Bodo Mario Woltiri

Schonzeit

Nach den unzähligen leidvollen Erfahrungen unzähliger vorangegangener Generationen sind die Menschen zu der Einsicht gelangt, dass sie dringendst der Schonung bedürften. Das Streben nach Schonung fand sichtbaren Ausdruck durch Ärmel- und Knieschoner; wenn es schon nicht zu vermeiden ist, anzuecken und sich an etwas zu stoßen, so konnte man doch fortan die Begegnung mit dem Eckigen und Anstößigen erträglich machen.
 
Viel weiter als bei der Schonung des Körpers brachten es die Menschen bei der Schonung des Geistes und des Gewissens. Die großen Hirnschoner sind jedem von uns bekannt und vertraut: die Boulevardpresse, Fernsehen, Werbung und Propaganda. Ebenso bekannt sind die Gewissensschoner: Vorurteile und schlechte Traditionen.
 
Nicht länger müssen wir täglich ausrufen: Verschone mich doch damit! Wir bleiben unbehelligt, davon verschont und dies eben vor allem dank unserer Hirn- und Gewissensschoner. Nicht länger sagen wir gelangweilt: ah, schon wieder! Sondern wir ermuntern uns mit der Aufforderung: Schon‘ mal wieder! In weiter Ferne scheinen uns jene finsteren Zeiten zu liegen, die Zeiten der Schonungslosigkeit. Wenn heute etwa jemand damit droht, etwas schonungslos offenzulegen, so nehmen wir es als überkommene Redensart – und nicht mehr.
 
Bevor Sie, lieber Leser, die Augenschoner anlegen, um nicht weiterlesen zu müssen, komme ich zum Schluss. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Legt eure Ohrenschoner ab und hört: Es ist schon lange Zeit, die lange Schonzeit zu beenden!
 
© Bodo Mario Woltiri

 

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