Thorpe“, half ich ihm auf die Sprünge.
„Und der Grund dafür?“
Ich gestand: „Ich.“
Er machte große Augen. „Du! Ein besserer fällt mir nicht ein.“
Konnte er denn nicht gerade jetzt ernst sein?
„Matt! Er hat das nur gemacht, weil ...“
„Weil?“
Mir war aus unerklärlichen Gründen klar gewesen, dass es mir schwer fallen würde, ihm das mit Simon zu sagen, obwohl er damit nichts zu tun hatte. Ich wusste auch nicht warum. Vielleicht wollte ich auch einfach nur nicht an die Sache mit Sam erinnert werden. Aber wenn er es verstehen sollte, blieb mir nichts anderes übrig, als die ganze Geschichte von vorne bis hinten nochmal komplett durchzukauen.
„Weil er seit fünf Jahren in mich verliebt ist.“
Einen Moment herrschte Stille. Es gab über tausend Möglichkeiten, wie er reagieren konnte. Vielleicht verging die kurze Stille für mich auch nur so lange, weil ich mit allem rechnete und mir alles vorstellte. Damit, dass aber nur ein einziges Wort kam, hatte ich im Leben nicht gerechnet. Um ehrlich zu sein war ich etwas enttäuscht.
„Oh.“
„Oh?“
„Damit hätte ich nie gerechnet“, versuchte er sich zu verbessern. „Nachdem was ich alles über ihn gehört habe.“
Je mehr ich über ihn nachdachte, desto energischer wurde ich. „Es ist unglaublich. Seit fünf Jahren versucht er Chris zu kopieren, nur um bei mir Chancen zu haben. Das ist doch krank!“
Der Name Chris reichte ihm schon. Es kam mir vor als hätte er alles, was danach kam, ignoriert.
„Ich finde es krank Chris nachzumachen. Einen Charakter wie er muss man von Geburt auf haben um ihn richtig zu beherrschen.“
Ungewollt musste ich wieder lächeln. „Matt!“
Sofort erhellte sich sein Gesicht wieder und er zeigte auf mich. „Da ist das Lächeln wieder.“
Ich hasste mich für den Teil meines Gehirns, der mich immer sichtbar zum Lachen brachte. „Matt bitte.“
Er hob seine Hand um einen Versuch zu starten, das Thema zu beenden und wieder ernster zu werden.
„Ok, er ist also in dich verliebt und kopiert deshalb seit fünf Jahren Chris“, fasste er noch einmal für sich zusammen.
„Genau“, bestätigte ich ihn.
„Wieso überhaupt Chris?“
Kaum dachte ich, das Schlimmste wäre geschafft, wartete auch schon das nächste auf mich. Immerhin näherten wir uns wieder in kleinen Schritten der Gegenwart.
„Als er sich in mich verliebt hat, war ich mit Chris zusammen.“
„Du warst einmal mit Chris zusammen!“ Er wirkte leicht angewidert.
Aber da musste ich jetzt durch. Zu meiner Verteidigung regierten damals aber noch keine Schattenseiten sein Leben.
„Ja. Was ist daran so schlimm.“
„Die Vorstellung. Ihr stammt praktisch aus verschiedenen Welten und wart zusammen?“ Normalerweise passte jetzt der Spruch Gegensätze zogen sich an, aber gerade vor Matt schämte ich mich dafür mit ihm zusammen gewesen zu sein. Es lag nicht etwa allein an Chris, sondern es war mir im Allgemeinen unangenehm über meine erste Beziehung zu sprechen.
„Das war damals nichts Ernstes. Bis vor zwei Jahren habe ich noch geglaubt, dass man sich in jemanden verlieben kann, wenn man ihn nur attraktiv findet.“
„Du findest Simon attraktiv?“
In mir braute sich etwas zusammen, an dem ich mich so langsam verkrampfte. Ich wollte alles so schnell wie möglich hinter mich bringen und deshalb schnell alles erzählen und dann noch eine Erklärung dranhängen, aber das konnte ich nicht, wenn er immer dazwischen redete.
„Nein verdammt. Kyran hat recht. Ich fluche in letzter Zeit echt viel.“
„Wenn du ihn damals nicht attraktiv gefunden hast, was hat dich dann dazu getrieben, mit ihm zusammen zu sein.“
Was sollte man dazu sagen? Damals verstand man es einfach als Spaß. Heute konnte man sich gar nicht mehr vorstellen, so etwas je getan zu haben und dann auch noch aus diesen Gründen. Spaß und Dummheit. Die Hauptgründe.
„Keine Ahnung. Es war einfach nur Spaß.“
„Verstehe, nur Spaß.“
Ich konnte einerseits verstehen, dass Matt das nicht mehr verstand, da seine Kindheit schon etwas länger her war. Aber andererseits verstand ich es auch nicht. Konnte er dafür nicht Verständnis haben und es mit Humor nehmen? Das tat er aber sowieso nicht und daher blieb mir nur noch eine Sache, sozusagen als Ablenkung.
„Bist du eifersüchtig oder was?“
Er heuchelte, wie wenn ihm dieser Satz die Sprache verschlagen hätte. „Als ob ich es nötig hätte, mich mit Chris und Simon zu vergleichen.“
Nur weil ich mit Chris zusammen war und sich Simon in mich verliebt hatte war das noch lange kein Grund so von ihnen zu reden. Auch wenn sie es manchmal verdienten.
