Christian Scheffel

Airfighter: Finsterer Abgrund

 

Vorwort:

Die folgenden Ereignisse spielen nach „Das Ultimatum“. Im Gegensatz zu den bisherigen Geschichten handelt diese von der nicht leicht verdaulichen Thematik der Entführung von Jugendlichen ohne soziale Bindungen; was genau mit ihnen geschehen soll, wird lediglich gemutmaßt, um nicht zu sehr ins Detail zu gehen. Durch Zufall wird das Airfighter-Team über Juans Jugendgruppe in einen solchen Fall verwickelt, wobei diese Handlung vor allem dazu dient, Manuels Charakter weiterzuentwickeln. Außerdem spielt der zweite Teil der Geschichte in Los Angeles, um zur Abwechslung einen anderen Handlungsschauplatz zu verwenden. Die Gruppe um Mike, die in dieser Geschichte plötzlich auftaucht, stammt aus meinen früheren Geschichten: Mike ist ein alter Freund Chris´ und arbeitet mit seiner Gruppe undercover als Detektive.

 

 

Finsterer Abgrund

 

  • 1 –

  •  

Am Rande des friedlichen nächtlichen Green-Stone-Town befindet sich ein Fast-Food-Imbiss, der auch um diese späte Stunde noch geöffnet ist: hauptsächlich jugendliche Discobesucher verkehren momentan hier. An der Theke hat sich gerade ein etwa siebzehnjähriger Junge zwei Burger und eine Cola zum Mitnehmen bestellt. Unweit hinter ihm sitzt ein älterer Mann an einem der Tische beim Essen: er scheint den Jungen genau im Auge zu behalten. Als der Junge ein paar Minuten später seine Bestellung erhalten hat und den Imbiss verlässt, hat der Mann im Hintergrund sein Essen so getimet, dass er auch gerade aufsteht und den Imbiss verlässt. Draußen geht der Junge die nächtliche Mainstreet entlang, während der Mann auf dem kleinen Parkplatz vor dem Imbiss in sein Auto einsteigt. Den Jungen ununterbrochen beobachtend, fährt der Mann vom Parkplatz los und auf der Mainstreet mit gehendem Tempo an dem Jungen vorbei, indem er diesen genau mustert. Der Junge isst gerade einen der beiden Burger und bemerkt nichts, da es um diese Uhrzeit nicht ungewöhnlich ist, dass die Autos hier wegen der vielen Discobesucher langsamer vorbeifahren. Nach etwa fünfzig Metern biegt der Junge von der Mainstreet in eine zu dieser Uhrzeit anscheinend völlig unbefahrene Seitenstraße ab, von der zwischen zwei Grundstücken ein unbefestigter Feldweg abzweigt. Erneut bemerkt der Junge nicht, dass der ihn Beobachtende mit seinem Auto in einer kleinen Haltebucht mit ausgeschaltetem Licht und Motor steht und der Junge genau an ihm vorbei gelaufen ist. Langsam lässt der Mann sein Auto, ohne den Motor anzuschalten, aus der Bucht das leichte Gefälle hinunter in den Feldweg rollen. Unter dem sternklaren Himmel erhellt der Vollmond gut erkennbar das nächtliche Feld: der Weg, auf dem der Junge offensichtlich seinen Heimweg abkürzt, führt direkt am Waldrand entlang, während auf der anderen Seite über die nächtlichen Wiesen hinweg die Straßenleuchten von Northern-G.S.T. strahlen. Nur wenige Meter hinter dem Jungen hält das Auto im Feldweg an, und der Mann steigt mit einer kleinen Spritze aus, die er aus dem Handschuhfach geholt hat. Zielstrebig nähert er sich von hinten dem Jungen, der Musik hört. Plötzlich fasst der Mann den Jungen an der Schulter und zieht ihn ruckartig herum: dem Jungen schießt augenblicklich das Adrenalin vor Schreck in den Körper. Ehe sich der Junge wehren kann, rammt ihm der Mann die Spritze in den Arm. Mit einem Mal wird dem Jungen schwindelig, und er beginnt zu taumeln. Als der Mann ihn zurück in Richtung seines Autos zerren will, kann der Junge aber noch einmal alle Kraft zusammennehmen und verpasst dem Mann einen harten Schlag mit der Faust mitten ins Gesicht: die Nase des Mannes fängt sofort an, heftig zu bluten. Mit einem zunehmend aufkommenden Gefühl von Übelkeit versucht der Junge, den Feldweg entlang zu rennen, doch sein Verfolger hat den leicht Taumelnden sofort wieder eingeholt und bringt den Jungen zu Fall. Aber der Junge zappelt so heftig, dass er sich nach und nach aus der Umklammerung befreien kann, bis ihn sein Verfolger schließlich nur noch an einem Fuß festhält. Der Junge holt mit dem anderen Fuß aus und verpasst dem Mann einen Tritt mit voller Wucht genau gegen den Kopf: Zwar verliert der Junge hierbei seinen anderen Schuh, an dem ihn der Mann festhält, jedoch hat er es geschafft, sich loszureißen und den Mann erst einmal benommen zusammenbrechen zu lassen. Unter einem erneuten Adrenalinschub rennt der Junge los durch den Feldweg in Richtung der Straßenleuchten von Northern-G.S.T. Die unangenehmen Steine, auf die er mit dem Fuß, der nur noch von einer Socke bekleidet ist, immer wieder tritt, spürt er gar nicht. Hinter ihm hört er nichts mehr von seinem Verfolger, ist aber so von Panik erfüllt, dass er sich gar nicht umdreht. Dann hat er schließlich eine der beleuchteten Seitenstraßen erreicht und hält hier völlig außer Atem inne. Erst jetzt wagt er sich umzudrehen: keine Spur mehr von seinem Verfolger zu sehen. Ein erneuter Anflug von Schwindel und Übelkeit überwältigt den Jungen, und dann wird ihm schwarz vor Augen: er kippt zur Seite weg in eine Hecke, durch die er hindurch stürzt und etwas abgebremst in einen kleinen Wiesengraben kullert.

 

  • 2 –

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Im Morgengrauen kommt der Junge im Graben wieder zu sich und rappelt sich auf. Nach und nach kehren die Erinnerungen an den nächtlichen Vorfall zurück und daran, wieso er im Graben gelegen hat. Ruckartig zieht der Junge sich seinen Ärmel hoch und sieht noch ein kleines Einstichloch, wo sein Verfolger ihm etwas injiziert hatte. Doch der Schwindel und die Übelkeit sind verflogen. Mit nur einem Schuh setzt der Junge seinen Heimweg durch die noch leeren Straßen fort: er zeigt einen zutiefst verstörten Gesichtsausdruck.

 

Einige Stunden später strahlt die Sonne kräftig vom blauen Morgenhimmel: Bill und Chris joggen gerade durch den Green-Stone-Forest.

Chris: „President Brunt sagt, offiziell seien die politischen Beziehungen zu Deutschland nach wie vor unverändert und der Absturz des Satelliten der ESA werde als Störfall behandelt.“

Bill: „Aber, was der deutsche Geheimdienst wirklich denkt, weiß unsere Regierung natürlich nicht.“

Chris: „President Brunt geht davon aus, dass der CIA in Kürze Genaueres weiß.“

Bill: „Ja, schon klar.“

Die beiden nehmen von einem Waldweg zum anderen einen unbefestigten Trampelpfad, auf dem sie hintereinander her joggen müssen, bis sie auf dem breiteren Waldweg angekommen sind.

Bill: „Hast du schon was von Juan gehört – oder Jessie?“

Chris: „Er hat sich ohne Probleme in die Ausbildungstruppe im Camp eingefügt. Was Unterbringung und gruppeninterne Rangordnungen angeht, hat Juan mehr Erfahrung als so manch anderer.“

Bill: „Ich bin mir sicher, in der kurzen Zeit bis zu seiner Entlassung wird er das Camp schon leiten.“

Chris: „Also wenn´s nach Einsatzerfahrung und Fitness geht, mit Sicherheit!“

Beide müssen über einen kleinen Bachlauf springen, der plätschernd den Weg quert.

Da piepsen beider Watchcomms.

Chris: „Ja, Airfighter?“

Airfighter: „Die Airfighter-Basis ist soeben vom G.S.T. Main Policedepartment kontaktiert worden.“

Bill blickt sofort auf.

Airfighter, über Watchcomm: „Captain Carter sagt, jemand habe heute früh die Polizei verständigt, als er beim Gehen mit seinem Hund in einem Feldweg etwas Merkwürdiges gefunden habe.“

Beim Joggen sehen Chris und Bill einander fragend in die Augen.

Airfighter ergänzt: „Es könnte sich um die Spuren eines Gewaltverbrechens handeln – ich sende euch eine Übersicht, wo das ist.“

Bill und Chris sehen einen Kartenausschnitt auf den Displays ihrer Watchcomms.

Bill: „Das ist gleich auf der anderen Seite dieses Fichtenwaldes!“

Chris: „Airfighter, starte im Auto-Mode und nimm an der Fundstelle auch eine Scanabtastung vor – Bill und ich sind in wenigen Minuten dort. Informiere bitte Captain Carter.“

Airfighter: „Aye, Commander.“

Chris und Bill wechseln nur einen weiteren Blick miteinander, und sogleich setzen beide ihren Jogginglauf einfach querfeldein durch den Fichtenwald fort: Zwar müssen sie hier über mehrere Hürden springen und immer wieder den Bäumen oder dem dichten Dickicht ausweichen, jedoch setzen sie ihren Weg in unvermindertem Tempo fort.

 

  • 3 –

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Auf dem Sportfeld in Green-Stone-Town tragen die Jugendlichen, die Juan im Auftrage der Stadt betreut, gerade verschiedene Ballspiele aus, während nach und nach weitere Mitglieder eintreffen. Manuel steht zusammen mit Jonathan vor der Turnhalle, in der sich Juans Büro befindet.

Jonathan: „Es ist klar, dass du dich ihnen erst einmal beweisen musst – ich meine, als Juans Nachfolger.“

Manuel: „Ich bin nicht Juans Nachfolger, er wird in Kürze schon wieder zurück sein.“

Jonathan: „Aber du weißt, was ich meine. Alle wissen, dass du Juans Bruder bist. Und Juan hat so viel für die Gruppe getan, dass er sich den Respekt aller verdient hat und auch für alle die Vertrauensperson schlechthin ist.“

Manuel: „Das kann ich nur zu gut verstehen.“

Jonathan: „Deshalb wird es nicht einfach so gehen, dass du Juans Job jetzt vorübergehend übernimmst.“

Manuel lächelt: „Eigentlich dachte ich, dass du das schon sehr gut machst, Jonathan. Ich möchte lediglich da sein, wo mein Bruder etwas bewegt hat und für andere ein Vorbild ist.“

Jonathan sieht Manuel fest in die Augen.

