Severine Martens

Der wundersame Mensch

Das Fraule ist ein Mensch, jedenfalls haben wir mal gehört, das man das so sagt. Menschen sind sehr seltsame Geschöpfe, manchmal sogar komisch. Auf jeden Fall sind sie anders als wir Hunde und wir haben hier immer was zu lachen. Wir sind sehr froh, keine Menschen zu sein!

Wir leben in einer großen Höhle mit vielen Löchern drin. Das Fraule hat das so entschieden! Die meisten Löcher sind viereckig und wenn keine Felle davor hängen, scheint das Licht herein. Das ist eine gute Sache! Manchmal kommt durch diese Löcher auch Luft in unsere Höhle, manchmal aber auch nicht. Das ist eine seltsame Sache, fast schon magisch! Im einem der viereckigen Löcher sind viele bunte Bilder drin und es kommen lustige Geräusche raus. Da sitzt das Fraule oft vor und freut sich meistens. Manchmal muss sie aber auch schimpfen oder sogar weinen. Ein anderes buntes viereckiges Loch hat ein kleines schwarzes Brett davor. Da trommelt das Fraule oft drauf rum und macht komische Geräusche – meistens abends, wenn wir schon längst schlafen.

Unsere Höhle hat viele kleinere Höhlen. Die leuchtenden Vierecke, die Fraule so lustig findet, befinden sich in der größten davon. Hier sind wir auch den meisten Teil vom Tag – und hier essen wir auch! Die anderen Höhlen sind kleiner. Da ist zum Beispiel die, in der wir immer schlafen und wo unser großes Körbchen drinne steht. Das ist auch viereckig, hat vier Beine und wir alle passen da zusammen rein. Die Schlafhöhle hat auch Löcher in der Wand und lauter kleine Klappen, hinter denen wieder kleinere Höhlen sind. In den meisten davon hängt die ihre ganzen Felle auf Haken, was manchmal richtig fies aussieht. Hinter einer anderen Klappe hebt das Fraule ihre ganzen Füße auf. Die kann sie nämlich abmachen und sie hat welche für Drinnen und welche für Draußen. Manche sind auch für schlechtes, kaltes, nasses oder warmes Wetter – je nachdem! Manchmal läuft die auch ohne ihre Füße rum, aber dann gehts entweder bald zum Schlafen oder sie geht in die nasse Höhle. Auf dem Fußboden neben unserem großen Körbchen, wo wir alle zusammen rein passen, steht ein ganz großes Viereck herum, in dem genau so einer wie ich drinne ist: Ein richtig prächtiger Kerl! Den kann ich aber nur sehen, wenn ich genau davor stehe und der macht immer genau das was ich auch mache. Außerdem hat der gar keinen Geruch, was ich langweilig finde. Das Fraule steht manchmal stundenlang davor, aber das versteht hier sowieso keiner. Vieleicht mag sie den anderen ja lieber als mich, aber da möchte ich jetzt nicht drüber nachdenken.

Die nasse Höhle, wo die immer ohne ihre Füße rein geht, ist nicht so groß wie unsere Schlafhöhle und sie ist uns regelrecht unheimlich. Dort ist nämlich eine Stelle drinne, in der es manchmal sogar regnet. Das Fraule findet das so toll, dass sie sich da morgens oft absichtlich drunter stellt. Manchmal macht sie da sogar einen kleinen Teich rein und geht da drin schwimmen – freiwillig! So etwas können wir nicht verstehen. Oft riecht das Wasser auch ganz komisch, irgendwie sehr künstlich, was das Fraule aber wohl ganz toll findet. Wir bringen uns dann immer in Sicherheit und das hat auch seinen Grund. Es ist nämlich schon vorgekommen, dass die uns da einfach reingesteckt hat – ganz plötzlich, ganz gemein und immer dann, wenn wir besonders gut gerochen haben. Im Fussboden ist in einer Ecke ein rundes Loch mit einen weissen Deckel-Napf drüber: Da macht das Fraule immer ihre Haufen rein! In einer anderen Ecke von dieser Höhle liegen viele Felle, die vorher in der großen Höhle lagen und sehr gut riechen. Das ist ein toller Berg, den wir manchmal in die Wohnhöhle ziehen, und damit zu spielen macht riesig Gaudi – wenn die nicht da ist! Manchmal machen wir diesen Berg auch kleiner und in die einzelnen Teile kleine Löcher rein, was richtig lustig ist und ganz toll Spass macht. Das Fraule ist da allerdings sehr humorlos, typisch Mensch eben!