„Sag mal geht’s noch! Mit Simon hast du auf eine Weise voll und ganz recht aber Chris ist immer noch mein Freund.“
Er wurde sofort ruhig und ließ sich fallen. Mit einer Hand stützte er seinen Kopf auf den Tisch. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Spätestens jetzt war für jeden von uns klar, dass uns zu streiten die Sache auch nicht besser machte und uns gegenseitig fertig.
„Entschuldigung für mein Benehmen“, flüsterte er.
Matt schaute mich dabei noch nicht mal an, sondern blickte einfach nur in die Leere. Wie man nur so schnell sein Empfinden ändern konnte.
„Normalerweise verhalte ich mich anders, aber ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen.“
Ich musterte ihn, und mir fiel nichts Sonderbares auf. „Das merkt man dir gar nicht an.“ Seine Augen blickten mich wieder an und er brachte ein leichtes Grinsen hervor.
„Merkt man mir an, dass ich locker vierhundert Jahre hinter mir habe?“
Jetzt musste ich mit grinsen. Innerlich kam ich mir dumm vor. Wie konnte ich auch nur für einen Augenblick vergessen, dass er nicht alterte, oder wenig!
Dank diesem Gemisch aus Blut und Wasser. Aber trotzdem gut, dass wir auf dieses Thema nochmal zu sprechen kamen. Etwas quälte mich nämlich schon die ganze Zeit, seit ich das Wort Vampir in Bezug auf ihn gehört hatte.
„Wie alt bist du eigentlich?“
Er verdrehte die Augen und setzte sich wieder aufrecht hin. „Ich wusste, dass die Frage irgendwann kommt, aber ich hätte mir gewünscht, dass es etwas rausgeschoben wird.“ Matt hatte auf jeden Fall genügend Zeit um sich auf diese Frage vorzubereiten.
„Jetzt kommst du nicht mehr drüber weg!“
Er zögerte etwas, als müsste er nach der perfekten Antwort suchen. „Also gut. Was schätzt du.“
Ich musterte ihn noch einmal ausführlich und überlegte. Ich hatte ja bereits vom ersten Moment an, als ich noch dachte, er sei ein ganz normaler Mensch, sein Alter eingeschätzt. Jetzt war ich mir aber nicht mehr so sicher und wollte ihn auch nicht beleidigen, falls ich ihn zu alt einschätzte. Das einzige sichere, das ich hatte, war das was er mir eben verraten hatte. Also grob vierhundert Jahre hinter sich. Das war echt ein super Tipp! Aber es half alles nichts. Ich ging einfach von meiner anfänglichen Vermutung aus.
„So achtzehn bis neunzehn?“
Er schaute an sich herunter und war, soweit ich es einschätzen konnte, positiv überrascht. „Das ich nach all den Jahren noch so jung wirke.“
„Matt mach es nicht so spannend.“
Er rieb sich die Hände. „Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht mehr so genau. Ich habe bei zweihundert Jahren aufgehört, zu zählen. Inzwischen dürften es um die vierhundert sein, aber die Spritze nehme ich seit meinem einundzwanzigsten Lebensjahr.“
Dann lag ich mit meiner Schätzung ja nicht so weit daneben. Aber es jetzt genau zu wissen, veränderte schon etwas meine Sicht auf ihn.
„Wow.“
„Na, schockiert, dass du mit so einem alten Knacker rumhängen musst?“
… Und wieder brachte er mich zum lächeln. Dieses Mal ging er aber nicht sofort darauf ein.
„Quatsch! Du siehst für mich nur nicht wie einundzwanzig aus. Seit ich klein bin muss ich mit Enttäuschungen rechnen, weil ich mir immer meine eigenen Meinungen bilde und auch wenn diese nicht stimmen oder sich anders ergeben, hänge ich noch Wochen danach an dem, was ich dachte.“
Er stimmte mir zu. „So war ich, als ich vom Alter her wirklich jung war auch.“
Wie lang war es wohl her, dass er von richtig Jung sprechen konnte?
„Was ist für einen Menschen, der unnatürlich lange lebt, jung? Hört da die Jugend erst mit hundertdreißig auf?“
„Im Gegenteil, dann fängt es erst richtig an.“
Wer so von seinem Leben reden konnte, der war entweder irre oder hatte es geschafft, sich gegen Mutter Natur durchzusetzen.
„Das heißt, du hast noch ein paar Jahrhunderte vor dir.“
Er grinste mich breit an. Anscheinend gefiel es ihm sich über dieses Thema zu unterhalten. Wem auch nicht?
„Damit rechne ich aber Spaß beiseite. Meine Lebensgeschichte ist zu tiefgründig und vielseitig, um sie dir in zehn Minuten zu erklären. Immerhin sind das mehr als vierhundert Jahre, aber ich kann dir sagen, dass ich meine ersten fünfzig Jahre auf die Weise, wie jeder andere Mensch verbracht habe. Schule, Lehrgang, Arbeit, … war alles so, wie es bei anderen auch üblich ist.“
„Wie beruhigend.“
Als ob er ein Geräusch vom Flur gehört hatte, schob er seinen Kopf an meinem vorbei. Sofort drehte ich mich auch um, aber als ich eindeutig nichts sah oder hörte, drehte ich mich wieder zu ihm.
„Lass uns mal über Kyran reden“, sagte er leicht angespannt.
„Was kann man da bereden?“
„Zum Beispiel was bei dir in der Schule so los war.“
Ich stöhnte innerlich auf. Man konnte es mit dem bauchmerzen erregenden Gefühl vergleichen, das immer auftrat, wenn man trotz gutem Gefühl die Sechs vor die Nase gehalten bekam. Ich wollte nicht wieder mit meinem heutigen Schultag anfangen, aber bei ihm kam ich sowieso nicht drum rum.
Man konnte Matt manchmal mit den Lehrern vergleichen, deren Anweisungen man sofort und ohne Wiederworte erledigen musste.
Oberflächlich schilderte ich das Vorgehen. Das Sams Schulter fast ausgekugelt wäre, ließ ich lieber weg.
„Das sagte ich dir bereits. Simon hat mir gesagt, dass er in mich verliebt ist und hat einen Aufstand gemacht. Kyran hat damit nichts zu tun.“
„Einen Aufstand hast du eben nicht erwähnt.“
Was war denn an diesem einen Wort so besonders? Achtete er jetzt etwa auf jedes kleine Detail?
„Weil Kyran das nicht mitgekriegt hat. Er kam erst als Simon am Ende seiner Rede war.“ „Moment mal. Kyran hat dich alleingelassen?“
Ich wusste zwar nicht was er unter alleingelassen verstand, aber wenn es nur darum ging, dass er mich auf Schritt und Tritt verfolgen sollte, ließ er mich immer im Stich.
„Ein echter Weltuntergang! Da lässt er mich für zehn Minuten allein mit Sam und Emma. Welcher Halunke.“
Er ballte seine Hand auf dem Tisch zu einer Faust und presste seine Lippen zusammen. „Ich hoffe für ihn, dass er dafür eine gute Begründung hat.“
Das hatte er allerdings. Wenn ich ihm schon unabsichtlich Stress mit seinem Bruder verschaffte, dann musste ich ihn wenigstens so gut es ging verteidigen.
„Der Direktor, Mr. Raycolme wollte mit ihm sprechen. Er ist der beste Schüler dieser Schule in Geschichte, was mich momentan nicht wundert, aber es wundert Mr. Raycolme. Außerdem hat Sam mich verteidigt.“
Er lockerte seine Hand und legte sie flach auf den Tisch.
„Das ist aber nicht Sams Aufgabe.“
Ich dachte es wäre am besten, wenn ich immer viele Leute um mich herum hatte und gerade auch die, von denen ich wusste, dass ich ihnen vertrauen kann. Da machte es doch keinen Unterschied mehr, wer es war.
„Dann fahr doch in die Schule und erzähl ihm von allem. Er hat keine Ahnung, dass es dir nicht recht ist, wenn sich andere Leute außer Kyran und du um mich kümmern.“
„Du hast recht“, gab er nach. „Vielleicht nehme ich meine Aufgabe zu ernst.“
„Matt ich will nur etwas mehr Freiraum haben.“
Er spielte mit einer Kuchengabel herum.
„Ich verstehe, dass du das brauchst, wer in deinem Alter auch nicht, aber in wenigen Wochen wirst du dir wünschen, es wäre so wie jetzt.“
Wieder einer dieser Sätze, die ein Rätsel aufgaben. Emma war darin wahrlich eine Meisterin aber wenn Matt so etwas sagte, war es garantiert von großer Bedeutung.
Und Sachen, die für mich im Moment von großer Bedeutung waren, hießen nichts Gutes. „Oh Gott, was kann noch schlimmer sein als das bisherige.“
Er legte die Gabel wieder an seinen Platz und wies auf die Pancakes und die Tube Schokosauce daneben.
„Such dir vorher Pancakes oder Schokosauce oder beides aus. Es ist besser, du hörst mit vollem Magen zu.“
„Wie kommst du drauf, ich hätte noch nichts gegessen?“
Er nahm den Teller mit den Pancakes und schob ihn zu mir. „Weil du, auch wenn du Hunger hast, nur wenig isst.“
Ich schob ihn wieder zu ihm. „Woher willst du das wissen?“
Ich konnte den Teller schon förmlich über den Tisch gleiten hören.
„Als wir uns das erste Mal gesehen haben, hattest du auch Hunger aber mehr als ein Obstsalat war nicht drin.“
Oh ja. Ich erinnerte mich. Sogar Emma hatte mich damit konfrontiert. Dass es aber nur daran lag, dass ich Matt das erste Mal in der Cafeteria sitzen sah, verriet ich aber besser nicht.
„Schon gut, ich esse freiwillig“, ergab ich mich und nahm den Teller zu mir um mir zwei Pancakes auf meinen Teller zu geben und noch etwas Schokosauce darüber zu geben. „Braves Mädchen“, vermerkte Matt und schaute mir bei meiner Tätigkeit zu.
Als ich ihn aus den Augenwinkeln wieder grinsen sah, flehte ich nur, dass das nur eine Täuschung war, aber leider nicht. Es hatte nichts mit ihm zu tun oder mit seinem Grinsen, aber ich mochte es nicht, beim Essen angestarrt und beobachtet zu werden.
„Matt“, wies ich ihn darauf hin, und er streckte sofort beide Arme hoch um sich zu ergeben.
„Guten Appetit.“
Ich schnitt mir ein Stück ab und genoss es richtig. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ein Dessert hatte.
Aber da Matt auch in der Lage war so etwas zu sich zunehmen, wunderte es mich, dass er freiwillig ablehnte. Wer konnte solch einer Köstlichkeit denn schon widerstehen.
„Willst du nichts essen?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich habe schon.“
Die älteste aller Ausreden. Ich würde ihm das zwar abkaufen, aber ich hatte das Gespräch mit Kyran noch im Hinterkopf und in den letzten Tagen, hatte er an meiner Seite ja auch tüchtig zugelangt.
„Das glaube ich dir nicht.“
„Würde ich mich jemals trauen dich anzulügen?“
Sicher würde er mich nie anlügen, aber in diesem Satz steckte so viel Charme und Kyran war immer noch da.
„Einem Vampir ist alles zuzutrauen. Kyran hat mir übrigens gesagt, du isst sehr wenig. Auf Dauer ist das nicht gut für deine Gesundheit und komm mir jetzt ja nicht mit der Ausrede, ich lebe sowieso ewig.“
„So so, hat er das? Na dann.“
Während ich mir das nächste Stück abschnitt und verschlang, griff er selbst nach einem Pancake, übergoss ihn mit einem Schuss Sauce und stopfte ihn in den Mund.
Ich stockte. Mit seinen Wangen, die fast schon aussahen, als würden sie platzen, sah er so lustig aus. Ich prustete los.
Dabei musste man bedenken, dass ich immer noch das eine leckere Stück im Mund hatte. „Was machst du!“
Er wartete mit seiner Antwort bis sein Mund einigermaßen so leer war, dass er wieder reden konnte.
„Ich versuche dich zufriedenzustellen, indem ich dir beweise, dass du nicht der Einzige bist, der gezwungen wird, etwas zu essen.“
Ich nickte zu meinem Verständnis und aß den Rest des Pancakes.
Als ich fertig war blickte ich wieder zu ihm.
„Die Pancakes sind sehr lecker. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass ich seit drei Jahren keine mehr gegessen habe.“
„Bestimmt nicht!“, protestierte er. „Shaynia ist eine begnadete Köchin.“
Oh. Shaynia hatte sie gemacht. Neben der Kunst hatte sie also auch noch eine Begabung für die Zubereitung besonders gutschmeckender Speisen.
„Wieso musste ich dich dann dazu zwingen?“
„Ich sagte dir bereits, dass ich schon gegessen habe.“
„Oh.“
„Na wenigstens hast du in Momenten, wo es drauf ankommt, zu mir Vertrauen.“
Nicht nur in solchen Momenten. Mehr und länger vertrauen als ich ihm, konnte bisher kein anderer Mensch.
„Vom ersten Tag an vertraue ich dir und das weißt du.“
„Manchmal klingt es aber nicht so.“
Das war ja auch meine Absicht. Ich verstellte mich nie, ich gab einfach von außen her nicht viel preis.
„Das sind nur kleine Augenblicke.“
Er grinste ironisch. „Das freut mich.“
Aber etwas Positives hatte der Tag ja. „Jetzt hast du zumindest mehr gegessen als sonst“, stellte ich fest.
„Also sind wir in diesem Punkt quitt?“
Er streckte mir seine Hand aus in der Hoffnung ich würde einschlagen. Ich zögerte zuerst, doch dann willigte ich ein.
„Definitiv quitt!“
„Super, dann fange ich gleich mit dem Unangenehmen an. Also. Nach den Vorfällen mit Luke und Salomé bekomme ich jede Nacht aufs neue Albträume und denke mir die schlimmsten Dinge, was sie mit dir anstellen könnten. Dem Rest der Familie geht es auch nicht besser. Also haben wir uns gedacht, es ist besser, wenn wir dich hier wegbringen.“ Dieser Entschluss verwirrte mich. Was meinte er damit?
„Mit wegbringen meinst du aus meinem Haus in deins?“
Er zögerte bevor er die Worte aussprach, die mein Leben für die nächsten Wochen verändern würde.
„Möglichst weit weg von Warden Springs.“
Mein Herz pochte wie verrückt. Der Schock war mir anzusehen. Tränen schossen mir in die Augen, aber ich war viel zu mitgenommen um jetzt sofort zu weinen.
„Und wo?“, schnaufte ich.
„Das sage ich dir gleich.“
„Fange ich dann ein neues Leben an oder was?“
„Du musst dir keine Sorgen machen“, versuchte Matt mich schnell zu beruhigen. „Es ist nicht für immer. Wir wollen dich auch nicht quälen, deshalb bereiten Shaynia, Charlene und Keira schon seitdem es feststeht alles für dein Zimmer und das Haus vor. Apropos Keira, fällt mir gerade ein. Ihr beide habt euch bloß einmal gesehen. Dann lernst du sie auch mal kennen und mit ihr ist unsere Familie komplett.“
„Ach ja“, erinnerte ich mich grinsend. „Emma und ich haben euch die ganze Zeit angestarrt und Emma hat mir alles, was sie über euch weiß, gesagt. Also sie wusste nichts über dich aber etwas über das Mädchen, was gegenüber von dir saß. Das war sie doch, oder?“, vergewisserte ich mich noch einmal.
„Ja. Keira musste wichtige Dinge erledigen und seitdem ist sie weg.“
Von jedem hörte ich nur noch weg. Da konnte man sich glücklich schätzen, wenn man wusste, wie es denjenigen ging.