Manuel, immer noch lächelnd: „Meintest du wirklich, dass ich mich der Gruppe beweisen muss, oder meintest du, dass ich mich eher dir gegenüber beweisen muss, Jonathan?“

Jonathan schweigt einen Moment lang, indem er Manuel immer noch fest in die Augen sieht: „Vielleicht stimmt beides, Manuel. Aber ich sehe und höre gerade Juan in dir.“

Jonathan streckt Manuel die Hand entgegen: „Mein Vertrauen hast du, Manuel.“

Manuel nimmt die Hand an: „Danke, Jonathan.“

Gerade trifft auch der Junge auf dem Sportplatz ein, der in der letzten Nacht von dem unbekannten Mann angegriffen worden und in den Graben gestürzt war.

Manuel wird aufmerksam auf den nach wie vor verstörten Blick des Jungen.

Jonathan: „Hast du mit Marc schon zu tun gehabt?“

Manuel schüttelt langsam den Kopf, indem er den Jungen genau beobachtet.

Manuel geht auf Marc zu, der geistesabwesend das Sportfeld ansteuert.

Manuel: „Hey, Marc.“

Marc bleibt – beinahe erschrocken – abrupt stehen. „Hey.“

Manuel: „Alles okay bei Dir, noch nicht richtig wach?“

Marc: „Alles klar.“

Manuel: „Entschuldige, du sahst nur so abwesend aus. Falls was ist, Jonathan und ich hören dir zu, okay?!“

Marc, leicht genervt: „Ja, klar.“

Manuel: „Okay, tut mir leid.“

Manuel geht Marc wieder aus dem Weg.

Marc: „Nein, schon okay. Danke.“

Marc geht weiter zum Sportfeld.

Jonathan ist wieder zu Manuel getreten: „Ist was mit Marc?“

Manuel zeigt einen offenkundig besorgten Blick: „Ich weiß nicht, er hat nichts gesagt.“

Jetzt blickt Manuel wieder Jonathan genau in die Augen: Jonathan erkennt Manuels aufrichtige Sorge.

Manuel: „Ich kann´s nicht belegen, aber ich habe bei Marcs Anblick ein ganz ungutes Gefühl bekommen: als ob etwas passiert sei, das ihn zutiefst verstört hat.“

 

  • 4 –

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Inmitten des Feldweges der letzten Nacht stehen ein paar Streifenwagen, und eine Reihe von Polizisten hat ein kleines Areal abgegrenzt, in dem die Spurensicherung gründlich ihrer Arbeit nachgeht. Gerade treffen die joggenden Bill und Chris ein, die querfeldein aus dem Wald gelaufen kommen. Hoch über ihnen kreist Airfighter im Autopiloten, der erst kurz zuvor eingetroffen ist und gerade die Umgebung scannt. Bill steuert auf einen der Officers zu, der Bill auch sofort entgegen kommt.

Bill: „Hey, Justin!“

Der Officer streckt Bill die Hand entgegen: „Bill! Ich habe mich schon so darauf gefreut, dass wir uns sehen!“

Bill: „Geht mir genauso, Justin!“

Bill verweist Justin an Chris: die beiden geben sich ebenfalls die Hand.

Bill: „Wir kennen uns noch aus der Schule und sind danach beide zur Polizei-Akademie gegangen.“

Chris: „Wow, dann habt ihr ja viel zusammen erlebt!“

Justin lacht: „Oh ja, vom Nachsitzen, über die erste Freundin, inklusive Liebeskummer und den Schulabschluss bis hin zur Ausbildung alle Höhen und Tiefen.“

Bill nickt lachend.

Chris: „Ich bin beeindruckt!“

Bill: „Und als ich vor ein paar Tagen von Captain Carter hörte, dass du nach G.S.T. versetzt werden solltest, habe ich mich total gefreut!“

Justin: „Ging mir genauso, als ich hörte, dass du auch hier stationiert bist!“

Chris hat kurz zu den die Spuren sichernden Polizisten im Hintergrund geschaut.

Justin: „Oh ja, lasst uns erst mal zum Dienstlichen kommen!“

Bill: „Wir folgen dir.“

Justin führt Bill und Chris zu der Stelle, wo im Feldweg eine andeutungsweise Schleifspur zu erkennen ist und wo ein Sportschuh liegt.

Justin: „Der Mann, der heute morgen mit seinem Hund hier Gassi ging, fand das hier so vor.“

Bill: „Der Schuh sieht noch ziemlich neu aus – den lässt niemand so einfach liegen, wenn er ihn verloren hat.“

Justin nickt: „Und dazu diese Spur hier.“

Chris weist auf eine Stelle zwei Meter vor der Schleifspur im Feldweg: „Ist das Blut?“

Justin nickt: „Gut beobachtet! Ja genau. Es ist nicht viel gewesen, möglicherweise stammt es von Nasenbluten oder einer aufgeschlagenen Lippe. Aber wir haben sofort eine Probe sichergestellt.“

Bill: „Sonst irgendwelche Spuren?“

Justin: „Lediglich ein paar schlecht zu erkennende Reifenspuren dort hinten, wo der Feldweg anfängt. Aber das Profil ist nicht mehr zuzuordnen.“

Einer der Officers ruft Justin zu: „Lieutenant Bowers, die Spurensicherung ist hier fast fertig – unsere Leute haben im Umfeld keine weiteren Anhaltspunkte gefunden.“

Justin: „In Ordnung. Danke, Officer.“

Der Officer blickt zu Bill: „Sollen wir das Suchraster ausweiten, Lieutenant Brown?“

Bill: „Ich denke, im Moment kommen Sie wahrscheinlich nicht weiter.“

Bill blickt fragend zu Chris, der seinen Watchcomm betätigt:

„Airfighter, hat deine Scanabtastung noch etwas Neues finden können?“

Airfighter: „Außerhalb des von der Polizei bereits abgesperrten Areals sind keine verwertbaren Spuren zu registrieren; die Reifenabdrücke am Anfang des Feldweges kann ich leider auch nicht rekonstruieren. Aber ich habe noch etwas möglicherweise Relevantes unweit in einer Seitenstraße detektiert.“

Chris, Bill und Justin werden sofort aufmerksam.

Chris: „Führe uns bitte dorthin!“

Airfighter: „Am anderen Ende des Feldweges, wo er wieder nach Northern-G.S.T. hineinführt.“

Die drei begeben sich zu der von Airfighter angegebenen Stelle, wo sie die Hecke sehen, die sichtbar verbogen ist.

Airfighter: „Im dahinter liegenden Graben kann ich vereinzelte Haare und Hautreste scannen, als ob dort für längere Zeit jemand gelegen hätte.“

Die drei klettern in den Graben hinunter, wo aber nichts Sichtbares zu entdecken ist.

Chris sieht mit einem leicht besorgten Blick zu Bill und Justin: „Was ist hier nur letzte Nacht passiert?“

 

  • 5 –

  •  

Mitten in Green-Stone-City steht das Auto des Unbekannten der letzten Nacht bereits auf dem Hof eines Autohändlers schon wieder zum Verkauf – niemand ahnt, welche Geschichte es seit der letzten Nacht hat...

 

In Juans Büro in der Turnhalle unterhalten sich Manuel und Jonathan weiterhin.

Manuel: „Bei wem wohnt Marc eigentlich?“

Jonathan: „Als er vor einem Jahr neu in unsere Gruppe kam, teilte Juan mir mit, Marc sei bei seinen Eltern ausgezogen, weil er mit ihnen wohl nicht mehr klar gekommen sei. Er sei in Absprache mit dem Jugendamt dann hierher nach G.S.T. gezogen und wohne hier in einem von der Stadt beaufsichtigten Wohnkomplex.“

Manuel: „Hat er dort Freunde?“

Jonathan: „Da fragst du was! Ich weiß leider nicht mehr über Marc. Noch nicht einmal, wer überhaupt die anderen sind, die dort wohnen. Ich bin mir aber sicher, niemand mehr aus unserer Gruppe hier.“

Gerade sehen Manuel und Jonathan die Jugendlichen aus der Gruppe das Gelände um die Turnhalle verlassen, einige winken kurz zum Fenster herein. Jonathans Blick auf die Uhr zeigt, dass es Mittag ist. Jonathan ruft aus dem gekippten Fenster: „Alles klar, bis nachher!“

Manuel beobachtet Marc durch das Fenster ein weiteres Mal genau, wie dieser das Gelände verlässt.

Jonathan: „Was hast du vor, Manuel?“

Manuel blickt Jonathan wieder fest in die Augen: „Vertraust du mir weiterhin, Jonathan?“

Erneut erkennt Jonathan Juans Blick in Manuels Augen: „Ja, das tue ich.“

Manuel: „Ich werde jetzt etwas ausprobieren – und ich bin mir ziemlich sicher, danach weiß ich, was mit Marc los ist... wenn denn überhaupt etwas ist.“

Jonathan blickt Manuel fragend an – aber sein Blick zeigt, dass er Manuel vertraut und daher abwarten wird, anstatt weitere Fragen zu stellen.

 

Um zum Imbiss zu gelangen, wo Marc etwas zu Mittag essen will, geht er zunächst von der Mainstreet aus eine Seitenstraße entlang, und anschließend nimmt er die Abkürzung durch einen Hinterhof, der zur Zeit verlassen ist. Ungewollt kommen die Erinnerungen und Gefühle an die letzte Nacht wieder in Marc hoch, und ein Anflug von Panik zieht ihn immer mehr in seinen Bann. Nachdem er zweimal nach hinten geschaut hat, wo er aber niemanden sehen konnte, geht Marc zusehends schneller durch den Hinterhof, wo er jetzt plötzlich wieder den gesamten Vorfall der letzten Nacht durchlebt. Auf einmal fasst ihn von hinten jemand an der Schulter, und in einem Anflug von Todesangst reagiert Marc blitzschnell und holt zu einem brutalen Schlag mit seiner Rechten aus. Unerwartet reagiert sein Gegner aber noch schneller, weicht aus und dreht Marc den Arm in einem gekonnten Griff auf den Rücken.

„Hey, alles klar – ich bin´s nur!“

Marc erkennt die Stimme und lässt locker, als ihn der andere schon wieder loslässt. Marc sieht den anderen an und erkennt Manuel.

Manuel blickt Marc tief in die Augen: „Willst du mir jetzt vielleicht sagen, was dir passiert ist, Marc? Ich mache mir große Sorgen.“

 

  • 6 –

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In einem tiefen Gebirgstal befinden sich ein paar Baracken mit einem provisorisch angelegten Areal darum herum, das ein wenig an einen Truppenübungsplatz erinnert – allerdings im Kleinformat.

Vor einer der Baracken steht eine Gruppe aus drei Männern, die einen vierten Mann anstarren, der gerade auf dem Boden Liegestütze macht: es ist Juan.

