Sabrina

Gedanken eines Narren

Ein Narr, wie er einer war, analysierte die Menschen um sich herum. Lange Zeit hatte er das getan. Lange Zeit hatte er sich das Treiben der Menschen angesehen. Und im Grunde genommen sah er zwar einen Fortschritt in seiner Umgebung, nicht jedoch im Menschen.
Er nahm die verschiedensten Formen und Gestalten an, um die verschiedensten Situationen hautnah mitzuerleben. Einmal war er ein Säugling, dessen Eltern kaum Mittel zum leben hatten, ein anderes Mal eine alte Frau, die ihre besten Jahre hinter sich hatte. Vor gar nicht allzu langer Zeit ein durchschnittlicher Teenager.
Und nun verkörperte er einen stillen Geschäftsmann, der Schatten vieler hoher Persönlichkeiten.
 
Die Welt hat viele Facetten, genauso wie auch die Menschen. Es gibt die Reichen, die mit ihrem Geld und ihrer beruflichen Macht protzen, das durchschnittliche Fußvolk, bei welchem es die einen leichter, die anderen schwerer haben. Und zuletzt die Armen, worunter alle fallen, die kein Geld besitzen, egal aus welchen Gründen dies auch der Fall sein mochte.
Er konnte all diese Facetten betrachten und beobachten. Verfolgte ebenso das Handeln eines Kindes, eines Jugendlichen, eines Erwachsenen oder eines Senioren.
Letzten Endes kam er zu dem Entschluss, dass alle Menschen im Geiste einfach nur einfältig und dumm waren. Na gut, möglicherweise waren es nicht alle. Durch seine Beobachtungen bemerkte er, wie klar und ehrlich die Meinungen der unteren Schicht waren. Doch wusste er zeitgleich, dass sich das ändern würde, sobald sie Macht verliehen bekämen.
 
In diesem Moment befand er sich unter weiteren tüchtigen Geschäftsleuten. Wobei es manchmal fraglich war, was man unter diesem Fleiß verstehen konnte.
"Wie sollen wir weiter vorgehen? Der Terroranschlag... wurde vor kurzem an der Grenze verübt. Wenn das so weiter geht, wird hier bald ein gigantisches Massaker stattfinden", begehrte ein junger Mann auf. Er mochte ihn, seine Stellung war hoch genug, um an dieser Versammlung teilzunehmen, aber niedrig genug, um nicht dem Wahnsinn der Macht anheim zu fallen.
Einer der höheren Köpfe rückte seine Brille zurecht. Er sah aus, als würde er die Situation ernst nehmen, doch in dessen Augen erkannte er deutlich die Selbstsucht. "Einige Opfer werden sich nicht vermeiden lassen, aber wenn wir jetzt schon eine Panik ausbrechen lassen, käme uns das sehr teuer. Es wird nichts davon an die Öffentlichkeit dringen, haben wir uns verstanden? Falls es tatsächlich zu diesem Fall kommen sollte, so haben wir vielleicht ein paar Arbeitslose weniger. Ist doch gut für die Wirtschaft." Auch wenn er nicht lachte, das hinterhältige Grinsen verriet schon genug über seine Gedanken. Wie widerwärtig diese Menschen doch waren. Sie dachten lediglich an Profit, aber nicht eine Sekunde an die Menschen, die aufgrund ihrer Selbstsucht vielleicht ihr Leben ließen.
Es stimmte, momentan herrschte der pure Terror in fast jedem Land. Der Krieg hatte sich ausgebreitet. Flüchtlinge waren nun alle, es gab kein Land mehr, welches wirklich als sicher eingestuft werden konnte. Mit anderen Worten: Die Welt stand kurz vor einer Katastrophe. Ein lautloser Seufzer entkam ihm, während er die Unterhaltungen mit halbem Ohr weiter verfolgte.
 
Als er in der Gestalt eines pubertierenden Teenagers eine Zeit lang die Schulbank drückte, konnte er beobachten, dass sich Kinder in gewissen Hinsichten enorm von Erwachsenen unterschieden. Doch in anderen Dingen waren sie ebenso dumm. Sie quälten Ihresgleichen, um die Verzweiflung, die sie bei ihren eigenen Problemen verspürten, zu kompensieren. Eine typische Art, anderen die Schuld zu geben, dennoch milderte das nichts ab. Nein, es bestätigte seine These lediglich. Der menschliche Geist war grausam und egoistisch. Zudem gingen ihm einige Ungereimtheiten nicht aus dem Kopf. So gut, wie jeder Mensch, der die Möglichkeit zur allgemeinen Bildung hatte, kannte die Vergangenheit. Doch niemand dachte daran, dass ein Krieg den damaligen Herrschern nicht im Geringsten weitergeholfen hatte. Das zeigte ihm abermals, dass sich die Menschen im Grunde ihres Geistes nicht weiterentwickelten. Denn sonst würden sie nicht ständig dieselben Fehler machen. Es verwunderte ihn, dass niemand auf den Gedanken kam, warum die Geschichte überhaupt so detailliert gefunden werden sollte. Die Antwort war doch ganz einfach. Ihre Vorfahren mussten sich schon etwas dabei gedacht haben, all diese Informationen an die folgenden Generationen weiterzugeben. Vermutlich wollten sie nicht, dass ihre Nachkommen dieselben Fehler machten. Gerade deshalb doch sollten sie alle über die Vergangenheit Bescheid wissen. Um nicht erneut einen Krieg anzufangen.
Aber Fakt war nun mal, dass die Menschen selbst einen Teufelskreis geschaffen haben, aus welchem sie nie wieder entkommen können.
Fragte sich nur, wie lange das noch so weiter gehen würde.
 
Als das Meeting beinahe zu Ende war, erhob er sich, bevor es die anderen tun konnten und zog somit alle Aufmerksamkeit auf sich.
"Entschuldigt, aber halten Sie das wirklich für die beste Lösung? Wollen Sie wirklich unschuldige Menschen für Ihren Gewinn opfern? Finden Sie es in Ordnung, so wie es momentan in der Welt zugeht?" Beinahe gelangweilt wollte er das von den Umstehenden wissen, ihn ging es ja nichts an. Aber um seine Bestätigung zu erhalten, musste er nochmal sicher gehen.
Sie alle blickten ihn an, einige der Angestellten senkten beschämt den Kopf. Das überraschte ihn nicht, doch die Reaktionen der führenden Personen entsprachen ebenso seinen Erwartungen.
"Was für ein Narr." Der Grinsekater lachte schallend auf. "So wie es jetzt steht, können wir uns nicht um die Belange einzelner Personen kümmern. Hier ist sich jeder selbst der Nächste, so sind die Menschen nun mal", lächelte er nun versöhnend, ganz so als hätte er mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun.
Heute war ich also der Narr. Diese war nur eine von vielen Bezeichnungen, die ich bei meinen Beobachtungen verliehen bekommen hatte. Schwachkopf, Idiot, Dummkopf - ich kannte sie alle.
Auch ich lächelte nun. "Das mag sein, aber am ehesten sind es nur Menschen wie Sie, die zu viel Macht besitzen und nicht wissen, wie sie sie einzusetzen haben."
Damit verließ er den Raum. Er war hier fertig.
 "Was für ein Narr", hörte er den Vorsitzenden abermals murmeln.
Meine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. Das mochte schon sein. Ja, vielleicht war ich ein Narr.
Ein Narr in einem Haufen von Narren.
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.11.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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