„Wie weg? Wisst ihr wo sie ist?“
„Ja und sie kommt auch wieder, nur dauert das noch etwas. Erstens, weil sie mit deinem Unterschlupf beschäftigt ist und zweitens, weil sie mit die sein wird, die dort auf dich aufpasst.“
Da würde sich ja genügend Zeit ergeben, sie auch mal kennenzulernen.
„Und wer sonst noch?“
„Alle Frauen aus unserer Familie, einschließlich Kyran.“
Waren das etwa alle? Hatte er nicht noch eine wichtige Person vergessen?
„Was ist mit dir?“, fragte ich vorsichtig.
„Ich weiß es noch nicht, aber wenn du mir schon wie eine Schlange um den Hals fällst, weil du mich seit nur einem Tag vermisst … Was würdest du nach Monaten anstellen.“ „Mit der Zeit legt es sich wieder“, beruhigte ich ihn.
Dann wechselten wir den ersten fröhlichen Augenkontakt, seit dem Schock.
„Wie schön.“
„Wie sieht es mit meinen Freunden und meiner Mom aus?“
Innerlich wusste ich, dass er jetzt etwas über dieses, für mich eigentlich, fremde Worte sagen würde.
„Katrin Bell, wird der Begriff Mom für dich etwa zur Gewohnheit?“
Musste denn jeder in diesem Verhältnis seinen Senf dazugeben?
„Kommt es darauf an?“
Er gab schon nach.
Gute Entscheidung.
„Nun gut. So schwer es Victoria fällt, wird sie zu deiner eigenen Sicherheit auf ihre Mutterrolle verzichten und was deine Freunde angeht, die wissen von nichts und es ist auch besser so.“
War das gerade sein ernst? Das konnte nicht sein! Ich war fünfzehn und auch wenn ich mich schon relativ erwachsen fühlte, im Vergleich zu anderen meines Alters, konnte ich alle doch nicht einfach so weglassen. Diese Personen, insbesondere Victoria, bestimmten mein Leben!
„Es kommt niemand aus meiner Familie mit?“
„Glaub mir und nun mehr als vorhin, es ist so richtig.“
Obwohl ich mit dieser Antwort gerechnet hatte, brach ich innerlich zusammen. Nun konnte man es aber sowieso nicht mehr ändern. Ich wurde bisher mit vielen Wahrheiten fertig, also überwindete ich auch diese. Ich wollte nur, dass es schnell vorbeiging aber mein Mund war praktisch verklebt.
„Du musst jetzt nichts sagen“, versprach er mir, als er das Häufchen Elend sah, dass ich im Moment war.
Ehe ich mich sammeln konnte, hörten wir auf einmal Schritte, die Treppe herunter laufen. Wie aus dem Nichts stand Kyran im Türrahmen, mit einem Telefon in der Hand.
„Wie klingt für euch der Name Dr. Fritz Desmond Yates?“
„Wie ein Mann“, sagte Matt.
Kyran gab ein ironisches Lachen von sich.
„Wofür brauchst du den Namen?“, fragte ich vorsichtig.
Ich wollte nicht, dass ich wieder etwas falsch machte und er dann noch saurer wurde. Gestern hatte er mich das erste Mal angeschrien, und ich wollte auf gar keinen Fall, dass es nochmal soweit kam.
„Für deinen persönlichen Psychologen. Nach dem Vorschlag von Mr. Raycolme, gehe ich seiner Fürsorge nach und berichte seinem Freund, dass du für einige Zeit dort in Behandlung sein wirst.“
Raycolme. An ihn hatte ich gar nicht mehr gedacht. War das etwa seine Rache? Dass er mich, obwohl mir nichts fehlte, zum Psychologen schickte?
„Kyran, ich brauche keinen Psychologen!“
„Aber einen logischen Grund, weshalb du für längere Zeit nicht die Schule besuchen kannst“, ergänzte er mich. „Du hast es ihr doch erzählt, oder?“, erkundigte er sich bei Matt, der darauf nickte.
Eigentlich war das keine schlechte Idee. Jetzt hatte ich wenigstens einen Grund, der auch dazu noch glaubwürdig war. Aber wenn ich nur wegen diesem Wortkonflikt mit Simon einen Psychologen brauchte und dazu auch noch die Stadt verlassen musste, brauchte es echt gute Gründe. Obwohl er Sam weh getan hatte, hatte Simon nicht verdient zu denken, dass es mir allein wegen ihm so schlecht ging.
„Und Simon? Der macht sich doch bestimmt Vorwürfe.“
„Zumindest sieht er dann, wie unangemessen seine Predigt war“, wies mich Kyran darauf hin.
„So falsch sein Verhalten gegenüber Sam auch war, kann ich ihn doch nicht zurücklassen, in dem Glauben, der Psychologe wäre nur wegen ihm notwendig. Außerdem kann ich es nicht haben, wenn andere Menschen nur meinetwegen leiden.“
Matt und er lachten.
Vermutlich darüber, dass ich mein Mitleid an bestimmte Personen ausgesprochen hatte. Wenn auch indirekt.
„Gehst du nicht, leidet darunter mehr als einer und du durchaus auch“, machte mir Kyran klar und fügte hysterisch noch hinzu: „Sag, dass du nichts für ihn empfindest und der Psychologe nichts mit dem Vorfall von heute zu tun hat. Das würde ich zwar nicht machen, weil es dann heißen müsste, du hättest nachgegeben, aber Hauptsache du hast keine Schuldgefühle ...“
Eigentlich durfte ich keine Schuldgefühle für Simon haben, aber ich hatte welche und das lag daran, dass ich ihn mal mochte. Hätte er sich nicht verändert, wäre er bestimmt der perfekte Freund geworden, wie Sam es immer war. Aber wenn es um Mitleid ging, konnte ich mich nicht so schnell ergeben.
