Christin Büttner

Kopf über Herz - Tu´ es für dich! - Chapter I

Chapter I
Es ist Freitag der 28. Oktober 2012. Ich habe wirklich Angst den Haustürschlüssel umzudrehen und nach oben zu gehen, werde aber nicht drum herum kommen. Diese Konversation mit M. ist schon lange überfällig. Seit über einem Jahr ist unsere Beziehung alles andere als harmonisch. Ich lasse mich behandeln wie eine Zofe und glücklich sind wir beide auch nicht wirklich. Richtig schön ist es eigentlich immer nur noch, wenn wir uns mal ein paar Wochen nicht gesehen haben. Dann vermisst man einander eben. Oder man vermisst die Gewohnheit. Das gemeinsame Einschlafen und Kuscheln zu einem gruseligen Hörspiel von den Drei Fragezeichen. Oder ein kuscheliger DVD-Abend mit Eis am Stiel. Romantik oder angenehme Routine? Man weiß es nicht.
Als ich mich dann doch endlich überwinden kann den Schlüssel im Schloss herum zu drehen und die Tür aufzudrücken, kommt mir der altbekannte Geruch von Holz und Sägespänen entgegen. M. ‘s schmutzige Arbeitsschuhe stehen im Flur. Er ist also doch schon Zuhause. Okay – Augen zu und durch! Ich gehe die schmale Holztreppe nach oben. Mein erster Blick fällt nach rechts durch die Küchentür zur Eckbank am Esstisch. Da sitzt er. Die Hände gefaltet am Tisch, den Blick gesenkt und die Beine verschränkt. Ich schmeiße meinen Weekender in die Ecke des Flurs und ein paar Staubmäuse wirbeln auf. Scheint mir, als wäre M. die letzten Tage auch nicht viel daheim gewesen. Sonst wäre gesaugt.
Wortlos streife ich meine Ballerinas ab und  gehe in die Küche. Ich ziehe einen der liebevoll von mir lackierten, weißen Ikea Stühle zurück und setze mich M. gegenüber. Im selben Moment rutscht er noch ein Stück weiter zurück auf der Eckbank. Noch weiter weg von mir. „Und?“, fragt er mit gehobener Stimme. „Was hast du mir noch zu sagen?“
Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Ich wusste, dass er all die Nachrichten von den ‚anderen Männern‘ auf Facebook gelesen hatte. M‘ hatte sein neu erlangtes Wissen bei einem hitzigen und sehr einseitigen Telefonat letzte Nacht deutlich gemacht. Er hatte allerdings absolut keinen Grund so auszurasten. Ich bin ihm immer treu gewesen. Und soweit ich weiß, er mir ebenso.
„Bitte lass mich einfach versuchen, dir die ganze Situation zu erklären. Ich habe dich nie betrogen, hatte es nicht vor und werde es auch nie tun! All diese Gespräche mit J. und den anderen waren wirklich rein Freundschaftlich!“, ich versuche so selbstbewusst zu klingen wie möglich ohne dabei aggressiv zu werden. „Christin, du wärst ausgerastet wenn ich mit jemandem so geschrieben hätte! Wenn ich mir überlege, wie du jedes Mal schon an die Decke gehst, wenn ich nur mal R. zum Geburtstags gratuliert habe! Und ich soll dir glauben was du sagst? Kein Wort glaube ich dir! Ich hab wirklich kein Bock mehr auf die ganze Scheiße hier! Es reicht!“ Unaufhörlich schüttelte M. seinen Kopf. Er zitterte am ganzen Körper so angespannt war er. Ich bekam es wirklich langsam mit der Angst zu tun.
Okay, soviel dazu die Fassung zu behalten: Ich merke wie mir die Tränen in die Augen schossen. Ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte. Er hatte aber Hinsichtlich meiner Begeisterung seinen Konversationen mit anderen Frauen gegenüber auch Recht. Ich wäre ebenfalls ausgerastet. Unberechtigt vermutlich.
So unglücklich wie ich auch manchmal war, das änderte absolut gar nichts an der Tatsache wie sehr ich diesen Mann liebte. Und das seit über vier Jahren jetzt. Damals mit 15 gab es für mich nichts Wichtigeres auf dieser Welt als ihn. Und ich kann mir wirklich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Das nennt man wohl wirklich Liebe.
„Ich liebe dich, wirklich!“, mehr bringe ich mit zittriger Stimme nicht mehr heraus. „Bitte, das ist jetzt nicht das Ende, oder? Tu mir das nicht an!“ Hastig springe ich auf und stoße den Stuhl nach hinten um. Ich mache einen Schritt auf M. zu, aber er steht auf und schlängelt sich an mir vorbei. Bei jedem Schritt rammt er die Hacken in den Boden, er ist fast steif vor Anspannung. Auf dem Weg in Richtung Ankleidezimmer macht er im Türrahmen halt. Ich folge ihm. Mir stockt der Atem.