Die beste Höhle ist die, wo die kalte und die warme Klappe drin sind. Dahinter befinden sich ebenfalls kleine Höhlen und hier ist unser ganzes Essen gebunkert – auch das vom Fraule! Die versteckt da alles, was gut und lecker ist, nur um es später wieder raus zu holen. Das mit dem Verstecken macht die immer sofort und ganz schnell – meistens gleich, wenn die mit ihrer Beute von der Jagd nach Hause kommt. Das mit dem rausholen dauert immer länger! Dabei fällt oft was runter und dann muss man ganz schnell und etwas frech sein, denn eigentlich dürfen wir in diese Höhle nicht rein. Meistens wollen wir das auch gar nicht, denn die macht da schon recht seltsame Dinge drin: Zum Beispiel macht die warme Sachen hinter der kalten Klappe kalt und dann die kalten Sachen hinter der warmen Klappe wieder warm. Oder die macht unsere ganzen Näpfe auf einem langen Brett erst nass und dann wieder trocken. Ein klein wenig verrückt ist das ja schon, finden wir! Besonders spannend – das möchte ich noch anmerken – ist ein großer runder Napf, der in dieser Höhle auf dem Boden steht und wo auch eine Klappe drauf ist. Wenn wir alleine sind – und nur dann geht das – finden wir da lauter leckere Sachen drin. Das Fraule ist dann immer sehr komisch, wenn die von der Jagd zurück kommt, und macht alles in der Esshöhle erst nass und dann wieder trocken. Das scheint eine Marotte von der zu sein! Oder die ist einfach nur neidisch, weil sie nicht selber auf die Idee gekommen ist. Lecker war es auf jeden Fall!

In der ganz großen Höhle – wo wir immer essen und wo die leuchtenden Vierecke drin sind – stehen auch eine Menge senkrechter Treppen herum. Die sind vollkommen nutzlos, denn das Fraule hat die mit lauter zusammengeklebtem Papier vollgestellt. Ich darf da nichts rausnehmen, das ist verboten, und ich darf da auch nicht dranpullern, was ich aber manchmal trotzdem mache. Deshalb sind da jetzt auch Klappen vor! Fast die Hälfte von unserer Wohnhöhle besteht aus großen viereckigen Kissen, die auf Beinen stehen – so ähnlich wie das große Körbchen in der Schlafhöhle, wo wir alle zusammen rein passen. Darauf liegen ganz viele Felle zum einkuscheln herum, die das Fraule ab und zu mal in die nasse Höhle auf den gut riechenden Berg bringt und dann neue Felle aus den Löchern hinter den Klappen in der Schlafhöhle holt. Die riechen dann erst mal doof, aber das ändern wir immer schnell! Auf den großen viereckigen Kissen mit den Beinen steht auch Lunas neues Haus herum. Luna ist auch ein Hund – Gott sei Dank – und sie mag ihr Häuschen sehr gerne, weshalb sie da meistens drin ist. Ich passe da leider nicht rein, weshalb ich Lunas Haus doof finde – worüber Luna sich freut!

In der Mitte zwischen allen Höhlen ist eine ganz lange Mittelhöhle, die eigentlich mehr ein Gang ist. Man muss da immer durch, wenn man von einer Höhle in die andere oder nach draußen auf die Jagd gehen will. An einer Wand hängen hier lauter Bindfäden, mit denen das Fraule sich an uns festbindet, bevor wir raus gehen. Wahrscheinlich fühlt sie sich so sicherer, weshalb wir sie auch immer bewachen und auf sie aufpassen. Damit sie die Bindfäden an uns festmachen kann, bekommen wir immer Ringe aus alter Tierhaut um den Hals gezuppelt oder sogenannte Rückenwärmer aufgeschnallt, die oben einen Haken für die Bindfäden dran haben. Die Ringe und die Rückenwärmer hängen meistens neben den Bindfäden an der Wand und daneben liegen lauter runde Sachen in einem Holznapf herum. Die nimmt das Fraule oft mit nach Draußen und wirft sie in der Gegend herum oder macht lauter lustige Geräusche damit. Luna freut sich darüber immer Fussel in den Bauch und das Fraule freut sich immer darüber, dass die Luna sich so freut. Mir ist so ein Kinderkram egal, fast schon peinlich. Ich gehe dann immer los, wir was anständiges zum Essen zu besorgen. Das darf ich zwar nicht, aber das Fraule ist dann meistens so dermaßen mit Quietschen und Werfen beschäftigt, dass die das gar nicht mitbekommt. Was für eine verrückte Welt! Seit ein paar Tagen gibts hier auch so ein quietschendes und rollendes Teil aus buntem Fell, das nur für drinnen ist. Juchee, was für
 eine tolle Erfindung! Aber nur für Luna und unser sonderbares Fraule – nicht für mich!

Sodele, das waren meine Ausführungen und Beschnüffelungen einiger sonderbarer Eigenarten unseres privaten Hausmenschen, unserem sogenannten Fraule. Das nächste Mal widmen wir uns weiteren Besonderheiten dieser Spezies, vor allem der Unart, sich mit Hilfen von rollenden Scheiben fortzubewegen, und der Frage, wie das alles wohl so gekommen ist und wo das noch hinführen mag! Ich hoffe, der kleine Ausflug in unsere kleine Welt und in unser Höhlensystem hat Euch etwas gefallen. Auf jeden Fall wisst Ihr jetzt Bescheid, was wir als Hund hier manchmal aushalten müssen, ohne es wirklich verstehen zu können. Dazu müssten wir Menschen sein, aber wer will das schon? Alleine der Gedanke – ohweh, oh Schreck, nein Danke!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.10.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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