„Es macht natürlich Sinn, dass sie eine Art Kommandohierarchie in unseren Gruppen eingeführt haben – aber soll wirklich der bei uns das Sagen haben?“

„Hey, bleib cool – du siehst doch, dass er´s drauf hat!“

„Na ja, ich weiß ja nicht. Wie alt ist der Bursche denn überhaupt?“

„Oder hast Du ein Problem damit, dir von jemand Jüngerem Kommandos geben zu lassen – als Ex-Cop?“

„Nicht Ex! Ich bin immer noch Cop – ich muss nur erst...“

„... dein Alkoholproblem in den Griff kriegen, bevor du wieder ran darfst?!“

„Oder war´s dein Umgang mit dem Gefangenen im Verhör?“

„Seid ja ruhig – ich will das nicht wiederholen müssen!“

Ein uniformierter Aufseher ruft über den Platz: „In zehn Minuten einsatzbereit antreten!“

Juan beendet seine Liegestütze und kommt auf die drei Männer zu, um in die Baracke zu gehen, in der die vier für die Zeit ihres Aufenthaltes zusammen wohnen. Der eine der drei stellt sich ihm in den Weg: Juan mustert ihn.

„Hey, Junge – mir gefällt nicht, wieso du mir etwas zu sagen haben solltest.“

Juans Körperhaltung bleibt gelassen, und seine Mimik signalisiert keinerlei Kampfeslust.

„Ich meine, wir sollten die Kommandohierarchie in unserer Gruppe noch einmal überdenken, mein Junge.“

Juan, in ruhigem Tonfall: „Das ist nicht unsere Entscheidung gewesen. Du erinnerst dich?“

Der andere sieht zunehmend aggressiv aus: „Aber wenn sich eine andere Kommandostruktur von selbst bewährt, wird wohl niemand etwas dagegen haben.“

Der Mann fasst Juan am Kragen seines Hemdes und zieht ihn an sich heran:

„Hast du mich gerade richtig verstanden, mein Junge?“

Ehe sich die anderen beiden versehen, hat Juan den Mann an der Hand gefasst und ihm den Arm ohne Anstrengung auf den Rücken gedreht: der Mann sinkt mit einem kurzen Schrei zusammen und verzieht sein Gesicht vor Schmerzen.

Juan, weiterhin in ruhigem und nicht provozierendem Tonfall: „Ich verstehe dich sehr gut, Mann – aber was sich bewährt und was nicht, wird sich noch herausstellen müssen.“

Juan lässt den Mann los, der, sich den Arm haltend, zu Boden sinkt. Indem Juan ins Innere der Baracke geht, machen ihm die beiden anderen Männer voller Respekt den Weg frei.

 

  • 7 –

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In dem Hinterhof sitzen Manuel und Marc nebeneinander auf einer halb verfallenen Mauer.

Marc: „Ich habe das noch niemandem sonst heute morgen erzählt.“

Manuel: „Konntest du den Typen erkennen?“

Marc: „Ich habe kurz sein Gesicht gesehen, aber es ging alles so schnell. Und ich hatte totale Panik.“

Manuel: „Klar, das verstehe ich sehr gut. Aber würdest du ihn unter Umständen wiedererkennen?“

Marc: „Ich bin mir nicht sicher.“

Manuel: „Moment mal, du sagtest, er habe dir wahrscheinlich irgendein Zeug gespritzt?“

Marc: „Ja, mir ist erst später eingefallen, dass da so ein Stich war, als er mich niederschlagen wollte. Und danach wurde mir auf einmal so schwindlig, dass ich in die Hecke gefallen war.“

Manuel legt Marc seine Hand auf die Schulter: „Marc, wenn du mir vertraust, lass uns zu Chris, Bill und Jessica gehen. Wir müssen den Kerl finden und in den Knast bringen. Und außerdem kann Airfighter vielleicht noch Rückstande dieser Droge – oder was immer es war – in deinem Blut finden, die uns weiterhelfen könnten!“

Marc blickt Manuel einen Moment lang fest in die Augen, dann nickt er:

„Okay, ich vertraue dir, Manuel.“

Manuel klopft Marc auf die Schulter, indem er aufsteht: „Dann komm, los!“

 

Kurz darauf sitzen Manuel und Marc zusammen mit Bill, Jessica und Chris im neuen Wohnzimmer im zweiten Geschoss von Chris´ Haus in der schönen Sitzecke vor der großen Panoramascheibe mit luftigem Blick nach draußen.

Jessica: „Das ist unvorstellbar, Marc – ich bin froh, dass du dem Kerl entkommen konntest!“

Bill: „Auf jeden Fall. Und das erklärt auch die Spuren, die unser Polizeitrupp heute morgen sichergestellt hat.“

Chris: „Der Computer wertet die Rückstände der Droge, die noch in deinem Blut nachzuweisen waren, aus. Gut, dass du den Kerl niederstrecken konntest und er dich verloren hat!“

Marc: „Er hat mich in dem Graben anscheinend nicht mehr gefunden.“

Bill: „Den Spuren nach hat er wahrscheinlich auch gar nicht mehr den Versuch unternommen, dir weiter zu folgen.“

In dieser Sekunde meldet sich der Computer über Watchcomm:

„Chris, die Auswertung der chemischen Analyse liegt vor.“

Chris wechselt mit den anderen einen kurzen Blick, und dann begeben er, Manuel und Bill sich nach nebenan in die moderne Schaltzentrale, wo sich hinter ihnen die Glasschiebetür schließt; Jessica bleibt bei Marc sitzen und spricht weiterhin mit ihm.

Auf einem der Bildschirme ist die chemische Zusammensetzung der Droge zu sehen.

Computer: „Unter Zugriff auf die Polizeiarchive hat sich leider nur ergeben, dass es sich um eine Mischung aus verschiedenen Substanzen handelt, die keine eindeutige Rückverfolgung zum Hersteller ermöglicht. Sicher ist aber, dass diese Kombination sehr schnell wirkt und zu einer mehrere Stunden andauernden Bewusstlosigkeit führt.“

Bill: „Mist – damit stehen wir wieder am Anfang!“

Chris mustert Manuel: „Beschäftigt dich noch etwas, Manuel?“

Manuel blickt zu Chris und Bill: „Ich muss, seitdem Marc mir den Vorfall geschildert hat, immer wieder an so ein Gerücht denken, von dem wir vor einigen Jahren in der Gang gehört hatten.“

Chris und Bill blicken Manuel gespannt an.

Manuel: „Angeblich werden Jugendliche ohne Familie von organisierten Kriminellen von der Straße verschleppt, und tauchen anschließend nie wieder auf; sie sollen in berüchtigten Videos beziehungsweise auf Fotos im Internet kursieren, die eigentlich nur illegal zu ersteigern sind.“

Bill und Chris fehlen die Worte.

Manuel fährt fort: „Es gibt leider Kunden, die viel Geld für solche Fotos beziehungsweise Filme hinblättern, und jemand scheint Beschaffungsmaßnahmen organisiert zu haben.“

Bill: „Wir haben bei der Polizei in den letzten Jahren vereinzelte Hinweise auf ein solches Netz gehabt, die aber alle nicht stichhaltig waren.“

Chris: „Gibt es irgendwelche Zeugen, die davon selbst berichten können?“

Manuel schüttelt den Kopf: „Wer einmal verschwunden ist, bleibt verschwunden. Man kann nur befürchten, was mit denen passiert, die nicht mehr in den Videos gefragt sind.“

Die Gesichter Bills und Chris´ sind deutlich blasser geworden.

Chris: „Kanntest du jemals jemanden, der verschwunden ist?“

Manuel: „Nein. In M.C. ist es bisher noch nicht vorgekommen – oder es hatte niemand aus unserer Gang mitbekommen. Aber wir hörten von Vorfällen in verschiedenen Großstädten.“

Bill: „Und wie kommst du auf den Zusammenhang zu dem Kerl, der Marc betäubt hat?“

Manuel: „Marc würde genau in dieses Schema passen, sofern die Gerüchte stimmen; und als Opfer eines Überfalls hätte man sich in einer belebten Nacht wohl auch jemand anders ausgesucht, der nach mehr Geld aussähe. Außerdem sollen den Gerüchten zufolge, die verschleppten Jugendlichen auch betäubt worden sein.“

Bill und Chris blicken Manuel mit nach wie vor entsetzten Gesichtern an.

Manuel: „Wisst ihr was? Ich spreche mit Raffael, ob unsere Gang noch mehr Informationen hat!“

 

Nebenan sitzen Jessica und Marc nach wie vor in der gemütlichen Sitzecke vor dem Panoramafenster.

Marc: „Ich bin froh, dass Manuel nicht locker gelassen hat. Seitdem ich mit ihm und euch darüber gesprochen habe, fühle ich deutlich besser.“

Jessica: „Wir klären das auf, Marc!“

Marc: „Ja, ich weiß – ich vertraue euch!“

Jessica: „Und du kommst klar? Wenn du erst einmal nicht allein sein möchtest, melde ich sofort bei uns, okay?!“

Marc: „Das mache ich. Vielen Dank für das Angebot, Jessica.“

Marc blickt durch die große Fensterscheibe nach draußen: „Ach, wie geht’s Juan eigentlich?“

Jessica lächelt: „Ihm geht’s gut. Er hat keine Schwierigkeiten damit, sich an die neue Situation zu gewöhnen.“

Marc lächelt ebenfalls: „Ja, da ist er schon ganz anderes gewohnt, kann ich mir vorstellen.“

Jessica: „Du, er hat festgelegte Telefonzeiten pro Tag, und ich wollte ihn tatsächlich nachher anrufen. Möchtest du auch mal mit ihm sprechen?“

Marc: „Hey, das ist eine super Idee!“

 

Nebenan hat Manuel hinter der Glastür gerade sein Funktelefonat mit Raffael beendet und wendet sich wieder an Bill und Chris.

Manuel: „Raffael hat aus unserer Gang die vagen Hinweise gesammelt, die irgendwann einmal als Gerüchte die Runde gemacht haben.“

Die drei sehen auf einen der Computermonitore, wo mehrere Städte markiert sind.

Bill: „Die meisten liegen an der Küste.“

Manuel: „Was das Gerücht des Abtransportierens nach wer-weiß-wo anfacht.“

Bill und Chris schlucken.

Chris: „Aber ein paar dieser Gerüchte beziehen sich auch auf Städte im Landesinnern.“
Manuel: „Und G.S.T. wäre jetzt ein weiteres Gerücht dieser Sorte.“

Bill: „So ist auf jeden Fall kein Muster zu erkennen – bei der Polizei hatten wir auch nie etwas Stichhaltiges.“

Chris: „Vielleicht jetzt ja doch!“

Manuel und Bill blicken Chris neugierig an.

Chris: „Dieses – zugegebenermaßen – vage Muster zusammen allerdings mit der Zusammensetzung der Droge, mit der Marc betäubt worden ist. Vielleicht kann die Kombination von beidem erstmals weiterführen!“

Bill: „Computer, vergleiche die angezeigten Städte mit Produktions- bzw. Vertriebsorten für die Komponenten der Droge.“

Computer: „In Bearbeitung... Ergebnis gefunden!“

Bill, Manuel und Chris blicken auf den Monitor.

Computer: „Zwei der chemischen Komponenten in der Droge kommen im Gegensatz zu den übrigen wirksamen Bestandteilen vergleichsweise selten in der Produktion vor. Da beide relativ schnell zusammen gegeben werden müssen, um sich nicht frühzeitig zu zersetzen, habe ich eine kombinierte Suche durchgeführt. Dies unter Berücksichtigung der genannten Städte schränkt das in Frage kommende Gebiet folgendermaßen ein.“

Auf dem Bildschirm erscheint eine Landkarte mit markierten Städten.

Manuel: „Das sieht doch schon deutlich überschaubarer aus!“

Bill: „Nehmen wir die größte Stadt?“

Chris nickt, indem er mit dem Finger auf die markierte Großstadt am Pazifischen Ozean zeigt: Los Angeles.

Bill: „Ich veranlasse, dass Captain Carter unser Vorgehen mit dem L.A.P.D. abklärt.“

Chris, dem eine weitere Idee gekommen zu sein scheint:

„Wenn ich mich nicht irre, ist Mikes Gruppe zur Zeit auch in L.A. unterwegs.“

Manuel, neugierig: „Wer ist Mike?“

 

  • 8 –

  •  

Eine Woche später:

 

Eine Gruppe Jugendlicher durchstreift die Straßen des imponierenden Los Angeles – wenn auch diese Ecke etwas heruntergekommen aussieht. In einem mit Graffiti verzierten Hinterhof treffen weitere Jugendliche dazu, und hier lässt sich die Gruppe nieder: scheinbar geht niemand von ihnen einer Beschäftigung nach oder hat irgendwelche Verpflichtungen. Einer der sich die Zeit vertreibenden Jugendlichen, der mit zwei weiteren und Zigarette in der Hand vor einer der Graffiti-Wände steht, dreht sich gerade um: es ist Manuel.

 

Im großen Präsidium des L.A.P.D. befinden sich Jessica und Bill währenddessen im Büro des Captains vor einer großen Computerwand, die das Straßennetz von Los Angeles darstellt; drei weitere Police Officers arbeiten hier an verschiedenen Computern.

Captain: „Der Junge ist jetzt schon seit einer knappen Woche auf unseren Straßen unterwegs. Hoffentlich geht das nicht ins Auge: er wäre nicht der erste Undercover-Mann, der nach zehn Tagen tot irgendwo in der Gosse wieder auftaucht!“

Jessica: „Da würde ich mir bei Manuel keine Sorgen machen, Captain. Der ist schon durch die Hölle gegangen.“

Der Captain nickt knapp: „Also gut, wollen wir das Beste hoffen.“

Bill: „Entscheidend wird vor allem sein, dass wir sofort zuschlagen, wenn Manuel eine konkrete Spur hat!“

Captain: „In der Tat: auf einen solchen Durchbruch warten wir schon lange!“

 

Die Jugendlichen, unter denen sich auch Manuel befindet, haben sich am Abend vor einer Art von Obdachlosenheim eingefunden, wo sie sich etwas zu Essen mit nach draußen nehmen: immer noch steht die Sonne am strahlend blauen Himmel – wenn auch deutlich niedriger als am Nachmittag –, und immer noch ist es angenehm warm. Ein paar – wahrscheinlich ehrenamtliche – Helfer schenken das Essen aus und werden von einzelnen der Jugendlichen in Gespräche verwickelt. Einer der Betreuer gesellt sich gerade mit einer Zigarette in der Hand zu vier Jugendlichen, die in einer Ecke stehen und rauchen: es ist Chris. Nach einer zwanglosen, netten Unterhaltung gehen die Jugendlichen einer nach dem anderen wieder und bedanken sich für das Essen – natürlich nicht ohne Chris bestätigt zu haben, dass sie wissen, wo sie die anstehende Nacht verbringen können. Schließlich steht nur noch einer der Jungs bei Chris und raucht seine Zigarette zu Ende: Manuel.

Manuel: „Ich habe jetzt schon von mehreren Kids hier auf der Straße gehört, dass in den letzten Jahren vermehrt Jugendliche spurlos verschwunden seien – ähnliche Geschichten wie bei uns zuhause, aber viel greifbarer: einige haben sogar Leute gekannt, die verschwunden sind.“

Chris: „Bill und Jessica warten jeden Tag darauf, dass wir eine konkrete Spur erhalten – das ganze L.A.P.D. zählt auf dich.“

Manuel: „Gerüchte verdichten sich vor allem um ein paar zwielichtige Kneipen in downtown. Ich habe die letzten zwei Nächte schon dort verbracht und nehme mir heute Nacht eine weitere vor. Ich kann dir sagen: die Typen, die dort verkehren, sind allesamt verdächtig!“

Chris: „Okay, Jessica und ich nehmen uns heute Nacht den Hafen vor, während Bill mit dem L.A.P.D. die Aktion diskret überwachen wird.“

Plötzlich hält Chris inne und scheint erst jetzt wieder die Zigarette zu registrieren, die er gepafft hat und immer noch in der Hand hält: „Was für ein Scheiß!“

Chris wirft sie auf den Boden und tritt sie aus. Manuel lacht.

Chris: „Pass auf dich auf, okay?!“

Manuel: „Danke, das werde ich. Ihr auch!“

 

  • 9 –

  •  

Nachdem seine Aufgaben erledigt sind, verlässt Chris das Heim und fährt mit seinem Auto in ein anderes Viertel von L.A., wo er in einem leeren Hinterhof in eine Tiefgarage hinunterfährt. Hier erwarten ihn bereits eine junge Frau und ein junger Mann, die ihn in einen alten Kontrollraum führen. Hier trifft Chris Mike, dessen Gruppe den Raum zu ihrer derzeitigen Einsatzzentrale umfunktioniert hat: zahlreiche Notebooks sind hier im Einsatz, die an die alte, aber noch intakte Stromversorgung angeschlossen sind.

Mike und Chris reichen sich die Hände.

Mike: „Chris, schön dich wiederzusehen!“

Chris: „Es ist schon wieder zu lange her, Mike!“

Mike: „Und wie jedes Mal mitten im Einsatz, nicht wahr?“

Chris: „Ich fürchte, so ist es leider.“

Mike dreht sich zu einem der Notebooks:

„Die Sache ist so brisant, dass wir sofort Ermittlungen angestellt haben.“

Chris: „Ich danke euch.“

Mike: „Nicht dafür – sieh her! Verschiedenen Aussagen zufolge, die wir aus den letzten Jahren gesammelt und miteinander abgeglichen haben, handelt es sich um ein regelrechtes Netzwerk.“

Auf dem Flatscreen wird eine Landkarte angezeigt, auf der verschiedene Städte rot markiert sind.

Mike: „So soll es eine Reihe von Auftraggebern für die Entführung von Jugendlichen ohne soziale Bindungen geben, damit diese für jene berüchtigten Video-Drehs ins Ausland geschafft werden können. Die Auftraggeber treten hierbei nie selbst in Erscheinung, sondern bezahlen Handlanger, die die Drecksarbeit für sie erledigen. Nach einer gewissen Zeit wechseln die Auftraggeber ihr Territorium wieder, und ihre Handlanger sind bis dahin mehrfach sehr gut bezahlt worden.“

Chris erkennt die Verbitterung in Mikes Stimme.

Mike: „Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir an einen dieser Auftraggeber herankommen. Die Handlanger sind allesamt nur kleine Fische und haben in das Netzwerk im Hintergrund überhaupt keinen Einblick.“

Chris: „Wir nehmen uns heute Nacht den Hafen vor. So unerkannt die Auftraggeber auch bleiben wollen, so haben sie doch das Problem, dass sie die gekidnappten Jugendlichen ungesehen wegbringen müssen – und an ihre Kundschaft müssen sie sie schon selbst ausliefern.“

Mike nickt: „Wenn ihr einen von denen beim Ablegen mit einem Frachtraum voller Gekidnappter erwischt, dann ist er im Arsch!“

Chris, entschlossenen Blickes: „Genau so sieht es aus!“

 

  • 10 –

  •  

Nach Sonnenuntergang steuert Manuel durch eine der dunklen Gassen eine weitere Bar an. Im Innern erfasst sein Blick im Vorbeigehen die Leute in unmittelbarer Nähe des Tresens, ohne dass diese es bemerken. Manuel setzt sich auf einen freien Hocker am Tresen.

In einer Ecke am anderen Ende der Bar sitzen mehrere Männer und spielen Poker: unter ihnen befindet sich auch der Mann, der nachts in Green-Stone-Town versucht hat, Marc zu betäuben!

Während Manuel seinen Drink nimmt, lässt er seinen Blick scheinbar aus Langeweile durch die Bar gleiten, wobei ihm nun auch die Pokerrunde auffällt. Aufmerksam wird Manuel, als er beobachten kann, wie mitsamt den ausgeteilten Karten zu Beginn eines neuen Spiels kleine Papierschnipsel verteilt wurden, die kaum erkennbar in den Karten versteckt waren. Manuel bestellt sich gleich einen zweiten Drink auf Vorrat, um lange genug am Tresen sitzen bleiben zu können, ohne Verdacht zu erregen.

Als sich die nächste Raucherpause ergibt, folgt Manuel den Männern unauffällig nach draußen, wo sie unweit des Eingangs zur Bar in einer Ecke stehen und rauchen. In der dunklen Seitenstraße fällt Manuel nicht auf.

„Die Gebote gehen hoch.“

„Sie haben die Lieferung noch nicht vollzählig, es muss noch Nachschub angeschafft werden!“

„Mir ist vor einer Woche in G.S.T. leider einer durch die Lappen gegangen.“

Wie vom Blitz getroffen, fährt Manuels Blick auf, indem er sich das Gesicht des Mannes genau einprägt: „Jetzt hab ich dich, du Dreckskerl!“

„Unser Käufer will in den nächsten zwei Tagen ablegen. Bis dahin muss er eine vollständige Ladung haben. Sonst gibt’s von ihm keine Aufträge mehr!“

„Es gibt ja noch genügend andere Käufer.“

„Ja, aber wenn er mit L.A. nicht mehr zufrieden ist und woanders einkauft, wird das die Runde machen. Er ist bei seinen Kunden sehr angesehen.“

„Und wenn die mitbekommen, dass es in L.A. nichts mehr zu holen gibt, können wir unseren netten Nebenjob an den Nagel hängen.“

„Das wäre schade drum – wo er doch so lukrativ ist!“

„Also sehen wir lieber zu, dass wir heute und morgen noch was fangen!“

Die Männer haben zu Ende geraucht und gehen zurück in die Bar zu ihrem Pokerspiel, als ob sie belanglosen Small Talk geführt hätten. Manuel bleibt in der dunklen Straße stehen und beißt vor kaum zu unterdrückender Wut sichtlich seine Zähne zusammen.

 

  • 11 –

  •  

Später in der Nacht liegt Bill zusammen mit einem kleinen Polizeitrupp auf dem Dach eines Lagergebäudes im Hafen von L.A. auf der Lauer: sie beobachten die nächtlichen Aktivitäten im Hafen und zeichnen sie auf. Bisher sind nur nächtliche Hafenarbeiten, Be- und Entladevorgänge sowie vereinzelte Passanten zu beobachten.

Der Officer neben Bill verzieht das Gesicht leicht:

„Hmm, bisher sieht das für mich hier alles routinemäßig aus.“

Bill: „Ich fürchte, ich seh´s genauso.“

„Das Problem wäre natürlich, wenn diese Händler genau das wollen.“

Bill: „Sie werden auf jeden Fall wissen, wie sie ihr Vorgehen tarnen können.“

Bill hält inne: „Ah, Sekunde mal!“

Der Polizeitrupp richtet seine Aufmerksamkeit auf einen schick gekleideten älteren Mann in weißem Hemd, der von einem der angelegten Frachtschiffe kommt und sich mit zwei gerade in einem Lastwagen eingetroffenen Männern trifft.

Bill: „Irgendwie passt für mich sein Outfit nicht zu dem Frachtschiff!“

„Und die anderen beiden sehen mir auch nicht wie echte LKW-Fahrer aus.“

Bill: „Haben Sie auch so eine Intuition, Officer?“

„Absolut, Lieutenant.“

Bill gibt den übrigen Officers des kleinen Trupps lautlos Zeichen, sich auf die drei Männer unten im Hafen zu fokussieren, die sich vom LKW aus jetzt in eine weitere der Hafenlagerhallen begeben.

Bill betätigt außerdem seinen Watchcomm: „Okay, ihr beiden – möglicherweise haben wir einen dubiosen Frachter im Auge. Ihr erhaltet das Bild jetzt über meinen Watchcomm.“

Bill hält das Display seines Watchcomms in Richtung des Frachtschiffes, von dem der ältere Mann gekommen ist.

 

Im dunklen Airfighter-Cockpit bestätigt Chris Bills Funkspruch:

„Alles klar, Bill – wir sehen´s klar und deutlich.“

Jessica dreht sich von der Steuerkontrolle aus zu Chris:

„Airfighter hat die Koordinaten des Frachters lokalisiert. Kurs steht, Chris.“

Chris nickt Jessica zu: „Dann mal los!“

Airfighter zieht dicht über das nächtliche Meer hinweg, bis die Lichter des Hafens vor ihm auftauchen.

Die Anzeige im Cockpit bestätigt, dass Airfighter zur Zeit im Silent Mode fliegt.

Indem Airfighter knapp am Hafen vorbei zieht und noch über dem Meer wendet, springen Chris und Jessica in schwarzen Taucheranzügen inmitten der scharfen Wende ins Meer: Nach einem trotzdem noch tiefen Sturz und entsprechend tiefem Eintauchen orientieren sich beide einige Meter tief unter Wasser mit ihren Tauchscheinwerfern und schwimmen zu den angezeigten Koordinaten des Frachters.

 

Oben auf dem Dach der Lagerhalle haben Bill und der Polizeitrupp den beinahe lautlosen Airfighter nur kurz aus der Nacht auftauchen sehen, bevor er wieder über dem Meer verschwunden ist.

Bill: „Chris und Jessica werden gleich an Bord gehen.“

Dann gibt Bill ein Zeichen, und zwei weitere der Officers schießen zwei hochempfindliche Schwingungsscanner ab, die auf dem Dach der Lagerhalle haften bleiben, in die die drei Männer hinein gegangen sind.

Bill spricht erneut in seinen Watchcomm:

„Airfighter, kannst du das Signal der Schwingungsscanner empfangen?“

 

Airfighter zieht in der Dunkelheit dicht über die Meeresoberfläche hinweg.

„Bestätige Empfang, Bill. Ich versuche, die aufgezeichneten Schwingungsmuster zurück in Schallwellen zu transformieren.“

 

Jessica und Chris tauchen direkt neben dem Frachtschiff aus dem Wasser auf und feuern jeder eine Art Harpune nach oben, die allerdings mit Hilfe eines starken Elektromagneten am oberen Ende des Frachters haften bleiben, ohne ihn zu beschädigen. Sogleich werden die Harpunenseile am oberen Ende eingezogen, so dass Jessica und Chris außen steil am Frachter nach oben laufen können, bis sie auf dem Deck angelangt sind.

Chris flüstert Jessica zu: „Ideal wäre, kein einziger Wachposten würde etwas mitkriegen: wenn wir niemanden ausschalten müssen, hinterlassen wir auch keine Spuren!“

Jessica flüstert grinsend zurück: „An uns soll´s nicht liegen!“

Die beiden lassen ihre Sauerstoffflaschen an den Harpunenseilen außen am Schiff hängen und pirschen sich zielstrebig über das nächtliche Frachtdeck: ein paarmal müssen sie Scheinwerfern ausweichen, die das Deck routinemäßig absuchen. Durch ihre schwarzen Tauchanzüge sind die beiden gut getarnt.

 

Im Innern der Lagerhalle sind der schick gekleidete Mann und die beiden vermeintlichen LKW-Fahrer in ein kleines Büro gegangen, durch dessen Glasscheiben sie weiterhin die gesamte dunkle Halle überblicken können.

„Senior Amando, wir können jederzeit an Sie ausliefern – sowie Sie ablegen.“

„Das ist sehr gut, aber wir müssen weiterhin größte Vorsicht walten lassen. Dies wird mein letzter Einkauf hier in L.A. sein, danach muss ich für meine Kunden die Ware woanders beziehen. Es wird hier allmählich zu heiß.“

„Kann die Polizei eine Fährte zu uns zurückverfolgen, Senior?“

Amando grinst böse: „Machen Sie sich da keine Sorgen, bisher gibt es für die Polizei keine wirklichen Spuren, außer den seit Jahren verbreiteten Gerüchten. Und außerdem werden Sie für Ihre Lieferungen sehr gut entlohnt.“

„Natürlich, Senior Amando, das steht völlig außer Frage!“

„Dann sollten Sie morgen früh noch vor Sonnenaufgang liefern. Übermorgen früh möchte ich meinen Frachter ablegen lassen.“

„Das geht so in Ordnung, Senior.“

Amando: „In welcher Verfassung befindet sich die Ware?“

„Auf Eis gelegt.“

Amando grinst erneut böse:

„Dann sollte die Beladung morgen Nacht, ohne Aufsehen zu erregen, vonstatten gehen.“

„Sehr wohl, Senior.“

 

Jessica und Chris sind unbemerkt bis zum Frachtraum vorgedrungen, wo beide jetzt vor der großen Eisentür hocken und ihre Umgebung noch einmal nach patrouillierenden Wachposten absuchen.

Jessica: „Im einfachsten Fall geht die Tür jetzt einfach so auf.“

Chris drückt die große Klinke herunter, und in der Tat lässt sich die schwere Tür so öffnen.

Chris grinst Jessica an: „Es darf auch mal einfach sein!“

Beide leuchten mit ihren Taschenlampen in den Frachtraum, und beider Blicke zeigen einen bestürzten Ausdruck der Bestätigung: im Frachtraum liegen zahlreiche Schlafmatratzen und stehen einige Eimer in den Ecken.

Jessica, mit bitterem Unterton: „Damit dürfte dann wohl klar sein, was der alte Sack verschifft!“

Chris, verbittert: „Ja.“

 

Bill und sein Polizeitrupp sehen vom Dach aus, wie Amando und die beiden anderen die Lagerhalle wieder verlassen. Zeitgleich sieht Bill, wie Chris und Jessica sich über den Frachter zurück zu der dem Hafen abgewandten Seite pirschen.

Bill flüstert: „Seht zu, dass ihr sofort von Bord kommt!“

Indem die beiden Männer zurück in den LKW steigen und Amando zurück auf das Frachtschiff geht, springen Jessica und Chris auf der Rückseite in ihren Taucheranzügen zurück ins nächtliche Meer.

 

  • 12 –

  •  

Manuel hat noch zwei Stunden in der dunklen Ecke gegenüber der Bar ausgeharrt, bis er beobachten kann, wie sich die Pokerrunde auflöst. Nun bleibt er an dem Mann dran, der Marc überfallen hat. Der Weg führt durch die nachtdunklen Gassen bis zu einem Auto, dessen Tür der Mann jetzt aufschließt.

Manuel fasst einen schnellen Entschluss und spricht in seinen Watchcomm, mit dem er ausgestattet worden ist: „Ich bin endlich in einer Bar fündig geworden: ein Typ hier hat erwähnt, dass ihm in G.S.T. vor einer Woche jemand durch die Lappen gegangen sei. Er fährt gerade weg. Ich werde mich von ihm kidnappen lassen – verfolgt mein Peilsignal!“

Sofort deaktiviert Manuel seinen Watchcomm und legt sich auf die nahegelegene Bank, wo er sich zusammenrollt und vorgibt zu schlafen. Schon schaltet der Mann die Autoscheinwerfer an und fährt die dunkle Gasse entlang. Als der auf der Bank schlafende Jugendliche deutlich im Scheinwerferlicht zu erkennen ist, fährt der Mann langsamer: „Na, was sagt man denn dazu?!“

Er hält an und fährt die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite herunter:

„Hey, Junge! Hörst du mich?“

Manuel stöhnt lediglich kurz und dreht sich gegen das Licht in die andere Richtung. Der Mann beginnt breit und zufrieden zu grinsen. Aus dem Handschuhfach nimmt er eine weitere Packung, aus der er eine frische Spritze auspackt und diese mit einer Flüssigkeit aus einer kleinen Ampulle auffüllt. Dann steigt er aus und vergewissert sich, dass sonst niemand in der Nähe ist. Dann tritt er an Manuel heran und spricht ihn noch einmal an. Manuel gibt weiterhin vor zu schlafen, hat in Wirklichkeit aber die Augen offen. Er hört den Mann an sich herantreten und nimmt den penetranten Kneipengeruch wahr. Dann spürt Manuel die Hand des Mannes, wie diese ihn umdreht: sofort schließt er seine Augen.

Der Mann blickt Manuel an: „Hey, Junge! Hörst du mich?“

Manuel blinzelt lediglich und stöhnt erneut kurz, um die Augen wieder zu schließen.

Zufrieden nimmt der Mann die Spritze aus der Tasche und beugt sich zu Manuel hinunter.

Das Letzte, was Manuel spürt, ist der kurze Einstich in einen Arm sowie ein betäubendes Gefühl, das ihn innerhalb von Sekunden jegliches Bewusstsein verlieren lässt.

 

Über Los Angeles patrouilliert die Airfighter-Basis in ausreichender Höhe, um nicht gesehen zu werden: gerade ist Airfighter durch die Landeschleuse zurückgekehrt. Durch die Luftschleuse betreten Jessica, Bill und Chris die Computerzentrale: Chris und Jessica tragen immer noch ihre Taucheranzüge.

Jessica: „Jetzt erst mal aus diesem Zeug raus und heiß duschen!“

Chris: „Definitiv. Computer, Statusmeldung!“

Computer: „Vor einer Minute ist ein Funksignal Manuels eingegangen, Chris.“

Bill und Jessica blicken auf.

Chris: „Bitte durchstellen!“

Als die drei Manuels Mitteilung hören, treffen sich ihre entsetzten Blicke.

 

[…]

 

Bill, Chris und Jessica befinden sich immer noch in der Computerzentrale, während auf dem Hauptschirm das Gesicht des Police Captains zu sehen ist.

Bill: „Einer unserer Leute hat sich dort eingeschleust, Captain!“

Captain: „Ich verstehe Sie, Lieutenant – jedoch ist dies nicht mit uns abgesprochen gewesen. Sie dürfen als Airfighter-Team souverän agieren, aber das kann auch von Nachteil sein. Die Polizei kann erst eingreifen, wenn wir handfeste Beweise haben. Das wissen Sie ja selbst.“

Chris: „Wir sollten aber vor allem im Blick behalten, Captain, dass es hier um junge Menschen geht, die als Fracht verkauft werden sollen!“

Der Captain nickt mit stummem, verständnisvollem Blick.

Jessica: „Immerhin sind Sie ja schon so weit gegangen, die Überwachungsaktion im Hafen heute Nacht abzusegnen.“

Captain: „Das war eine Sache...“

Chris: „Okay, was wäre wenn wir im richtigen Moment zuschlagen und die Polizei zufällig in der Nähe wäre und dann die Beweise geliefert bekommt?!“

Bill und Jessica entgegnen dem Police Captain den gleichen entschlossenen Blick wie Chris.

Der Captain seufzt: „Sie machen es mir wirklich nicht leicht...“

 

  • 13 –

  •  

Inmitten der Nacht landet Airfighter im Gegenschub seiner starken Positionstriebwerke in der Tiefgarage, in der sich das momentane Hauptquartier von Mikes Gruppe befindet: das gesamte Parkdeck wird von Airfighters Scheinwerfern erhellt; im Hintergrund steht eine ganze Reihe Motorräder.

Keine zwei Minuten später stehen Bill, Jessica und Chris bei Mike und ein paar seiner Leute an den Laptops.

Mike: „Dann ist unsere Chance genau morgen Nacht, wenn sie die Gekidnappten an Bord des Frachters bringen.“

Bill: „Sobald die Polizei offiziell die Beweise greifbar hat, erhalten wir von ihr Unterstützung.“

Chris: „Zweithöchste Priorität nach der Unversehrtheit der Jugendlichen hat, dass wir diesen Händler fassen!“

Mike: „Danach wäre es wenigstens einer weniger.“

Chris nickt.

Jessica: „Airfighter hat allerdings Manuels Peilsignal verloren, nachdem es zunehmend schwächer wurde. Zuvor wurde er wohl in diese Richtung transportiert.“

Jessica hat auf der Straßenkarte von Los Angeles, die auf dem Notebook vor ihr zu sehen ist, einen bestimmten Bereich angedeutet.

Der Mann aus Mikes Gruppe vor dem Notebook vergrößert den Bereich der Stadt.

Mike: „Anscheinend irgendwo in diesem Industriegebiet.“

Bill: „Auch wenn wir idealerweise unseren Zugriff von beiden Punkten aus durchführen sollten, müssen wir immer damit rechnen, dass die Gekidnappten vielleicht doch von woanders her transportiert werden.“

Chris: „Definitiv, ohne Peilsignal können wir nicht sicher sein, ob sie von diesem Industriegebiet aus losfahren.“

Mike: „Anders wäre besser!“

Chris „Keine Frage!“

Mike, leicht grinsend: „Bedeutet aber lediglich, dass wir besonders umsichtig planen müssen, nicht wahr?!“

Chris, das Grinsen erwidernd: „Das ist der Punkt!“

 

  • 14 –

  •  

Verschwommene Bilder und dumpfe Geräusche werden allmählich klarer: Manuel durchlebt, halb träumend, noch einmal die qualvolle Zeit, in der ihn die Commodores in dem düsteren Verlies von Wartungsbunker eine gefühlte Ewigkeit lang gefangen hielten. Dann erlangt er sein volles Bewusstsein wieder und findet sich auf dem Boden liegend im abgesperrten Teil einer offensichtlichen Fabrikhalle. Um ihn herum stehen oder sitzen einige Jugendliche auf den provisorischen und ungemütlichen Metallpritschen. Manuel dreht sich so, dass er die Halle aus der richtigen Perspektive sehen kann: die einzigen zu sehenden Fenster sind zu hoch, als dass man durch sie hindurch nach draußen blicken könnte: aber es scheint immer noch Nacht zu sein; außerdem ist der Teil mit den Pritschen und den nach Fäkalien stinkenden Blecheimern, in dem sich Manuel zusammen mit den anderen Jugendlichen befindet, durch ein verrostetes Gittertor vom Rest der Halle abgegrenzt. In der Halle stehen ein paar zwielichtige Männer mit Schusswaffen verteilt. Geistesgegenwärtig, aber unauffällig will Manuel auf seinen Watchcomm blicken, doch dieser ist ihm offensichtlich vom Arm genommen worden. Sein die anderen Jugendlichen musternder Blick zeigt ihm sofort, dass ihnen allen offensichtlich sämtliche Wertgegenstände abgenommen worden sind.

 

Das rote Licht der aufgehenden Sonne durchflutet die Tiefgarage, in der die Pfeiler lange Schatten werfen. Im Hauptquartier von Mikes Gruppe stehen Bill, Jessica und Chris nach wie vor zusammen mit den an den Laptops arbeitenden jungen Leuten und halten sich mit der x-ten Tasse Kaffee wach. Von einem der Laptops nickt eine junge Frau Mike bestätigend zu.

Mike wendet sich an das Airfighter-Team: „Wir können jetzt die öffentlichen Überwachungskameras anzapfen und haben Zugriff auf firmeninterne Onlinebestellungen.“

Die Frau ergänzt vom Laptop aus: „Falls uns eine Firma auffällt, die sich den ganzen Tag lang nicht geregt hat, wäre das eine gute Spur.“

Bill nickt.

Mike: „Allerdings werden wir erst heute Abend wieder Zugriff auf das System nehmen, um nicht schon vorher aufzufliegen.“

Chris: „Dann dürften die Online-Geschäftsaktivitäten sowieso weniger und daher überschaubarer geworden sein.“

Mike: „Genau, das kommt hinzu.“

Chris dreht sich zu Bill und Jessica zurück: „Dann lasst uns jetzt unsere Vorkehrungen treffen!“

Die drei verlassen Mikes Hauptquartier.

 

Hinter dem Gittertor hat Manuel inzwischen denjenigen unter den Bewaffneten entdeckt, der seinen Watchcomm am Arm trägt. Absichtlich nimmt Manuel immer wieder Blickkontakt zu dem Mann auf, lässt es aber so aussehen, als sei es unbeabsichtigt, wenn dieser Manuels Blick bemerkt. Schließlich kommt der wenig vertrauenerweckende Mann zum Gittertor getreten: die anderen jugendlichen Gekidnappten nehmen beunruhigt einigen Abstand zum Gittertor ein.

Der Mann knurrt Manuel an: „Hast du deine Uhr wiedererkannt, du Scheißer?“

Manuel entgegnet lediglich einen unbeeindruckten Blick genau in die Augen des Mannes – die anderen Jugendlichen wirken eingeschüchtert.

„Woher kann sich ein Penner wie du so ´ne Uhr leisten?“

Manuel, provozierend: „Was denkst du denn? Die hab ich geklaut, du Genie!“

Die Blicke der anderen Gekidnappten zeigen, dass sie Manuel inständig dazu raten, kein weiteres Wort mehr zu sagen.

Der Mann kneift bösen Blickes seine Augen zusammen: „Hey, kleiner Scheißer: soll ich dir mal ins Bein schießen – oder eine Hand weg? Ich glaube, das schmälert deinen Preis nur unwesentlich!“

Die anderen Jugendlichen reißen ihre Augen in Panik auf.

Manuel verzieht keine Miene.

Dann dreht sich der Mann wieder weg und geht zurück auf seinen Posten, worauf die anderen Bewaffneten anscheinend gewartet haben.

Die anderen Jugendlichen blicken Manuel an: „Lass das sein! Die machen Ernst!“

„Ich habe gesehen, wie sie jemanden erschossen und einfach ins Wasser geworfen haben!“

Manuel flüstert: „Ganz ruhig, ich bin nicht zufällig hier – wir holen euch hier raus, okay?!

Die Jugendlichen zeigen mit einem mal einen Hoffnungsschimmer in ihren Blicken, die zugleich ihre große Überraschung zum Ausdruck bringen.

Manuel ruft etwas lauter: „Ich will noch immer meine Uhr zurück, so ´ne Scheiße!“

 

Vor dem Hintergrund der aufgehenden Sonne verlässt Airfighter die hoch über L.A. patrouillierende Airfighter-Basis durch die automatische Start- und Landeschleuse, wo er einen kurzen Zwischenstopp eingelegt hat: Während Chris und Jessica mit Airfighter wieder nach unten ziehen, betritt Bill durch die Luftschleuse hindurch die Computerzentrale der Basis und reaktiviert den Hauptschirm, indem er vor der großen Kontrollwand Platz nimmt und sich ein Headset aufsetzt.

Bill: „Ich habe euch in der Ortung; Datentransfer zum L.A.P.D. ist intakt.

Hinter Bill erscheint auf dem Hauptschirm die Silhouette L.A.s aus Airfighters Perspektive, der sich auf die Stadt herabsenkt; gleichzeitig erscheint das Gesicht des Police Captains auf einem der Bildschirme in der großen Kontrollwand.

 

Im Airfighter-Cockpit antwortet Chris über das Headset seines Pilotenhelms:

„Verstanden, Bill; wir überfliegen jetzt das Industriegebiet.“

Jessica: „Patrouillenkurs ist programmiert.“

Airfighter: „Kurs bestätigt.“

 

Im Morgengrauen überfliegt Airfighter in ausreichender Höhe, um nicht aufzufallen, das Industriegebiet und den umgebenden Stadtteil.

Jessica: „Der Straßenverlauf stimmt nach wie vor mit den uns zur Verfügung stehenden Straßenkarten überein; außer drei wegen Bauarbeiten gesperrten Straßen, zwei Unfallstellen von gestern und einem für morgen geplanten Festival, das wiederum fünf Straßen teilweise in Mitleidenschaft zieht. Ich korrigiere das in unseren Straßenkarten.“

Chris nickt: „Immer noch kein Signal von Manuels Watchcomm...“

Airfighter: „Leider muss ich das bestätigen.“

Chris: „In Ordnung, als nächstes fertigen wir eine genaue Auflistung und Positionierung der zur Zeit dort unten befindlichen Fahrzeuge an, vor allem der Busse und LKW.“

Jessica: „Ich initiiere den Scan.“

 

In der Computerzentrale bestätigt Bill: „Ich empfange eure Scanauswertung und speichere die Ergebnisse im Zentralcomputer.“

Auf dem Hauptschirm beantwortet der Police Captain Bills Blick mit einem knappen Nicken.

 

  • 15 –

  •  

Am Mittag befindet sich Senior Amando an Bord eines schicken, weißen Motorbootes, das ein paar Kilometer vom Hafen entfernt auf dem offenen Meer vor Anker gegangen ist.