„Stell ich mich wirklich in jeder Situation dumm an?“
Kyran schüttelte den Kopf.
Er stand immer noch gemütlich in der Tür. Wollte er mir etwa nicht zu nahe kommen?
„Nicht in jeder aber wir haben mehr Erfahrung als du, in jeder Hinsicht und davon mal ganz abgesehen, sei doch froh, dass wir dir Tipps geben.“
„Du gibst ihr Tipps, ich nicht“, korrigierte ihn Matt.
„Genau aus diesem Grund sind wir noch nicht weitergekommen“, protestierte Kyran.
Jetzt kam er endlich näher, mit Blick auf Matt. „Matt, du weißt alle Einzelheiten über das durchschnittliche Leben eines Menschen. Wieso teilst du das nicht mit ihr?“
„Weil es nicht zu meinen Aufgaben gehört.“
„Fasst alles, was ich während der Schule oder sonst mit ihr mache, gehört auch nicht zu meinen Aufgaben, aber ich tue das für sie. Damit sie daran Spaß hat.“
Ich musste grinsen, weil er recht hatte. Es machte mir Spaß, aber jeder verstand etwas anderes darunter, und für jeden gab es eine bestimmte Menge daran.
„Naja“, meinte er, „Ich rufe jetzt Victoria an, damit Mr. Raycolme seinen versprochenen Anruf bekommt, und dann werde ich seinen Freund anrufen und ihn über Dr. Fritz Desmond Yates informieren.“
Ohne ein weiteres Wort verschwand er wieder nach oben.
Direkt, nachdem ich nichts mehr von ihm hörte, wandte ich mich Matt zu, um meine Zweifel beiseite zu räumen.
„Glaubst du Kyran ist immer noch sauer auf mich?“
Unwichtig winkte er ab. „Das war er nie. Kyran sagt das, damit du dir Zeit zum Nachdenken gibst. Die meisten Menschen wissen nicht was sie wollen und wenn man ihnen sagt, sie sollen darüber einige Zeit nachdenken, kommen sie schon nach Minuten zu dem Entschluss, sie hätten sich entschieden. Dabei ist es nicht so.“
So kompliziert konnte auch nur er denken. Aber wenn er das sagte, musste es stimmen und das beruhigte mich etwas. Obwohl ich, seit ich von Theodores Schwur gehört hatte, nichts mehr von Schwüren im Allgemeinen hielt, schwor ich mir an dieser Stelle eines, auf immer und ewig.
Nämlich, dass ich es nie mehr herausfordern wollte, mit Kyran in Streit zu geraten.
Plötzlich erhob sich Matt und marschierte zur Tür mit den Worten: „Ich gehe mich mal erkundigen, wie das Telefonat verläuft. Du kannst machen, was du willst. Ich bin gleich wieder da.“
Dann war er auch schon weg.
Ich sah mich im ganzen Raum um, ob es hier vielleicht etwas Interessantes gab, was ich noch nicht entdeckt hatte. Und das fand ich schnell. Auch wenn ich dafür ins Wohnzimmer gehen musste, denn die Bilder auf dem Regal hatten es mir schon von weitem angetan.
Ich stand sofort vom Stuhl auf und ging zu dem braunen Möbelstück, das linke der beiden Regale. Ich sah mir alle Bilder sehr genau und intensiv an. Wie zum Beispiel das Hochzeitsfoto von Matts Eltern.
Als er schon wieder herunterkam und hinter mir auftauchte und sich bereiterklärte, mir alles zu den Bildern zu erzählen, was ich wissen wollte und natürlich, was er auch wusste, erfuhr ich, dass seine Eltern alle fünfzig Jahre neu geheiratet hatten. Einfach nur aus Spaß und Liebe und natürlich wegen der Brautkleider, denn diese wurden immer hochwertiger und prachtvoller. Außerdem nahm die Bildqualität immer mehr zu. Mir hing das Kinn förmlich bis zur Brust, als Matt mir sagte, dass sie mindestens schon fünfmal vor dem Traualtar standen. Dieses Bild, das ich in der Hand hielt, war aber noch nicht so alt. Es wurde vielleicht vor zehn Jahren geschossen. Es musste ein ziemlich cooles Gefühl für Charlene gewesen sein, dass man von sich behaupten konnte, dass man alle fünfzig Jahre in ein neues, noch umwerfenderes Kleid schlüpfen konnte. Die größte Herausforderung bei allem war es immer mit demselben Mann an seiner Seite dort zu stehen, und das nach mehr als vierhundert Jahren! Dies waren so Momente, in denen ich an allem doch etwas Positives erkannte. Damit meinte ich die Geschichten und wie man nicht nur Unglück haben konnte, wenn man ausversehen oder mit Absicht in den Stammbaum der Familie hineinrutschte, oder sich mit ihnen zu tun hatte.
