Christa Astl

Die Umarmung




 

 
 Als Kind hatte ich eine ungeheure Angst vor Hunden, die ich erst als Erwachsene überwinden konnte, oder musste? Damals wanderte ich von Hof zu Hof durch Südtirol. Jeder dieser einschichtige Bauernhöfe war von einem scharfen, laut kläffenden Hund bewacht, meist lag er - der arme Hund - an der Kette. Doch wusste ich das vorher? Vorsicht war angebracht. Ihm auszuweichen hätte einen stundenlangen Umweg bedeutet! Also, allen Mut zusammen nehmen, alle Heiligen anrufen, und frisch gewagt der Gefahr entgegen gehen. Keiner fraß mich, ja biss mich nicht einmal!
Jahre danach traf ich auf einen Hund, - größer als ich. Mit der Familie war ich auf Urlaub im Burgenland und wir machten einen Tagesausflug nach Niederösterreich, das Land der Marillen (Aprikosen). Auf der Rückfahrt am frühen Nachmittag musste ich die vormittags bestellten Marillen holen. Es war ein riesiger Obstgarten, doch weit und breit niemand zu sehen. So wollte ich zum Gartenhäuschen am hinteren Ende des Grundstückes. - Und dann kam jemand, - ein Prachtexemplar von Hund, eine Dogge, schön gefleckt, riesig groß. Sie kam ganz ruhig auf mich zu, ohne einen Laut von sich zu geben, stellte sich auf die Hinterbeine - und - umarmte mich, legte die Vorderpfoten auf meine Schultern. Auge in Auge, den offenen Rachen gegenüber von meinem Gesicht, spürte ich den heißen Atem des Tieres.
Es stand ganz still, ich notgedrungen auch. Was will es, beißen hätte es längst schon können, wenn es wollte. Angstvorstellungen machten sich breit, ich sah mich schon mit durchbissener Kehle mitten im Obstanger liegen, die Zeitungen berichteten darüber....
Die Dogge machte aber, sofern ich es in meiner Situation so einschätzen konnte, einen friedlichen Eindruck. Hatte ich Angst? Eigentlich nicht, es war eher eine Wut, dass der Hund mich so gefangen hielt, wie seine Beute, die er bis zum Eintreffen des Herrchens bewachen musste!? Und dass niemand da war, ihn zurück zu rufen. Was blieb mir also zu tun, als auszuhalten? Schreien wollte ich nicht, hätte mich wer gehört?
Allerdings wagte ich nicht, mich zu bewegen, obwohl sich inzwischen mehr Gewicht auf meine Schultern legte. Was hätte er dann wohl gemacht? Dass er mich nicht aus eigenem Willen freigeben wollte, dessen war ich mir sicher. Hilfesuchend schweifte mein Blick zum Gartenhaus, zu den dahinterliegenden Bäumen, doch auch von dort nahte keine Hilfe.
Endlich, nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit, ich war schon ganz steif vom ruhig Stehen,   kam die Erlösung im Pickup angefahren. Die ältere Frau, bei der ich morgens die Marillen bestellt hatte, stieg aus, lächelte mich freundlich an.  "Bitte nehmen Sie das Viech weg!", waren meine ersten Worte an sie, der Gruß folgte erst später. "Aber der tut doch nichts, der ist ja so lieb...", erwiderte sie.
Naja, ich bin heil mit dem Leben davon gekommen... Aber ob die Frau ermessen kann, was so eine Umarmung einem Fremden bedeutet? Ich kenne ja den Hund nicht, weiß nicht wie er auf was reagiert... Immerhin bekam ich als Entschädigung noch eine Handvoll Marillen dazu geschenkt.
Die Familie hatte in der Zwischenzeit geduldig im Auto erwartet, sie glaubte natürlich, ich hätte mich verplaudert. Noch nicht ganz ruhig atmend, berichtete ich mein Erlebnis.
Wo blieb das mitfühlende "Ach, du Arme! Gut, dass du heil zurück bist!"? Ein fünfstimmiges Gelächter war die Antwort!!!
 
ChA 11.09.15

 

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