Amando befindet sich unter Deck und sitzt vor einem Laptop, mit dem er gerade per Email mit seinen Kunden korrespondiert. Nachdem letzte Rückfragen beziehungsweise Wünsche bezüglich der zu verschleppenden Jugendlichen geklärt worden sind, geht Amando an Deck und setzt sich mit einem Glas Wein in der Hand in einen Liegestuhl. Zufrieden und sich entspannend, lehnt er sich zurück und lässt seinen Blick mit dem Weinglas in der Hand über das weite Meer unter dem strahlend blauen Himmel gleiten.

 

[...]

 

Durch das hoch oben in der Fabrikhalle befindliche Fenster erahnt Manuel die tief stehende Sonne.

Er spricht zu den anderen Gekidnappten:

„Es sieht so aus, als ob es Abend würde. Dann werden wir wohl in Kürze aufbrauchen.“

Einer der Jugendlichen antwortet verängstigt: „Wohin werden die uns bringen?“

Ein anderer ergänzt mit einem blick schierer Panik:

„Werden die uns wirklich verschiffen? Dann kommen wir nie wieder zurück!“

Manuel blickt allen nacheinander fest in die Augen: „Hört mir jetzt gut zu: wenn diese Schweine mit uns ablegen, kriegen sie, was ihnen schon lange zusteht. Dafür sorgen die Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Vertraut mir, auf die können wir uns verlassen!“

Ihre Blicke zeigen Manuel, dass er die Jugendlichen erreichen konnte.

Kurz darauf erkennt Manuel die eintretende Aufbruchstimmung unter den Bewaffneten.

Manuel blickt noch einmal den Gekidnappten in die Augen: „Verlasst euch drauf!“

Auf der anderen Seite sieht Manuel, wie ein großes Tor geöffnet wird, durch das ein LKW rückwärts herein gefahren kommt. Manuels Blick schweift dabei erneut am Fenster vorbei: draußen ist es jetzt fast dunkel. Mehrere der Bewaffneten nehmen die Gekidnappten ins Visier, und derjenige mit Manuels Uhr tritt ans Gitter heran, wo er das Schloss aufschließt: „Ganz ruhig und keine Dummheiten! Andernfalls werdet ihr sofort durchlöchert – und das wäre schade um euren Preis!“

Manuel sieht dem Mann mit einem eisigen Blick genau in die Augen. Indem die Jugendlichen durch die Halle zum LKW geführt werden, tritt der Mann näher an Manuel heran:

„Du kleiner Pisser, ich würde dir zu gern mal Respekt einprügeln!“

Manuel neigt seinen Kopf wie in einer kühnen Geste der Herausforderung.

Mit einem wütenden Schnaufen schlägt der Mann Manuel sein Gewehr in den Bauch. Als Manuel lediglich knapp zuckt und sofort wieder den Blick in die Augen des Mannes standhaft erwidert, reißt der Bewaffnete seine Augen ungläubig und beunruhigt auf.

Von hinten ruft einer der anderen Bewaffneten:

„Hör auf mit dem Scheiß! Schick ihn endlich rüber!“

Mit immer noch verstörtem Blick sieht der Mann Manuel nach, der ihm im Vorbeigehen immer noch fest in die Augen sieht.

Die Jugendlichen werden allesamt in den LKW gebracht, wo vier der Bewaffneten mit ihnen zusammen den Laderaum besteigen. Dann wird der Frachtraum von außen verschlossen, und der LKW fährt los.

 

Mike und ein paar seiner Leute verlassen gerade ihr Hauptquartier.

Mike spricht über Funk: „Unter den Firmen, die heute überhaupt keine Transaktionen getätigt haben, haben wir eine ausfindig gemacht, die weder insolvent gegangen ist noch Betriebsferien hat. Euch wird die Adresse gerade zu gemailt!“

Mike und diejenigen bei ihm steigen jetzt auf ihre Motorräder in der Tiefgarage und fahren los.

 

In der Computerzentrale der Airfighter-Basis bestätigt Bill Mikes Funkspruch und nickt dem Police Captain auf dem Bildschirm zu: dieser erwidert ein knappes Nicken. Dann verlässt Bill die Computerzentrale durch die untere Luftschleuse, an der Airfighter vorübergehend angedockt hat.

Im Airfighter-Cockpit hat Jessica ein bestimmtes Firmengebäude im Industriegebiet vergrößert auf die Cockpitscheibe projiziert: „Das ist die Firma, die Mikes Leute ausfindig gemacht haben.“

Bill klettert gerade von hinten zu Jessica und Chris ins Airfighter-Cockpit:

„Der Captain hält seine Leute bereit.“

Chris weist auf Jessicas Projektion: „Das ist unser Kurs!“

 

Der LKW mit den Gekidnappten hat die Fabrikhalle verlassen und fährt unauffällig die Straße durch das Industriegebiet entlang, wo abends noch mehrere LKW in ruhigem Tempo unterwegs sind. Sofort nachdem der LKW die Betonwände der Halle verlassen hat, sendet Manuels Watchcomm wieder sein Peilsignal an Airfighter: das Display des Watchcomms leuchtet vorübergehend hell auf. Der Bewaffnete mit dem Watchcomm am Arm bemerkt dies und versucht die Displaybeleuchtung zu deaktivieren – ohne zu wissen, was gerade geschieht:

„Hey, was ist das jetzt? Wenn das so weitergeht, ist der Saft gleich alle!“

 

Im Fluge nach unten empfängt Airfighter wieder Manuels Peilsignal.

Airfighter: „Manuels Watchcomm sendet wieder.“

Jessica zeigt auf die vergrößerte Projektion auf der Cockpitscheibe:

„Es muss der LKW sein, der gerade von unserer Firma abgefahren ist.“

Bill: „Treffer!“

Chris: „Kurs halten!“

 

Im LKW wendet sich der Bewaffnete erneut mit drohendem Blick an Manuel:

„Wie schalte ich das Licht im Display wieder aus, Arschloch?“

Da Manuel ihn offenbar mittlerweile verunsichert, hält der Mann Manuel jetzt zusätzlich seine Waffe unter das Kinn.

Einer der gekidnappten Jungs beschwört Manuel mit panischem Blick: „Sag´s ihm!“

Manuel sieht dem Mann mit eisigem Blicke in die Augen: „Drück den Knopf unten links.“

Das eintretende zufriedene Grinsen des Bewaffneten verzieht sich schlagartig zu einer verzerrten Grimasse, als bei Drücken des besagten Knopfes ein Elektroimpuls aus dem Watchcomm seinen ganzen Körper durchzuckt. Reaktionsschnell hat Manuel seinen Kopf über dem Waffenlauf weggezogen, als der Mann schon unkontrolliert einen Schuss in die Decke des LKW abgegeben hat. Sofort als der Elektroschock vorüber ist, ergreift Manuel die Waffe des Mannes, schlägt diesen mit einem brutalen Ellenbogenschlag genau ins Gesicht zu Boden und erschießt den zweiten Bewaffneten an der Laderampe des LKW, der gerade das Feuer eröffnen will: der Bewaffnete wird durch die in voller Fahrt auffallende Rampe nach draußen geschmettert.

Manuel ruft den fassungslosen übrigen Gekidnappten zu: „Sofort auf den Boden, schnell!“

 

Aus dem Airfighter-Cockpit sehen Bill, Jessica und Chris den aus dem LKW geschleuderten Bewaffneten und die auf den Teer aufprallende Laderampe, während der LKW weiterfährt.

Jessica blickt zu Chris.

Chris, leicht grinsend: „Manuel ist wieder im Spiel.“

Airfighter: „Meine Sensoren zeigen einen Schusswechsel im Laderaum des LKW an.“

 

Quer durch den Laderaum des LKW eröffnen die beiden übrigen Bewaffneten über die Köpfe der auf dem Boden liegenden Gekidnappten das Feuer auf Manuel.

Manuel hört Chris´ Stimme aus seinem Watchcomm, der immer noch am Arm des neben ihm auf dem Boden liegenden Mannes hängt: „Haltet durch, Manuel – wir bremsen den LKW jetzt aus.“

 

In einem spektakulären Anblick zieht Airfighter nur wenige Meter über den fahrenden LKW hinweg, wendet unweit vor dem LKW in dessen Fahrtrichtung und schwebt diesem jetzt im gewaltigen Gegenschub seiner Positionstriebwerke entgegen.

Im Fahrerhaus des LKW flucht der bewaffnete Beifahrer angsterfüllt:

„Scheiße – lenk zur Seite, Mann!“

Unweit vor dem über der Straße schwebenden Airfighter dreht der LKW scharf zur Seite.

Im Laderaum nutzt Manuel den Schub aus, um sich mit voller Wucht gegen den einen der beiden Bewaffneten schleudern zu lassen und schlägt diesen kurzerhand mit dem Kopf einmal fest auf den Boden.

Als der LKW mit quietschenden Reifen zum Stehen gekommen ist, zieht Chris mit Airfighter wieder dicht über den LKW hinweg, und beim Überfliegen springt Jessica auf das Dach des LKW ab.

Bill funkt den Police Captain an: „Captain, auf den Koordinaten, die dem Police Department gerade von Airfighter übermittelt werden, ist ein LKW von der Straße abgekommen, dessen Fracht Sie besser inspizieren sollten!“

 

Auf dem Polizeipräsidium erteilt der Police Captain einer bereits wartenden Streife den Einsatzbefehl.

 

Im Laderaum des LKW hat der verbliebene Bewaffnete einen der auf dem Boden Liegenden ergriffen und diesem seine Waffe an den Kopf gesetzt: Manuel lässt seine Waffe fallen und nimmt die Hände hoch. Der Bewaffnete hält den Jungen weiterhin fest im Griff, richtet seine Waffe jetzt aber auf Manuel und weist diesen an, den LKW zu verlassen.

 

Im Airfighter-Cockpit spricht ein Sensoralarm an.

Airfighter: „Von der Lagerhalle fährt soeben ein zweiter LKW ab.“

Bill sieht sich die Ortungsanzeige an: „Offenbar eine sehr eilige Lieferung, Chris!“

Chris zieht mit Airfighter wieder zurück in Richtung der Lagerhalle:

„Ist mit Sicherheit unsere Eillieferung, Bill!“

 

Auf seinem Motorrad bestätigt Mike über Helmfunk Chris´ gerade eingegangenen Funkspruch: „Verstanden, Chris – wir nehmen uns den zweiten LKW vor!“

 

Der bewaffnete Kidnapper führt Manuel mit unentwegt auf ihn gerichteter Waffe über die Laderampe nach draußen, während im Laderaum die übrigen Jugendlichen entsetzte Blicke zeigen. Als Manuel das untere Ende Ende der Laderampe erreicht hat, zielt der Bewaffnete jetzt vom oberen Ende der Rampe aus genau auf Manuels Kopf: sein Blick zeigt emotionslose Kälte. Manuel blickt unbeirrt geradeaus. Da springt Jessica auf kurzen Zuruf von oben auf den Bewaffneten und schmettert ihn von der Rampe, indem Manuel dem Kopfschuss durch einen reaktionsschnellen Sprung zur Seite ausweicht.