Während ich mir ein Familienporträt auf blauem Hintergrund anschaute, das aus diesem Jahrhundert stammte, öffnete Matt neben mir eine Glastür. Hinter ihr waren drei kleine Bereiche, getrennt durch Glasböden. Auf jeder Glasplatte standen mehrere Gläser, unterschiedlicher Form und Größe. Gläser für Sekt, Wein, Whisky, Champagner und was weiß ich nicht alles. Er hob von der mittleren Platte mit einer Hand zwei große Gläser heraus, die eine längere Form hatten. Das waren Sektgläser, die aus einem langen Stiel bestanden. Das wusste ich, weil man solche des Öfteren in Schaufenstern oder im Fernsehen sah, da Viktoria selbst nie Alkohol trank. Ich kannte auch Weingläser, die auch aus einem langen Stiel bestanden, der bis zur Mitte ging und sich dann weitete, aber das war es dann auch schon. Ohne auf mich zu achten, machte er die Glastür wieder zu und schritt in die Küche, wo er die Gläser mit einem leisen Klirren abstellte und sich am Kühlschrank und den unteren Küchenregalen, welche ich von hieraus nicht sehen konnte, zu schaffen machte. Ich stellte das Hochzeitsbild von Charlene und Lucan Cabot wieder auf seinen Platz. Dabei versuchte ich es zentimetergenau zu treffen.
Dann setzte ich mich auf das Sofa und schaute mir den Raum noch einmal etwas genauer an. Es amüsierte mich irgendwie, dass der Fernseher, trotz seiner Größe keine Aufmerksamkeit erregte. Definitiv niemand würde mir glauben, dass mich das Material, aus dem das Sofa angefertigt war, das Holz der Regale und der Inhalt, seien es Bücher oder alte Familienfotos, die riesige gläserne Wand, die einem eigentlich keinen luxuriösen Ausblick bot, das helle Laminat auf dem Boden oder die großen Pflanzen am Fenster, mehr mitriss und begeisterte, wie ein Fernseher. Und sei es nur ein einfacher.
Während ich mit meinen Blicken durch das Zimmer streifte, zuckte ich zusammen, als im Hintergrund plötzlich etwas platzte. Keine Sekunde später, bevor ich mir auch nur den kleinsten Gedanken gemacht hatte, ob ich mich als Kurzschlussreaktion zu dem Knall begeben sollte, hörte ich das Prickeln des Schaumes. Dieses Geräusch war nichts Neues für mich und trotzdem überflutete es mich, wie eine prickelnde Welle des Ganzen. Falls Matt vorhatte, mit mir auf meine zukünftige neue Heimat mit Sekt anzustoßen, dann hatte er wohl nicht daran gedacht, dass ich in meinem Alter so etwas noch nicht trank und laut Gesetz auch noch überhaupt nicht trinken durfte. Aber wer so viel Lebenserfahrung hatte wie er, wie Kyran schon sagte, der musste wissen was er tat.
Ich schaute erst zu ihm, als er wieder ins Wohnzimmer zurückkam. Er hielt in jeder Hand ein Sektglas, das zur Hälfte mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt war. Zögernd nahm ich ein Glas entgegen, als er es mir hinhielt und sich wieder neben mich setzte. Wir stießen beide an und er begann an der Oberfläche des Glasrandes zu nippen. Vorsichtig hob ich mein Glas an die Lippen und hielt das untere Ende immer höher. Die Flüssigkeit floss so langsam in meine Richtung, dass ich mit meinen Augen gucken wollte, wo sie blieb, aber Matt lachte nur von der Seite.
„Keine Angst Katrin. In meinem Glas ist Alkohol, aber ich glaube Victoria würde mich umbringen, wenn sie erfahren würde, dass ich dir Alkohol gebe“, klärte er mich auf.
Jetzt hielt ich das Glas viel höher, bis ein paar Tropfen in meinen Mund flossen. Ich nahm das Glas ab und schmeckte, was sich gerade in meinem Mund befand, beziehungsweise, was ich gerade heruntergeschluckt hatte. Es schmeckte süß und säuerlich, aber mehr süß. Ich erkannte den Geschmack aber sofort.
„Himbeere“, verkündete ich.
Er machte aber nicht gerade das Gesicht, als ob ich richtig liegen würde.
„Auch. Es sind aber auch noch Waldbeeren und Brombeeren darin enthalten. Waldfrüchte“, ergänzte er mich.
Wir quatschten noch ein bisschen über die Schule und ganz alltägliche Dinge. Wir wiederholten noch einmal das Gespräch über den Vorfall mit Emma, zu dem wir nicht mehr gekommen waren und ich berichtete ihm von allem. Nicht nur was passiert war und wie ich dachte, wie es ihr in diesem Moment gegangen war, sondern erzählte ihm alles von meinen Gefühlen und wie sehr mich das alles mitnahm. Das Gute daran war, dass Matt ein sehr guter Zuhörer war. Ich konnte ihm von allen möglichen Sachen erzählen und darauf vertrauen, dass er immer nur dasaß, mich anstarrte und mir zuhörte. Er tat sogar auf Anhieb so, als würde ihn alles was ich sagte interessieren. Ich wusste nicht, ob es ihn interessierte oder nicht, aber das war mir so ziemlich egal. Er musste meinetwegen nicht einmal etwas sagen. Mir reichte es schon, wenn er einfach nur dasaß und mir zuhörte. Zwischendurch tranken wir hin und wieder einen Schluck. Er Sekt, ich meinen Saft von Waldfrüchten. Zusätzlich ließ ich mir immer noch neue Sachen dazu einfallen, die schließlich als Gesprächsthema reichten, bis wir unsere Gläser ausgetrunken hatten.
