Der Bauer Leuthard kommt eines Tages wie immer von der Feldarbeit zurück in die engen Gässchen seines Heimatdorfes Vertus in der Champagne. Es ist das Jahr 1000 oder 1001 und auf viele machte die magische Jahreszahl einen großen Eindruck. Der Untergang der Welt wurde erwartet, und man rechnete mit der Wiederkunft Christi. Leuthard betritt seine dürftige Stube. Seine Frau bringt ihm seine Abendmahlzeit, und während des Essens beginnt Leuthard ihr von den Männern zu erzählen, mit denen er seit mehreren Tagen auf dem Feld oder auf dem Heimweg gesprochen hat. Man hätte neue Erkenntnisse gewonnen: im fernen Konstantinopel predigte man eine neue, reinere Lehre. Nicht nur Jesus, nein auch der Satan wäre der Sohn Gottes, wie ja geschrieben stünde im Buch des Hiob. Leuthards Frau hört ihrem Mann beunruhigt zu. Als er ihr von der Unreinheit ihrer Ehe spricht, die er künftig nicht mehr mit ihr zu vollziehen gedenkt, macht sie sich ernsthafte Sorgen über den Geisteszustand ihres Mannes. Sie hat auch schon von anderen Bauern der Umgegend gehört, die ebenfalls die neue Lehre verbreiten. Bislang schien ihr das nicht sehr gefährlich, nun aber munkelt man, es gäbe schon Aufständische, die sich weigerten, den Kirchenzehnten abzuführen. Als eines Tages auch Leuthard der Kirche den Zehnten versagen will, packt seine Frau die Angst. Es kommt zum Streit zwischen den Eheleuten. Nachbarn sehen die Frau weinend aus dem Haus rennen. Am nächsten Tag zerschlägt Leuthard alle Kreuze seiner Dorfkirche. Er reißt sie aus den Gräbern seiner Verwandten, und stürzt das Kruzifix des Altares.
Im Jahr 1004 wird der Bauer verhaftet und vor den Bischof von Châlons geführt. Am Ende der Unterredung stürzt sich Leuthard in einen Brunnen. Die Bewegung seiner Anhänger erlischt und alles scheint wieder wie früher. Bauern arbeiten auf ihren Feldern, die Dorfkirche und den Kirchgarten hat man wieder in Ordnung gebracht. Der Zehnte wird wieder gezahlt. Schließlich will man ja nicht im Turm landen.
Aber in ganz Frankreich hat es solche Leuthards gegeben. Zuerst waren es Einzelgänger. Mit der Zeit aber wuchs sich ihre Bewegung zu der abendländischen Ketzerei schlechthin aus: den Katharern.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.10.2015.
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Andreas Vierk schreibt seit seinem zehnten Lebensjahr Prosa und Lyrik. Er verfasste die meisten der Gedichte des „Septemberstrands“ in den Jahren 2013 und 2014.
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