 

Gerade als Airfighter den zweiten LKW am Ende der Industriestraße eingeholt hat, biegt der LKW auf eine Schnellstraße ab, die durch einen Tunnel weiter verläuft.

Bill: „Verdammt!“

Chris, über Funk: „Mike, sie gehören euch – sie nehmen den Tunnel!“

Mike und seine Leute kommen gerade um die nächste Straßenecke gefahren und rasen in den Tunnel hinein: „Alles klar, Chris!“

 

Jessica und der Bewaffnete rollen sich auf der Straße ab, und sogleich springt Jessica aus dem Liegen zurück in den Stand. Der Kidnapper rappelt sich wieder auf, doch noch bevor er aufsehen kann, kickt Jessica ihm die Waffe aus der Hand. Jetzt erblickt er das erste Mal Jessica und beginnt, herabwürdigend zu grinsen. Jessica erwidert kurz dasselbe Grinsen. Abrupt schlägt der Kidnapper brutal zu, doch Jessica ist schneller und blockt den Schlag ab: Sie hält den Arm des Mannes fest, dreht ihn blitzschnell um und verpasst dem Mann einen heftigen Highkick über den umgedrehten Arm hinweg mitten ins Gesicht, so dass sich der Mann, Blut spuckend, nach hinten in der Luft überschlägt und keine Sekunde später hart auf den Straßenboden aufschlägt.

Manuel nickt Jessica zu: „Danke dir!“

Jessica grinst: „Ich überlasse doch nicht nur dir den ganzen Spaß!“

Manuel erwidert das Grinsen. Dann winken die beiden den Jugendlichen zu, die Laderampe herunterzukommen.

 

Im Tunnel springen Mike und drei weitere seiner Leute von ihren Motorrädern bei rasender Fahrt genau neben dem LKW auf diesen ab, indem die Mitfahrer auf ihren Motorrädern die Kontrolle übernehmen. Mike und die drei anderen klettern außen am LKW entlang bis zum Fahrerhaus, in das sich Mike und die Frau, die bereits im Hauptquartier bei ihm gestanden hat, hinein schwingen, während sich die anderen beiden weiterhin draußen am LKW festhalten. Mike und seine Partnerin überwältigen Fahrer und Beifahrer im LKW und reißen dabei das Lenkrad herum, so dass der LKW am Ende des Tunnels in die Leitplanke fährt und zum Stehen kommt. Die übrigen Kidnapper, die im LKW waren, sehen sich jetzt von Mikes Leuten auf den Motorrädern und dem Dach des LKW umstellt und zeigen keinerlei Widerstand mehr. Da sieht Mike, wie im Hintergrund ein weißes Motorboot aufs offene Meer hinausfährt, unweit hinter dem Frachter, auf den die Entführten gebracht werden sollten. Mike funkt sofort Chris und Bill an.

 

Chris und Bill tauchen mit Airfighter gerade über dem Tunnelende auf und ziehen über den LKW hinweg aufs Meer hinaus.

Chris: „Danke für den Hinweis, Mike!“

Bill: „Um den zu sehen, brauchen wir nicht einmal Airfighters Sensoren!“

Airfighter: „Aber ich kann euch eine Nahaufnahme liefern.“

Chris: „Immer gern!“

Das Gesicht Senior Amandos wird auf Bildschirm_1 angezeigt.

Bill: „Ja, das ist unser Mann.“

 

Bei Mikes Leuten und dem LKW trifft ebenfalls eine Polizeistaffel ein und untersucht den vermeintlichen Verkehrszwischenfall. Mike weist die Officers auf den im Hintergrund im Hafen liegenden Frachter hin.

 

Im Policedepartment antwortet der Captain dem Funkspruch der Einsatzstaffel: „Nun ja, falls der Frachter nicht beliefert werden kann, sollten wir die Ladung auf ihre Haltbarkeit prüfen, da für eventuelle Nahrungsmittel gegebenenfalls ein Weitertransport gewährleistet werden muss!“

 

Senior Amandos Blick zeigt seine Unzufriedenheit über den misslungenen Transport der Gekidnappten auf den Frachter und zugleich seine Besorgnis darüber, ebenfalls gefasst werden zu können. Als er plötzlich ein herannahendes Donnern hört und beim Umdrehen den auf ihn zu rasenden Airfighter erblickt, wandelt sich die Besorgnis in seinem Blick in schiere Panik um: in einem imponierenden Anblick fliegt Airfighter dicht über die Meeresoberfläche hinweg und wirbelt dabei das Wasser auf, dessen feine Tropfen in der Luft in Form kunstvoller Bögen um Airfighter herum aufgewirbelt werden! In seiner Panik ergreift Amando tatsächlich seine Waffe und eröffnet das Feuer auf Airfighter. Chris und Bill wechseln nur einen kurzen Blick miteinander, ziehen dann mit Airfighter im Tieffluge direkt über das Boot hinweg und starten anschließend mit vollem Schub wieder durch: Amandos Boot wird durch den gewaltigen Düsenschub in die Luft geschleudert und überschlägt sich zweimal im Fluge, bevor es wieder aufs Wasser aufschlägt. Amando, der in hohem Bogen ins Meer geschleudert worden ist, taucht gerade wieder auf und spuckt eine Wasserfontäne aus: da treibt ein vom Boot weg geschleuderter Rettungsring zu ihm hin.

Im Airfighter-Cockpit beobachten Bill und Chris zufrieden.

Bill: „Hast du das schon mal im Film gesehen?“

Chris: „Nur mal mit ´nem Streifenwagen.“

Beide grinsen.

 

Jessica und Manuel haben die überglücklichen Jugendlichen über die Laderampe aus dem LKW heraus geführt; auch hier trifft gerade die Polizei ein. Chris und Bill überfliegen den LKW mit Airfighter und setzen unweit von Jessica und Manuel zur Landung an. Chris und Bill wechseln durch die Cockpitscheibe hindurch zufriedene Blicke mit Jessica und Manuel. Plötzlich sieht Manuel, dass sich Chris´ Miene abrupt ändert, als er schon hinter sich einen gespannten Abzug hört: der Kidnapper, den er im LKW niedergeschlagen hat, steht dort und richtet seine Waffe auf Manuels Kopf: „Arschloch!“

Manuel und Chris blicken einander immer noch in die Augen, indem Chris mit der Waffenkontrolle innerhalb einer halben Sekunde eines der Bordgeschütze manuell ausrichtet und feuert: der Killer wird durch die komplette Laderampe und sogar durch die LKW-Wand hindurch bis ins Fahrerhaus geschmettert. Manuel atmet durch.

Nachdem Bill und Chris ausgestiegen sind, und während sich die Polizisten um die entführten Jugendlichen kümmern, tritt Manuel zu Chris.

Manuel: „Danke, Chris.“

Chris grinst: „Du bist eigentlich ziemlich gut allein mit denen klar gekommen – gute Arbeit.“

Dann legt er Manuel den Arm um die Schulter: „Gern geschehen – dazu ist ein Team da!“

Manuel lächelt.

 

  • 16 –

  •  

Juan sitzt in seiner Baracke am Telefon, das ihm einer der uniformierten Aufseher gereicht hat.

Juan: „Und mit Marc ist alles in Ordnung?“

Jessica: „Ja, Manuel hat genau richtig reagiert – und jetzt haben wir wenigstens einen der Dreckskerle mitsamt den Gekidnappten fassen können.“

Juan: „Das ist gut. Leider gibt es noch so viele davon, und an die Auftraggeber wird man wohl nie herankommen.“

Jessica: „Aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung!“

Juan lächelt: „Ich liebe deine Einstellung. Durch dich sehe ich alles positiver.“

Jessica: „Ich vermisse dich.“

Juan: „Ich vermisse dich auch. Aber bald ist das hier ja wieder vorbei.“

Jessica: „Ich zähle die Tage.“

Nach Jessica telefoniert Manuel noch die restlichen Minuten mit Juan.

Juan: „Hey, kleiner Bruder – ich habe gehört, du hast deinen Job gemacht wie ein Profi!“

Manuel lächelt: „Hab ich wohl von dir gelernt, großer Bruder.“

Juan: „Manuel – ich bin stolz auf dich!“

Manuel: „Danke, Juan.“

Beide telefonieren noch Juans restliche Minuten miteinander, bevor der Aufseher das Telefon wieder an sich nimmt und Juan mit einem glücklichen Blick zum jenseitigen Ende des Gebirgstals schaut.

 

Jessica und Manuel treten wieder zurück zu Bill und Chris, die zusehen, wie die Polizei sämtliche der Kidnapper, die Frachterbesatzung und Senior Amando in Gewahrsam nimmt. Amando protestiert dabei ununterbrochen und beschimpft alle Anwesenden aufs Übelste.

Amando: „Ich habe mir nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen!“

Bill: „Zu Ihrem Bedauern müssen wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die Frachterbesatzung das aber ganz anders sieht. Sie haben auch kein Interesse daran, ihren Kopf allein hinzuhalten.“

Außer sich beschimpft Amando jetzt auch die Frachterbesatzung und flucht lauthals. Manuels Blick zeigt, dass er nur mit Mühe an sich halten kann. Da rammt Chris, indem er sich abrupt umdreht, wie in einer versehentlichen Bewegung Amando seinen Ellenbogen mit solcher Wucht mitten ins Gesicht, dass Amando mit dem Kopf gegen den Streifenwagen schlägt und mit blutender Lippe und Nase zu Boden fällt. Manuel blickt Chris überrascht an.

Chris: „Oh Verzeihung, wie ungeschickt von mir – kommen Sie, ich helfe Ihnen auf.“

Amando ist so perplex, dass er kein Wort mehr sagt, indem Chris ihm ein Tuch gegen das Nasenbluten reicht. Manuel, Jessica, Mike und Bill zeigen ein heimlich gönnendes Grinsen.

Chris wendet sich an den Officer: „Ich übernehme selbstverständlich die Arztkosten!“

 

  • 17 –

  •  

Wenige Stunden später steht Airfighter startklar auf dem Parkplatz des Los Angeles Polizei-Präsidiums. In seinem Büro teilt der Captain dem Airfighter-Team mit:

„Da die Burschen sehr erpicht darauf waren, die Schuld auf möglichst viele Schultern zu lasten, haben sie uns auch die sogenannten Lieferanten serviert, die die Jugendlichen gekidnappt hatten. Auch Ihr Mann aus Green-Stone-Town ist jetzt gefasst.“

Chris, Bill, Manuel und Jessica nicken zufrieden.

 

[...]

 

Kurze Zeit später hebt Airfighter vom Parkplatz ab.

Chris: „Wieder zurück nach G.S.T. oder lieber hier bleiben?“

Alle geben vor, einen Moment zu überlegen, bevor Manuel dann für alle die Antwort gibt:

„Fliegen wir nach Hause, Leute!“

Er wechselt mit allen einen einvernehmlichen Blick.

Hoch über L.A. donnert Airfighter mit Überschallgeschwindigkeit am blauen Himmel davon.

 

Story by Christian Scheffel –

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.07.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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