Dann wollte ich einen Test machen.
Ich lächelte ihn an und zog von einer Hand zwei Finger ein. „Wie viele Finger zeige ich?“, wollte ich von ihm wissen.
Er überlegte kurz, dann grinste er. „Drei“, antwortete er zufrieden, „So viel Alkohol habe ich auch nicht getrunken, dass ich schon alles verschwommen sehe.“
Ich zuckte die Achseln. „Wollte nur mal auf Nummer sicher gehen.“
Wir beide verließen das Wohnzimmer und machten uns auf den Weg zur Haustür.
Matt erklärte mir, dass er mit Alkohol im Blut nicht in der Lage war mich nach Hause zu fahren und rief stattdessen Kyran mit den Worten: „Tut mir leid Bruderherz, aber du wirst sie heute noch einmal ertragen müssen“, herunter.
Ich verabschiedete mich von ihm und verließ ihr Grundstück mit gemischten Gefühlen. Zum einen war ich sehr dankbar über die Gespräche, die wir heute geführt hatten, und dass ich auch die amüsanten Seiten eines Lebens, dessen Länge einem Buch glich, entdecken durfte. Zum anderen war mir bewusst, dass ich hier weg musste, und das so schnell wie möglich.
Ich wandte meinen Kopf zu Kyran, der stumm am Steuer saß. Seine einzige Tätigkeit, das Auto so schnellst wie möglich nach Kells zu bringen, beziehungsweise mich nach Kells zu bringen. Es fiel mir allerdings leicht, auf sein Schweigen einzugehen. Heute war so viel passiert. Zuerst machte mir Simon ein Liebesgeständnis, dann kugelte er Sam beinahe die Schulter aus und nicht zu vergessen erfuhr ich, dass Victoria und Matts Familie ausgemacht hatten, dass ich kurzerhand umziehen musste.
Ich hoffte, dass meine Mom mich heute nicht mehr auf meinen bevorstehenden Umzug ansprach. Und ich hoffte, dass ich heute recht zügig einschlief, denn dann konnte ich meine Gedanken, die inzwischen unaufhörlich an meine Schädeldecke pochten, endlich loslassen und hoffen, dass sie so schnell nicht wiederkommen würden.
„Soll ich mit reinkommen?“, fragte Kyran, als er die Einfahrt auffuhr.
„Bloß nicht!“, warnte ich ihn.
Als ich die Tür zuschlug und den Schlüssel aus meiner Tasche kramte, während ich Richtung Haustür torkelte, kurbelte er nochmal die Autoscheibe runter und rief mir aufmunternd nach: „Hey Katrin.“
Widerwillig drehte ich meinen Kopf zu ihm um. „Was?“
„Du musst nicht deprimiert sein. Glaub mir, ich weiß wo du hinfahren wirst und da ist eher Vorfreude angesagt.“
„Ich bin nicht deprimiert.“
„Na dann, schönes Wochenende … dir auch Victoria.“
Sofort drehte ich meinen Kopf wieder in Richtung Tür.
Nicht mal zwei Meter von mir entfernt stand sie in ihren kuscheligen Hausschuhen, den Jeans und einem viel zu großen blauen Strickpullover, dazu ihre Lesebrille und die Haare mit einer Spange hochgesteckt. So sah sie normalerweise nur aus, wenn sie sich über nichts Gedanken machen musste und sich einfach mal ausruhte und entspannte. Wieso war sie gerade heute, gerade jetzt so gekleidet, während ich umziehen sollte? War sie etwa froh, wenn ich weg war, damit sie auch mal Zeit für sich hatte? Das war so gar nicht ihre Art. Aber dann dämmerte es mir. Es war der Grund, der auch der Auslöser für unseren letzten richtigen Streit vor knapp einer Woche war. Sie hatte mir etwas verraten, was ich nicht von den Cabots erfahren hatte. Was von ihr kam. Das erste, was richtig von ihr kam … und es führte zu einer enormen Auseinandersetzung. Das hätte ich im Leben nicht gedacht … Jedenfalls war der Grund, dass sie mir gesagt hatte, dass sie froh war, dass ich überhaupt noch zur Schule gehen konnte. Das hieß, dass sie es genau gewusst hatte, vielleicht aber alle noch gegrübelt hatten, wie sie es mir beibringen sollten. Deshalb war sie auch so entspannt. Weil ich jetzt die Erklärung hatte, die sie mir letzte Woche nicht geben konnte, weil sie noch nicht die Erlaubnis der Cabots hatte. Es war ihr einfach so herausgerutscht. Ich ging an ihr vorbei, ins Haus hinein und machte mich sofort in die Küche, um meinen Lieblingstee zuzubereiten. Ich nannte ihn auch gerne FF, denn er bestand aus Früchte- und Fencheltee, mit einem Löffel Honig. Während er zog, machte ich mich bettfertig und packte schon meine Schultasche für Montag, damit ich daran nicht mehr denken musste. Dann kam ich wieder herunter, nahm mir aus dem Regal eine Tasse und schüttete den Tee aus der weißen Kanne hinein. Ich nahm aus dem Räumchen ein Glas Honig und tröpfelte etwa zwei Teelöffel davon in die Tasse. Dann nahm ich Kanne und Tasse und verabschiedete mich noch schnell von meiner Mom, ehe ich nach oben ging und mich wortwörtlich in den Schlaf trank.

 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 12.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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