„Kannst du mir verdammt nochmal sagen, womit ich das verdient habe Christin? Ich habe schon so viel scheiß‘ mitgemacht mit dir! Wirklich, ich kann das so nicht mehr!“ Mit schnellen Bewegungen kramt er eine Sporttasche vom Schrank herunter und reißt die Türen unseres gemeinsamen Kleiderschrankes auf. Mit hektischen Bewegungen stopft er T-Shirts, ein paar Hemden und Unterwäsche in die Tasche. Er dreht sich zu mir um und sieht mich mit leerem Blick an: „Du hast zwei Wochen und deinen ganzen Kram hier weg zu holen. Ich bin solange woanders. Ich will nichts von dir hören und dich auch erstrecht nicht sehen. Verstanden soweit?“ Er drängelt sich an mir vorbei in Richtung Treppe. Lieblos zerrt er den Reisverschluss der Tasche zu und schlüpft in die Ausgetretenen Boxfresh Schuhe. Polternd hastet er die Treppe hinunter. Auf der vorletzten Stufe macht er halt und dreht sich zu mir um: „Christin, ich liebe dich auch. Aber ich kann das so einfach nicht mehr. Du machst mich kaputt. Das ganze hier macht mich kaputt. Und du weißt genauso wie ich, dass es nicht schon seit gestern nicht mehr so läuft bei uns. Ich brauche jetzt erst einmal Abstand.“
Mir dreht sich der Magen um. Nein. Das kann er nicht wirklich grade gesagt und gemeint haben. Ist es aus? Nein.
Ich kann vor lauter Tränen kaum noch atmen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. „Hase, bitte! Es war doch nicht immer nur alles schlecht!  Bitte tu‘ das nicht! Wir bekommen das doch wieder hin!“
Kopfschüttelt steht er da. In dreckiger Arbeitshose, einem schwarzen H&M-Langarmshirt und mit der gepackten Tasche in der Hand. Er senkt den Kopf. „Ich sage ja nicht, dass es das für immer gewesen sein soll. Aber ich habe meine Entscheidung getroffen. Und ich werde jetzt gehen.“ M‘ atmet tief ein und dreht sich auf dem Hacken um. Mit einem Satz nimmt er die letzten beiden Treppenstufen und eilt zur Haustür. Ich höre wie sie ins Schloss fällt.
Nein. Das kann es nicht gewesen sein.
Ich merke wie meine Knie weich werden und ich den Halt verliere. Schluchzend sacke ich auf dem Boden zusammen, die Hände vors Gesicht gepresst. Verdammt. Wie konnte es nur soweit kommen? Wie dumm und naiv bin ich gewesen? Sind wir gewesen?
Ich weiß nicht wie lange ich am Rand der Treppe so verharrt hatte. Vielleicht waren es zwei Minuten. Vielleicht waren es ein paar Stunden. Ich erhebe mich langsam, gestützt an den Türrahmen. Noch nie zuvor habe ich so eine Leere gespürt wie jetzt gerade. Es ist, als könnte ich überhaupt nichts mehr fühlen. Als wäre alles vorbei und nichts hätte mehr einen Sinn. Torkelnd gehe ich in die Küche und fische mein Handy aus meiner Westentasche. Zwölf ungelesene Whatsapp Nachrichten und ein verpasster Anruf von N. Sie wusste was mir bevor stand, als ich mich auf den Weg nach Hause gemacht hatte. Und sie wollte nun sicher wissen, wie es gelaufen ist. Ich werde sie später anrufen. Mein Handy vibriert, es ist K. Ich nehme ab: „Hey Süße, ich hab‘ schon gehört was passiert ist! Wie geht es dir, soll ich vorbei kommen?“ Wow, ich musste eindeutig länger als nur ein paar Minuten im Flur gehockt haben, wenn M. es sogar schon bis zu seinem Cousin geschafft hatte. Und dieser offensichtlich schon Zeit hatte die Neuigkeiten seiner Freundin zu berichten.
„Hey… es geht mir gut, denke ich. Ich glaube ich möchte jetzt erst einmal allein sein. Aber danke dir! Ist es okay, wenn ich mich später bei dir melde?“ Von mir selbst überrascht, schaffte ich wirklich das Ganze in einem relativ gefassten Tonfall rüber zu bringen. „Ich werde jetzt erst mal meine Mum anrufen, wir müssen hier schon mal ein paar Sachen weg schaffen.“
K. war eine wirklich gute Freundin und natürlich ließ sie mir meine Verschnaufpause. Ich zögerte nicht lang und rief direkt meine Mum an. Sie nahm direkt den Hörer ab: „Mum? Ich hab’s endlich geschafft. Es ist vobei. Kannst du her kommen und mit mir ein paar Sachen zusammen packen? Ich will hier so schnell wie möglich raus. Mama? Es ist vorbei!“

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christin Büttner).
Der Beitrag wurde von Christin Büttner auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Christin Büttner als Lieblingsautorin markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Das 1x1 der Möbelantiquitäten: Stilkunde, Lexikon, Der Tischler, Galerie, Pflege von Bernhard Valta



Wenn Sie sich für das Wohnen, für Menschen, antike Möbel, Geschichte oder Verknüpfung all dessen interessieren, liegen Sie bei diesem Buch richtig: Das 1X1 der Möbelantiquitäten. Über 900 Abbildungen sind enthalten für diejenigen, die nicht viel lesen wollen und trotzdem mitreden möchten. Leserinnen können sich kleine G´schichterln heraussuchen, wie etwa die von Joschi dem Holzwurm, Josef II und der Klappsarg, Kaiserin Maria Theresia und ihr Heer, oder was Bill Haley 1956 mit Berlin zu tun hatte.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (0)


Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Romantisches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christin Büttner

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Olga der Marienkäfer von Matthias Brechler (Romantisches)
7 Punkte, warum Sie als Mann NIEMALS ... von Helena Ugrenovic (Humor)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen