Thomas Kleinrensing

Selbstgespräch Nr: 14

„Verdamp lang her, dat ich  …“ knistert analog wellig die alte BAP Vinylrille. Mein Körper und ich fletzen sich ungeschliffen wie aus der Zeit gefallen im Sessel, während ich unkontrolliert auf knirschenden Wegen durch den Hippocampus im ältesten Teil meines Gehirns umherwandere. Ich flattere durch meine Jugend in Duisburg und den Pott. Wunderbar durchschwebe ich meine Kohlenstaubromantik. Nachts gegenüber der ATH am Rheinufer bei Orsoy den Stahlabstich wummernd rot bis zu den Wolken vor Augen, ein Köpi am offenen Mund und die große Liebe hat Ausgang. 

„Verda - krch – Verda - krch – Verda - krch“, kratzt die hängengebliebene Ton Nadel Kerben in den Raum. Ich schrecke hoch, ziehe den Stecken und mich in eine aufrechte Sitzhaltung. Höre mich unvermittelt in einem Gespräch über das Gehirn und das Denken verwickelt. Es ist verdammt lang her, dass ich mit mir gesprochen habe, fällt mir auf. Umso mehr erstaunt mich der Inhalt, schwere Kost. Es dreht sich um das Denken. Dass das anstrengend sein kann, ist wohl wahr. Richtig hart wird es aber, wenn man beginnt selbst zu denken und sich darüber hinaus noch mit seinem Alter Ego austauschen muss. Gänzlich unerträglich, wenn  Fragen auf Antworten nicht mehr warten, sondern gar keine erwarten.

Besteht zwischen Gehirn und Denken überhaupt ein Zusammenhang? Wenn ja, trifft  das wirklich auf alle Menschen zu? Warum geht ein Hirnschlag dann bei etlichen Artgenossen ins Leere, wie letztens in der Fachpresse zu lesen war. „Hirnschlag verliert seinen Schrecken“ titelte unlängst Bild.de. Immer öfter habe ich das Gefühl in einem Biotop für Bekloppte zu leben, wie einst Martin Buchholz in seinem gleichnamigen Buch trefflich beschrieb. Kann es zu dem sein das Ditmar Wischmeyer berechtigt die Frage stellt „Alle doof bis auf ich“ oder ist das zu wischmeyerisch? Ist Hirn nicht nur beim Metzger sondern auch beim  gemeinen stupid white GerMan aus, frage ich mich. Was soll man denken wenn TTIP für viele irgendwas mit Lotto zu tun hat.

Die erfolgreichsten Lebensformen sind bekanntlich Bakterien und Mikroorganismen. Diese Lebewesen existieren schon seit 250 Millionen Jahren auf unserem Planeten. Hirnwissenschaftler vermuten, dass diese Wesen von Anbeginn an bis zum heutigen Tag aus reinem Selbstschutz und Überlebenstrieb ein einziges Lebensmotte beherzigen – Bloß nicht denken -. Somit wäre es doch möglich, dass bei der Spezies Mensch die Dummen auch länger leben, folgert daraus die Politik. Somit keine nachhaltige Bildungsreformen sondern bis ins Alter niedrig versorgen und abhalten, nicht nur beim Wasserlassen sondern auch von der Bildung. Das ist Schwarze Null Politik unter Inkaufnahme, dass aus einer schwarzen Null auch ein brauner Hohlkörper werden kann. Geben wir ihnen Fußball und Flatrate, Brot und Spiele wie im alten Rom, sagt sich die Politik.

Das ist provokant aber wissenschaftlich wie auch politisch betrachtet nicht sonderlich erstaunlich und zudem sehr Konsum fördernd, ein richtiger KIK quasi. Die Grundlage für die größte Umgestaltung der Gesellschaft hat1982 der Dicke aus Oggersheim mit der aus dem Saumagen aufgestoßenen geistig moralischen Wende auf Basis des Bundesverwaltungsurteils zur Vielfalt im Fernsehen und Rundfunk gelegt. Das war die erste große und grundlegende Verdummungsreform. Die Programmgestaltung heute und die Inhalte der Sendungen werden seitdem konsequent der Überlebensstrategie von Bakterien und Mikroorganismen angepasst. Nichtdenken wird zur coolen Überlebensstrategie.

Aristoteles vertrat die Theorie, dass das Gehirn nicht zum Denken sondern zur Abkühlung des Blutes dienen würde, quasi ein innerer Bierdurchlaufkühler. Das ist natürlich Quatsch, auch wenn der Deutsche sich immer wieder in die Spitzengruppe der Verhopften trinkt. Die Politik ist allerdings vehement bemüht den Gedanken Aristoteles zukünftig bestätigen zu wollen. Ein aufgeklärtes, kritisches und gebildetes Volk wäre für unsere politischen Eliten einfach nicht regierbar. Mit einem solchen Volk wären die Regierenden intellektuell hoffnungslos überfordert. Für die überlebenswichtigen Tätigkeiten wie Essen, Verdauen, Schlafen, Shoppen und Fortpflanzen reicht bekanntlich das Rückenmark vollkommen aus.

Denken lässt das Gehirn wachsen, Nichtdenken das Unterhautfettgewebe, zumindest in Amerika. Das wurde unlängst von amerikanischen Wissenschaftlern publiziert, von wem auch sonst. Genau die 20 Prozent der zugeführten Energie welche ein Mensch beim Denken verbraucht, haben bildungsferne Probanden in Amerika nachweisbar als Mehrwert auf Rippen und Hüften. Heute kommt die Bildung staatlich genehmigt ganz privat vom Bildschirm. So wurde es einst in 82 vom Kommerzrat beschlossen. Bildung quasi ausgesourced auf die Mattscheibe.

Konsequent wäre jetzt, wenn Schulen durch Sponsoren finanzieren würden. Eine Aldi Gesamtschule, ein EDeKa Gymnasium, Media Markt Berufsschule oder Saturn Oberschule, Real Schulen haben wir doch schon. Und in den Pausen, Werbe Spots. In denen wird auf die spannenden Unterrichtsinhalte der nächsten Stunde hingewiesen. Ethik gesponsert von Primark zum Beispiel.

Ich denke, dass es nicht von ungefähr BILDung heißt. Als die BILDung laufen lernte, fällt mir ein. Wäre Buch der Namensgeber, müsste es eigentlich Buchung heißen. Aber das Wort kennt man meistens nur noch durch last minute Angebote.

Der Tom
27. Juli 2015

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